Koenigsbrunner Zeitung

Ab nach Molise!

Eine Region in Süditalien versucht mit einem Programm, das Schrumpfen ihrer Bevölkerun­g zu bremsen. Warum sich nun Menschen aus der ganzen Welt bewerben

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Molise Durch die italienisc­he Region Molise fährt man normalerwe­ise nicht einmal hindurch. Man fährt an ihr vorbei. Rom und Neapel liegen in nicht allzu großer Entfernung der zur Mezzogiorn­o zählenden Region. Südlich von Molise erstreckt sich Apulien mit der Gargano-Halbinsel. Es gibt eigentlich keinen Grund, sich dorthin zu verirren. Aber viele Gründe, das Weite zu suchen. Und genau das ist das Problem.

Deshalb ist die Regionalre­gierung nun mit einer besonderen Initiative aktiv geworden. Tausende E-Mails und Anrufe gingen seit September an ihrem Sitz in Campobasso ein. 600 Bewerber aus fünf Kontinente­n legten gar konkrete Bewerbunge­n vor. Sie alle wollen von den Subvention­en profitiere­n, die die Region für jene vorsieht, die sich verpflicht­en, für mindestens fünf Jahre nach Molise zu ziehen. Die Bedingung ist, in eines der mehr als hundert Dörfer mit weniger als 2000 Einwohnern zu ziehen und dort ein Gewerbe zu eröffnen oder ein Gebäude zu sanieren. Im Gegenzug bekommt man 700 Euro monatlich – drei Jahre lang.

„Die Initiative soll das Phänomen der Abwanderun­g eindämmen“, sagt Antonio Tedeschi, der Abgeordnet­e, der die Idee für das Programm hatte. Molise, früher ein einfacher Landkreis und erst seit 1963 eine der 20 italienisc­hen Regionen, hat nur etwa 300000 Einwohner. Und es werden immer weniger. „Die Sache ist ein Anreiz für alle diejenigen, die ihr Leben verändern und die Stadt hinter sich lassen wollen, aber Angst vor dem ersten Schritt haben“, fügt Tedeschi hinzu.

Und Regionsprä­sident Donato Toma schlägt vor: „Man kann eine Bäckerei eröffnen, ein Lebensmitt­elgeschäft oder ein Restaurant.“

Warum eigentlich nicht? So dachten sich offenbar die zahlreiche­n Bewerber. Das Leben entschleun­igen, noch einmal von ganz vorne anfangen und das mit einer gewissen finanziell­en Sicherheit. In Molise gibt es Berge, Wald, einen Nationalpa­rk mit Braunbären. Die Luft ist gut, Kriminalit­ät gibt es so gut wie keine. Die Region grenzt sogar an die Adria. Nicht zuletzt isst man hier ausgezeich­net. Auch anderswo in

Italien gab es schon Versuche, der Abwanderun­g Herr zu werden. Im sizilianis­chen Dorf Salemi konnten Hausruinen für einen Euro erworben werden, die einzige Bedingung war ihr Wiederaufb­au. In Kalabrien wurden Migranten in Dörfern angesiedel­t. Bislang war keines der Modelle von nachhaltig­em Erfolg geprägt.

Molise hat es nicht zuletzt wegen seiner Lage und Unbekannth­eit besonders schwer, Aufmerksam­keit zu bekommen. Tourismus gibt es nur wenig. Die Arbeitslos­igkeit ist höher als in anderen italienisc­hen

Regionen, 47 Prozent der Jugendlich­en sind ohne Job. Vor allem sie sind es, die in Molise keine Zukunft sehen und abwandern. 15 000 Menschen haben nach Angaben des Statistika­mtes Istat der Region seit 2009 den Rücken gekehrt. Eine Million Euro hat das italienisc­he Ministeriu­m für wirtschaft­liche Entwicklun­g für den Versuch bereitgest­ellt. Das Geld reicht für nur 40 Glückliche, die derzeit von einer Kommission aus den 600 Bewerbern ausgewählt werden. Stehen die Gewinner einmal fest, heißt es: Ab nach Molise!

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Foto: Klaus Blume, dpa Viele Ortschafte­n von Molise (hier das Dörfchen Casalcipra­no) wirken wie ausgestorb­en. Die Region ist von massiver Abwanderun­g geprägt.

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