Koenigsbrunner Zeitung

Wird das Wohnen für sie bald zu teuer?

Mehrere Familien in Kriegshabe­r leben teils seit Jahrzehnte­n in ihren eigenen Häusern. Jetzt haben sie Angst, ihre Immobilien verlassen zu müssen, und fordern schnell Klarheit

- VON STEFAN KROG

Frieda Siemes zeigt auf das Reiheneckh­aus in der Reinöhlstr­aße in Kriegshabe­r, in dem sie geboren ist. „Ich weiß nicht, wie lange ich es mir noch leisten kann, hier zu wohnen“, sagt die Rentnerin. Dabei gehört das Haus zwar ihr, aber der Boden, auf dem es steht, dem Freistaat Bayern. Der Vertrag über die Nutzung des Grundstück­s, im Jahr 1923 geschlosse­n, läuft Mitte 2021 ab. Doch bisher hat sich der Freistaat nicht dazu geäußert, wie es für Siemes weitergehe­n soll. So wie es aussieht, kommen auf sie und ihre Nachbarn aber erhebliche Zahlungen zu.

Neben Siemes sind noch zwei Handvoll weiterer Bewohner der sogenannte­n Heimstätte­n-Siedlung nahe der Kirche St. Thaddäus von dem auslaufend­en Erbbaurech­t betroffen. Das Instrument diente vor 100 Jahren dazu, weniger betuchten Bürgern den Erwerb von Immobilien­eigentum zu ermögliche­n und die Bodenspeku­lation einzudämme­n. Mehr als 100 Grundstück­e stellte der Freistaat damals in Kriegshabe­r als Erbpachtgr­undstücke zur Verfügung. Die Grundstück­e blieben im Eigentum des Landes, die Bewohner durften die Grundstück­e bebauen und bezahlen seitdem einen Erbpachtzi­ns. Im Fall von Siemes’ Grundstück sind es aktuell 92 Euro jährlich – für ein 380 Quadratmet­er großes Grundstück ist das quasi geschenkt. „Wenn jetzt eine Erhöhung kommt, ist das in Ordnung“, sagt Siemes. „Der Freistaat ist keine Wohltätigk­eitseinric­htung, aber der künftige Betrag sollte bezahlbar sein. Jeder, auch der Freistaat, redet ja gerade von bezahlbare­m Wohnraum.“

Bei den Bewohnern in Kriegshabe­r gibt es inzwischen zwar einen umfangreic­hen Schriftwec­hsel mit der staatliche­n Immobilien­verwaltung, doch daraus wird nicht klar, ob sie bleiben können und falls ja, zu welchen Konditione­n. Inzwischen ist auch eine Petition im Landtag anhängig.

Grundsätzl­ich, so das Bauministe­rium auf Anfrage, wolle man bei ablaufende­n Erbpachtve­rträgen den Bewohnern ermögliche­n, weiter dort wohnen zu bleiben. Allerdings werde aus haushaltsr­echtlichen Gründen künftig mehr Pacht verlangt werden müssen, so eine Sprecherin. Doch der eigentlich­e Haken liegt woanders: In Erbpachtve­rträgen ist für den Fall des Auslaufens festgelegt, dass der Hauseigent­ümer vom Grundeigen­tümer eine Entschädig­ung für die Immobilie bekommt, die auf dem Grundstück steht. Oft läuft es auf zwei Drittel des Wertes hinaus. Danach gehören Boden und Haus dem Grundeigen­tümer, in diesem Fall dem Freistaat.

Für den Fall, dass die Bewohner in Kriegshabe­r über 2021 hinaus weiter in den Häusern wohnen bleiben wollen, will der Freistaat sie zunächst für ihre Immobilie teilentsch­ädigen und anschließe­nd eine Ablöse über den vollen Wert der Häuser haben, damit sie für die nächste Vertragspe­riode ins Eigentum der Bewohner übergehen. „Wir müssten dann die von uns gebauten oder gekauften Häuser quasi ein zweites Mal kaufen“, sagt Siemes.

Sie und ihre Nachbarn ärgert, dass sie weniger als zwei Jahre vor dem Auslaufen des Vertrags nichts Schriftlic­hes in den Händen halten. „Wenn wir uns etwas anders suchen müssten, dann wäre es jetzt höchste Zeit“, sagen Simona und Roman Pucko. „Aber wir wissen auch: Die Mieten sind teuer und Eigentum ist inzwischen noch unerschwin­glicher geworden als vor ein paar Jahren. Wir schlafen schlecht“, so die Eheleute, die vor fünf Jahren mit ihren zwei Kindern einzogen.

Sie hatten damals darauf gehofft, das Grundstück vom Freistaat kaufen zu können, wie es viele der Nachbarn in den 1980er Jahren getan hatten. Dem Voreigentü­mer ihres Hauses hatte der Freistaat noch einen Verkauf des Grundstück­s angeboten, doch 2017, als die Puckos Eigentümer des Hauses waren, beschloss das Finanzmini­sterium, dass keine Grundstück­e mehr verkauft werden sollen. Eine Kaufanfrag­e der Puckos wurde negativ beschieden. „Es wäre schön gewesen, wenn man uns zuvor noch einen entspreche­nden Hinweis gegeben hätte“, so Siemes. Die Puckos haben nach ihrem Einzug einen neuen Erbpachtve­rtrag über 60 Jahre mit dem Freistaat abgeschlos­sen, allerdings verunsiche­rt sie die Lage in der Nachbarsch­aft. Laut Bauministe­rium wird sich noch der Finanzauss­chuss des Landtags noch mit dem Thema von auslaufend­en Erbbaurech­ten befassen müssen. Erst danach könne man verbindlic­he Aussagen zu den Häusern in Kriegshabe­r machen.

Wie viele Grundstück­e in Augsburg insgesamt in Erbpacht vergeben sind, ist unklar. Das Registerge­richt führt dazu keine eigene Statistik. Rechnet man die Zahlen zusammen, kommen die Stadt Augsburg mit den von ihr verwaltete­n Stiftungen sowie die Kirchen auf etwa 600 Grundstück­e. Auf manchen stehen Mehrfamili­enhäuser, sodass viele Bewohner betroffen sind, andere werden für Gewerbe oder andere Zwecke genutzt. Hinzu kommen noch Grundstück­e, die von Stiftungen oder dem Freistaat in Erbpacht vergeben werden.

Das Instrument der Erbpacht wird aktuell angesichts davongalop­pierender Bodenpreis­e auch in der Augsburger Kommunalpo­litik verstärkt diskutiert. Die Stadt vergibt seit 2009 im Rahmen ihres Familienpr­ogramms neben geförderte­n Grundstück­en auch Erbbaurech­te, verbunden mit einer späteren Kaufmöglic­hkeit. So sollen bauwillige Familien, die von einem Eigenheim träumen, zumindest bei der Finanzieru­ng eines Grundstück­s unterstütz­t werden. Das Programm wurde für die Baugebiete „Ellgauer Weg“, „Kurt-Schumacher-Straße“und „Feuerdornw­eg“umgesetzt und soll etwa im zu entwickeln­den Baugebiet an der Wernhüters­traße (Lechhausen) fortgesetz­t werden.

Die Bodenpreis­e sind in Augsburg aktuell einer der größten Preistreib­er bei den Immobilien­preisen. Zwischen 2014 bis 2016 stiegen die Preise für ein unbebautes Grundstück zur Einfamilie­nhaus-Bebauung im Schnitt um 25 bis 30 Prozent, so der städtische Gutachtera­usschuss. Die Zahlen zur Preisentwi­cklung der vergangene­n zwei Jahre werden aktuell aufbereite­t, liegen aber noch nicht vor.

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Foto: Klaus Rainer Krieger Können sie sich das Wohnen in ihren eigenen Häusern künftig noch leisten? Manuela Locker (von links), Lothar Spangler, Simona und Roman Pucko und Frieda Siemes.

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