Ihn plagen Schmerzen, die nie ganz verschwinden
Siegfried Weisinger leidet an der Trigeminus-Neuralgie und will eine Selbsthilfegruppe gründen
Der Schmerz an seiner linken Wange ist für Siegfried Weisinger so, als würde in einen offenliegenden Nerv in einem Zahn gestochen. So eine Schmerzattacke hält bis zu 20 Minuten lang an, und er braucht lange, um sich davon wieder zu erholen. Weisinger spricht von guten und schlechten Tagen, aber ganz weg geht der Schmerz bei ihm nie. Trigeminus-Neuralgie heißt die Krankheit, unter der er leidet. Vieles an ihr ist rätselhaft; eine sichere Heilungsmethode gibt es nicht. Jetzt sucht er andere Betroffene, um eine Selbsthilfegruppe zu gründen.
Weisinger (61) kann sich noch an den Tag erinnern, als der Schmerz zum ersten Mal auftrat. Er war auf der Fahrt von der Innenstadt nach Haunstetten und hatte das Fahrerfenster geöffnet. Das war 2011. Zunächst glaubte er, der Fahrtwind sei schuld. Weil der Schmerz ungewöhnlich stark war, suchte er seinen Hausarzt auf, und der hatte gleich die richtige Vermutung und schickte ihn zu einem Neurologen.
Was ist eine Trigeminus-Neuralgie?
Der Trigeminus, so erklärt der Chefarzt der Klinik für Neurologie am Uniklinikum, Prof. Dr. Markus Naumann, ist der fünfte Hirnnerv, der für Gefühlswahrnehmungen im Gesicht zuständig ist. „Neuralgie“ist das Fachwort für Schmerz. Laut Naumann gibt es mehrere mögliche Ursachen: einen in der Nähe gelegenen Tumor, eine Nervenentzündung (oft sind Menschen, die an Multipler Sklerose leiden, betroffen), oder eine Berührung des Nervs mit einer daneben verlaufenden Arterie.
Weisinger hat eine TrigeminusNeuralgie ohne richtige Ursache. Er hat, wie er erzählt, Vermeidungsstrategien entwickelt: Er wäscht sich nicht im Gesicht, um den Schmerz nicht so auszulösen. Er tritt beim Gehen vorsichtig auf. Manchmal knirscht er aus Nervosität mit den Zähnen, und auch das kann diesen unerträglichen Schmerz nach sich ziehen. Mitunter kommt er auch von allein. Dann legt Weisinger sich hin, legt den Kopf in den Nacken und dreht ihn behutsam hin und her: „Mir kommt es so vor, als sei der Trigeminus von Muskeln eingeklemmt und springe dann wieder heraus“. In der Fachliteratur gibt es ein Werk, in dem diese These vertreten wird. Naumann hält davon jedoch nichts: In der Nähe des Trigeminus gebe es keine Muskeln.
Die Trigeminus-Neuralgie lässt sich laut Naumann operieren. Entweder dringt der Arzt zwischen Nacken und Ohr in den Kopf des Patienten ein und polstert den Raum zwischen Arterie und Nerv aus. Oder der Nerv wird mit einer Elektrode verödet. Es besteht allerdings das Risiko, dass es zu Taubheit oder einer Lähmung im Gesicht kommt. Außerdem hilft der Eingriff teilweise nur eine Zeit lang – dann kehrt der Schmerz zurück. Das Mittel der Wahl seien Medikamente. Auch Weisinger behilft sich mit einer Arznei, die er täglich einnimmt, und einer für starke Schmerzattacken. Damit kommt er einigermaßen klar, aber natürlich würde er sich wünschen, wieder völlig schmerzfrei zu sein.
Weisinger hat in den vergangenen acht Jahren manches über seine Krankheit gelesen, aber nach wie vor hat er viele Fragen. Deshalb möchte er jetzt eine Selbsthilfegruppe gründen. Vielleicht können ihm andere Betroffene weiterhelfen. Er würde gern monatlich ein Treffen veranstalten. Jeder, der mit Trigeminus-Neuralgie zu tun hat, kann kommen.
Nach Aussage von Kerstin Asmussen, Beraterin in der Augsburger Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen, haben die Treffen neben dem Informationsaustausch noch eine zweite wichtige Funktion: Man erfährt, dass man seiner Krankheit nicht hilflos ausgeliefert ist. Die Selbsthilfegruppe kann Kraft geben, mit einer Trigeminus-Neuralgie besser zurechtzukommen.
OKontakt zu Siegfried Weisinger: wsigi@gmx.de; zur Kontaktstelle: shg.gesundheitsamt@augsburg.de.