Asyl-Helfer missbraucht afghanisches Kind
Ein 48-Jähriger sucht den Kontakt zu einer Familie und bietet einem Zehnjährigen Hilfe bei den Hausaufgaben an. Als der Junge sich plötzlich verändert, beginnt seine Familie, Fragen zu stellen
Ein 48-Jähriger aus Augsburg hat einen zehnjährigen Jungen mehrfach sexuell missbraucht. Jetzt wurde der Mann von einem Schöffengericht des Amtsgerichts zu einer Strafe von drei Jahren Haft verurteilt, die er noch im Gerichtssaal annahm. Er hatte die Taten gestanden.
Über den offenen Treff eines Augsburger Helfer-Vereins hatte der Mann die Mutter des Jungen und den Zehnjährigen kennengelernt. Weil der Bub, der mit seiner Familie erst vor Kurzem aus Afghanistan eingereist war, schulische Probleme hatte, entstand die Idee zur ehrenamtlichen Hausaufgabenhilfe. Auch lotste der Angeklagte den Schüler zu einem Verein, bei dem er selbst als Fußballtrainer tätig war. Zwischen Januar und März 2019 bemerkten die Eltern des Jungen eine Veränderung in dessen Verhalten. Er habe weniger gegessen, sei unfreundlicher geworden, habe verängstigt gewirkt, schilderte seine Mutter unter Tränen vom Zeugenstuhl. Ja, sie habe sich auch gewundert, was denn der Angeklagte sieben, acht Stunden lang am Tag mit ihrem Kind machen würde. Man würde neben den Hausaufgaben auch gemeinsam kochen und essen, spazieren gehen, Fußball spielen, habe der Angeklagte beschwichtigt. Sie selbst, so die offensichtlich verzweifelte Mutter, habe den Angeklagten für einen „sehr guten Menschen“gehalten, jemand, der eine Art Großvaterrolle für ihren Sohn eingenommen habe. Ihr Mann habe hingegen recht schnell kritisiert, dass der Angeklagte kein korrekter Mensch sei.
Als der Zehnjährige sich im vergangenen März weigerte, wieder zu dem Angeklagten in dessen Haus zu gehen, sich stattdessen in der heimischen Toilette einschloss, fragten der ältere Bruder, die Mutter, eine Betreuerin, drängender nach. Und der Junge versuchte zu beschreiben, was er selbst noch nicht verstand, wofür ihm die Worte fehlten – was letztlich Ermittler der Polizei formulierten. Dass der Angeklagte ihn aufgefordert hatte, sich mit ihm ins Bett zu legen, nackt. Dass er ihn am Geschlechtsteil angefasst habe, um sich selbst sexuell zu erregen. Dass der 48-Jährige sich im Bett liegend ganz nah an ihn gedrängt habe, erneut, um sich sexuell zu erregen. Zuletzt die verbale Aufforderung an das Kind, mit ihm Geschlechtsverkehr zu haben. Vier Fälle des sexuellen Missbrauchs konnten die Sachbearbeiter der Kripo ermitteln. Zwei Tage nach seinen Schilderungen erstatteten die Mutter und eine Helferin Anzeige, weitere zwei Tage später kam der 48-Jährige in Untersuchungshaft, wo er seitdem saß.
Ein Blick von Jugendschutzrichter Günther Baumann in das Bundeszentralregister des studierten Sozialpädagogen zeigte, dass er neben mehreren Diebstahls- und Betrugsdelikten im Jahr 2011 in Berlin bereits eine ganz ähnliche Tat begangen hatte. Dafür war er zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden.
Vertreter der Opferschutzorganisation „Weißer Ring“und des Helfer-Vereins stellten am Rande des Prozesses klar, dass die seit 2012 für Vereine geltenden Regelungen des Bundeskinderschutzgesetzes vom Angeklagten offensichtlich wissentlich hintergangen worden seien.
Staatsanwältin Gudrun Wagner forderte eine Haftstrafe von drei Jahren für den Angeklagten. Andreas Thomalla, Nebenklägervertreter des Jungen, verwies vor allem auf die „Vorlage“für den aktuellen Fall, die der Angeklagte bereits in Berlin gegeben habe. „Da hat sich etwas massiv gesteigert, man fragt sich, was passiert als Nächstes“, wandte er sich an den Angeklagten. Dessen Verteidiger Werner Ruisinger sagte, seinem Mandanten sei klar, dass er etwas in seinem Leben ändern müsse. Er wolle dies mittels einer Sozialtherapie in einer Haftanstalt tun. Weil sein Mandant mit seinem Geständnis dem Kind eine Aussage vor Gericht erspart habe, forderte er eine Strafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
Der Angeklagte bekundete in seinen letzten Worten den Willen zu einer Therapie. Und sagte: „Es vergeht kein Tag, an dem ich meine Taten nicht bedaure.“Mit seinem Urteil bereitete das Gericht von Richter Baumann den Weg für eine Therapie des Angeklagten im Gefängnis. Drei Jahre Haft lautete das Urteil wegen vier Fällen des sexuellen Missbrauchs.