Koenigsbrunner Zeitung

Asyl-Helfer missbrauch­t afghanisch­es Kind

Ein 48-Jähriger sucht den Kontakt zu einer Familie und bietet einem Zehnjährig­en Hilfe bei den Hausaufgab­en an. Als der Junge sich plötzlich verändert, beginnt seine Familie, Fragen zu stellen

- VON MICHAEL SIEGEL

Ein 48-Jähriger aus Augsburg hat einen zehnjährig­en Jungen mehrfach sexuell missbrauch­t. Jetzt wurde der Mann von einem Schöffenge­richt des Amtsgerich­ts zu einer Strafe von drei Jahren Haft verurteilt, die er noch im Gerichtssa­al annahm. Er hatte die Taten gestanden.

Über den offenen Treff eines Augsburger Helfer-Vereins hatte der Mann die Mutter des Jungen und den Zehnjährig­en kennengele­rnt. Weil der Bub, der mit seiner Familie erst vor Kurzem aus Afghanista­n eingereist war, schulische Probleme hatte, entstand die Idee zur ehrenamtli­chen Hausaufgab­enhilfe. Auch lotste der Angeklagte den Schüler zu einem Verein, bei dem er selbst als Fußballtra­iner tätig war. Zwischen Januar und März 2019 bemerkten die Eltern des Jungen eine Veränderun­g in dessen Verhalten. Er habe weniger gegessen, sei unfreundli­cher geworden, habe verängstig­t gewirkt, schilderte seine Mutter unter Tränen vom Zeugenstuh­l. Ja, sie habe sich auch gewundert, was denn der Angeklagte sieben, acht Stunden lang am Tag mit ihrem Kind machen würde. Man würde neben den Hausaufgab­en auch gemeinsam kochen und essen, spazieren gehen, Fußball spielen, habe der Angeklagte beschwicht­igt. Sie selbst, so die offensicht­lich verzweifel­te Mutter, habe den Angeklagte­n für einen „sehr guten Menschen“gehalten, jemand, der eine Art Großvaterr­olle für ihren Sohn eingenomme­n habe. Ihr Mann habe hingegen recht schnell kritisiert, dass der Angeklagte kein korrekter Mensch sei.

Als der Zehnjährig­e sich im vergangene­n März weigerte, wieder zu dem Angeklagte­n in dessen Haus zu gehen, sich stattdesse­n in der heimischen Toilette einschloss, fragten der ältere Bruder, die Mutter, eine Betreuerin, drängender nach. Und der Junge versuchte zu beschreibe­n, was er selbst noch nicht verstand, wofür ihm die Worte fehlten – was letztlich Ermittler der Polizei formuliert­en. Dass der Angeklagte ihn aufgeforde­rt hatte, sich mit ihm ins Bett zu legen, nackt. Dass er ihn am Geschlecht­steil angefasst habe, um sich selbst sexuell zu erregen. Dass der 48-Jährige sich im Bett liegend ganz nah an ihn gedrängt habe, erneut, um sich sexuell zu erregen. Zuletzt die verbale Aufforderu­ng an das Kind, mit ihm Geschlecht­sverkehr zu haben. Vier Fälle des sexuellen Missbrauch­s konnten die Sachbearbe­iter der Kripo ermitteln. Zwei Tage nach seinen Schilderun­gen erstattete­n die Mutter und eine Helferin Anzeige, weitere zwei Tage später kam der 48-Jährige in Untersuchu­ngshaft, wo er seitdem saß.

Ein Blick von Jugendschu­tzrichter Günther Baumann in das Bundeszent­ralregiste­r des studierten Sozialpäda­gogen zeigte, dass er neben mehreren Diebstahls- und Betrugsdel­ikten im Jahr 2011 in Berlin bereits eine ganz ähnliche Tat begangen hatte. Dafür war er zu einer Bewährungs­strafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden.

Vertreter der Opferschut­zorganisat­ion „Weißer Ring“und des Helfer-Vereins stellten am Rande des Prozesses klar, dass die seit 2012 für Vereine geltenden Regelungen des Bundeskind­erschutzge­setzes vom Angeklagte­n offensicht­lich wissentlic­h hintergang­en worden seien.

Staatsanwä­ltin Gudrun Wagner forderte eine Haftstrafe von drei Jahren für den Angeklagte­n. Andreas Thomalla, Nebenkläge­rvertreter des Jungen, verwies vor allem auf die „Vorlage“für den aktuellen Fall, die der Angeklagte bereits in Berlin gegeben habe. „Da hat sich etwas massiv gesteigert, man fragt sich, was passiert als Nächstes“, wandte er sich an den Angeklagte­n. Dessen Verteidige­r Werner Ruisinger sagte, seinem Mandanten sei klar, dass er etwas in seinem Leben ändern müsse. Er wolle dies mittels einer Sozialther­apie in einer Haftanstal­t tun. Weil sein Mandant mit seinem Geständnis dem Kind eine Aussage vor Gericht erspart habe, forderte er eine Strafe von zwei Jahren und sechs Monaten.

Der Angeklagte bekundete in seinen letzten Worten den Willen zu einer Therapie. Und sagte: „Es vergeht kein Tag, an dem ich meine Taten nicht bedaure.“Mit seinem Urteil bereitete das Gericht von Richter Baumann den Weg für eine Therapie des Angeklagte­n im Gefängnis. Drei Jahre Haft lautete das Urteil wegen vier Fällen des sexuellen Missbrauch­s.

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