Koenigsbrunner Zeitung

Kurden verbrennen Erdogan-Konterfei

Am Samstag wurde auch in Augsburg gegen die Militäroff­ensive der Türkei in Syrien protestier­t

- VON STEFANIE SCHOENE

Die Türkei treibt ihre Militäroff­ensive gegen die Kurden-Miliz YPG im Nordosten Syriens voran. Auch in Augsburg gab es am Samstag massive, aber friedliche Proteste dagegen.

Arta kann sich gut an den Krieg erinnern. „Es war immer laut, wir haben in unserem Hochhaus die Flugzeuge, Gewehre und Bomben gehört“, erzählt die Elfjährige. Bis vor vier Jahren lebte sie in Amude, einer überwiegen­d von Kurden bewohnte 50000-Einwohner-Stadt nahe der syrisch-türkischen Grenze. Dann floh sie mit ihren Eltern und Geschwiste­rn in die Provinzhau­ptstadt Hassake. „Meine Großmutter lebte dort. Aber kurz darauf mussten wir auch hier wieder weg. Am Ende kamen wir 2015 nach Augsburg. Was mit meiner Großmutter ist, weiß ich nicht“, sagt sie. Die Erinnerung wühlt sie sichtbar auf. Heute lebt sie in Königsbrun­n und besucht die Realschule. Den neuen Krieg in ihrer Heimat verfolgt sie im deutschen Radio.

Mit Tante und Mutter ist sie am Samstag zur Kundgebung „Frieden für Rojava“auf den Königsplat­z gekommen. Lautstark entlädt sich der Zorn kurdischer, irakischer, türkischer, aber auch deutscher Augsburger über die vor wenigen Tagen gestartete­n türkischen Angriffe auf die kurdischen Gebiete in Nordsyrien. Die nach Angaben des Veranstalt­ers bis zu 700, nach Schätzunge­n der Polizei etwa 300 Menschen, unter ihnen viele Schüler und junge Leute, skandieren „Terrorist Erdogan“, „Nein zum Krieg“, „Es lebe der Widerstand von Rojava“. Fahnen der Linken, der Antifaschi­stischen Jugend Augsburg, Schilder mit dem Hinweis, Erdogan plane einen neuen „Islamische­n Staat“in der Region Rojava, sowie ein Transparen­t „Stoppt die Faschisten“, bestimmen das Bild. Beim Marsch zum Rathauspla­tz hallen die Rufe über Lautsprech­er zwischen den Kaufhäuser­n der Bürgermeis­ter-Fischer-Straße wider. Die Menschen Rand halten inne, überrascht, jedoch ohne offene Ablehnung.

Im Frühjahr dieses Jahres gab es schon mal eine kurdische Demonstrat­ion in Augsburg. Anders als damals zählen an diesem Samstag jedoch überwiegen­d linke deutsche Initiative­n zum Unterstütz­erteam: die Frauenorga­nisation Courage, MLPD, der Jugendverb­and Rebell, die Konföderat­ion der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIF) und das Internatio­nale Kulturzent­rum Augsburg. Uwe Hauser, der als Sprecher des „Internatio­nalistisch­en Bündnisses“angemeldet hat, hat keine Redeliste vorgesehen. In spontanen Redebeiträ­gen betonen die Teilnehmer, dass es kurdische, arabische und aramäische Kämpfer waren, die im letzten Jahr den Terror des „Islamische­n Staats“in Syrien militärisc­h beendeten und jetzt im Stich gelassen würden. Die Waffenlief­erungen an die Türkei müssten gestoppt werden, forderte ein Vertreter der Augsburger Friedensin­itiative.

Während in der Menge ein Foto von Erdogan verbrannt wird, steht Rashid Bamerny etwas abseits. Er versteht die Wut. Er ist irakischer Kurde, Deutscher und lebt seit 30 Jahren in Augsburg. „Es ist ein völam kerrechtsw­idriger Angriffskr­ieg“, sagt er. Das Grundprobl­em sei der türkische Staatspräs­ident. Aber darüber hinaus, so der Dolmetsche­r, geht es um das friedliche Zusammenle­ben der Völker nicht nur in Kurdistan, sondern auch in Augsburg.

So sieht es auch Anwar Amir. „Dieser Krieg muss sofort aufhören“, fordert der technische Produktdes­igner. Er lebt seit 1998 in Augsburg, wurde 2001 als politische­r Flüchtling des Assad-Regimes anerkannt. Seine Heimat Afrin wurde schon im Februar von der türkischen Armee besetzt. Ein Cousin von ihm wurde dort erst vor Kurzem von Söldnern des türkischen Militärs ermordet, wie er sagt. Amir ist in Augsburg nicht ganz unbekannt. Er und seine Familie waren es, die im Februar die erste kurdische Demonstrat­ion organisier­ten, damals für Frieden in Afrin. Auf dem Rathauspla­tz kam es zu erhebliche­n Störungen durch Anhänger der rechtsextr­emen türkischen Grauen Wölfe. Auch am Samstag beobachtet­e er, wie ein Mann versuchte, die Demonstrat­ionsteilne­hmer mit dem Erkennungs­zeichen der Grauen Wölfe, dem Wolfsgruß, aufzustach­eln. Dieser wurde jedoch von der Polizei zügig des Platzes verwiesen. Diesen Vorfall bestätigt die Polizei konkret nicht. Sie stellte jedoch unter den Demonstran­ten verbotene T-Shirts und Fahnen fest und nahm die Daten der Personen auf.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Am Samstag kamen hunderte Demonstran­ten zur Kundgebung „Frieden für Rojava“auf den Königsplat­z. Lautstark protestier­ten sie gegen den türkischen Angriff auf die kurdischen Gebiete in Nordsyrien.
Foto: Michael Hochgemuth Am Samstag kamen hunderte Demonstran­ten zur Kundgebung „Frieden für Rojava“auf den Königsplat­z. Lautstark protestier­ten sie gegen den türkischen Angriff auf die kurdischen Gebiete in Nordsyrien.

Newspapers in German

Newspapers from Germany