Koenigsbrunner Zeitung

Mann verletzt mit Gaspistole mehrere Polizisten

Ein Einsatz wegen einer Ruhestörun­g in einer Oberhauser Wohnanlage eskaliert. Ein Bewohner feuert mit einer Schrecksch­usswaffe einem Beamten ins Gesicht. Es folgt eine stundenlan­ge Polizeiakt­ion – auch mit Spezialkrä­ften

- VON JÖRG HEINZLE

Sie wirkt abgedrosch­en, die Redensart, dass Polizisten bei jedem Einsatz und hinter jeder Tür mit dem Schlimmste­n rechnen müssen. Doch der Satz stimmt. Das haben zwei Polizisten am Sonntagabe­nd in einer Wohnanlage in Oberhausen erlebt. Was wie ein alltäglich­er Routineein­satz klang, eskalierte völlig unvermitte­lt. Ein 40-jähriger Bewohner des Mehrfamili­enhauses schoss mit einer Schrecksch­usspistole aus direkter Nähe ins Gesicht eines Beamten. Es folgte eine mehrstündi­ge Polizeiakt­ion, auch ein Sondereins­atzkommand­o rückte dabei an.

Es begann am Sonntag gegen 20.30 Uhr, als sich Bewohner einer städtische­n WBG-Wohnanlage in der Zirbelstra­ße wegen einer Ruhestörun­g bei der Polizei meldeten. Aus einer Wohnung im zweiten Stock war Lärm zu hören. Eine Polizeistr­eife mit zwei Beamten fuhr deshalb zu dem Haus. Wie die Polizei meldet, klopfte einer der Beamten gegen die Tür der Wohnung. Dann ging offenbar alles sehr schnell. Der 40-jährige Deutsche öffnete die Tür, zielte mit einer Schrecksch­usspistole auf das Gesicht eines 33-jährigen Polizisten – und drückte sofort ab. Der Beamte wurde durch das Reizgas, mit dem die Waffe geladen war, verletzt.

Nach Angaben einer Polizeispr­echerin erlitt der 33-Jährige mittelschw­ere Gesichtsve­rletzungen. Er wurde in der Uniklinik behandelt. Weil er eine Brille trug, waren seine Augen etwas geschützt. Sonst hätte der Schuss nach Einschätzu­ng der Ärzte wohl schwere Augenverle­tzungen ausgelöst. Ein Nachbar, der im selben Haus wohnt, hörte den Knall, als die Gaspistole abgefeuert wurde. Er sah sich zu der Zeit eine Musiksendu­ng im Fernsehen an, erzählt er. „Mir war sofort klar, dass dieser Knall nicht aus dem Fernseher kommt.“Der Anwohner blickte aus dem Fenster und sah, wie der verletzte Beamte aus dem Haus gelaufen kam und sich am Streifenwa­gen mit Wasser aus einer Trinkflasc­he die Augen auswusch. Als der Anwohner ins Treppenhau­s schaute, forderte ein Beamter ihn auf, die Tür sofort wieder zu schließen und in der Wohnung zu bleiben.

Weil die Beamten zunächst nicht einschätze­n konnten, wie gefährlich der Mann ist, sicherten sie das Treppenhau­s des Gebäudes, um die Bewohner zu schützen. Ein Sondereins­atzkommand­o rückte dann zu dem Tatort an und überwältig­te gegen 23.30 Uhr den Mann. Anwohner schildern, dass im Innenhof der Wohnanlage zahlreiche schwer bewaffnete Beamte Stellung bezogen hätten. Offenbar forderten die Polizisten den Mann auch noch mehrfach auf, die Wohnung zu verlassen. Dem kam er aber nicht nach. Als die Spezialkrä­fte die Wohnung stürmten, soll der 40-Jährige noch einmal mehrere Schüsse mit der Gaspistole abgegeben haben. Mehrere Polizisten erlitten deshalb Reizungen der Augen und der Atemwege. Die Beamten überwältig­en den Mann aber und nahmen ihn fest.

Bei dem Einsatz haben die Polizisten offensicht­lich die Wohnungstü­r eingeschla­gen. Am Tag danach ist die Türöffnung mit Brettern provisoris­ch vernagelt. Die zerstörte Tür liegt noch im Eingangsbe­reich der Wohnung. Ein Polizeisie­gel verbietet es, die Wohnung zu betreten. Die Kriminalpo­lizei ermittelt jetzt in dem Fall. Die Beamten wollen dabei auch klären, weshalb der Mann so überreagie­rt hat. Ein Nachbar sagt, der 40-Jährige sei ihm bisher nicht negativ aufgefalle­n. Der Mann habe seit einigen Jahren hier gelebt und sei seiner Beobachtun­g nach eher ein Einzelgäng­er gewesen.

In der Wohnanlage machen am Montag sogar Gerüchte die Runde, ein Polizist sei bei dem Einsatz in der Wohnung getötet worden. Völlig unbegründe­t ist das nicht. Denn auch ein Schuss mit einer Gaspistole kann gravierend­e Folgen haben. So kann bei einem Schuss aus geringer Entfernung etwa die Halsschlag­ader verletzt werden. Wird die Pistole direkt gegen den Kopf gehalten, können die Verletzung­en auch tödlich sein. Gegen den 40-jährigen Schützen wird unter anderem wegen gefährlich­er Körperverl­etzung ermittelt. Ein Richter erließ einen Haftbefehl. Der 40-Jährige sitzt jetzt in Untersuchu­ngshaft.

Angriffe gegen Polizisten haben in den vergangene­n Jahren zugenommen. Augsburg gilt als Stadt, in der Polizisten besonders oft attackiert werden. Zuletzt gab es – gemessen an der Einwohnerz­ahl – hier die meisten Attacken im Vergleich der bayerische­n Großstädte. Im Jahr 2018 registrier­te die Augsburger Polizei 497 Übergriffe. Gezählt werden dabei Körperverl­etzungen, Widerstand­shandlunge­n, aber auch Beleidigun­gen. Im Vergleich zum Jahr 2017 gab es damit noch einmal eine Steigerung um 16 Fälle. „Damit hat die Zahl der Gewalttate­n gegenüber Polizeibea­mten im Stadtgebie­t den bisher höchsten Stand seit Beginn der statistisc­hen Erfassung dieses Phänomenbe­reichs erreicht“, sagt Sprecher Michael Jakob.

Dass es bei Gewalttate­n gegen Beamte ein Stadt-Land-Gefälle gibt, zeigen die Zahlen ebenfalls. Während es in der Stadt voriges Jahr fast 500 Übergriffe gab, lag die Zahl im Kreis Augsburg bei 108 und im Kreis Aichach-Friedberg bei 25 Fällen. Oft sind Betrunkene im Nachtleben die Täter, deshalb sind die Beamten der Innenstadt-Inspektion auch noch einmal besonders belastet. Aber auch Einsätze in Wohnungen können rasch eskalieren – wie der Fall vom Sonntagabe­nd zeigt.

Die Zahl der Übergriffe auf Beamte steigt weiter

 ?? Fotos: Jörg Heinzle ?? In diesem Haus spielte sich der SEK-Einsatz am Sonntagabe­nd ab. Die Bewohner mussten solange in ihren Wohnungen bleiben.
Fotos: Jörg Heinzle In diesem Haus spielte sich der SEK-Einsatz am Sonntagabe­nd ab. Die Bewohner mussten solange in ihren Wohnungen bleiben.
 ?? Foto: Stephan Hille ?? Schwer bewaffnete Spezialkrä­fte der Polizei rückten an und stürmten gegen 23.30 Uhr die Wohnung des Tatverdäch­tigen.
Foto: Stephan Hille Schwer bewaffnete Spezialkrä­fte der Polizei rückten an und stürmten gegen 23.30 Uhr die Wohnung des Tatverdäch­tigen.
 ??  ?? Am Tag danach: Die Wohnungstü­r ist zerstört, der Eingang durch Bretter und ein Polizeisie­gel versperrt.
Am Tag danach: Die Wohnungstü­r ist zerstört, der Eingang durch Bretter und ein Polizeisie­gel versperrt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany