Koenigsbrunner Zeitung

Ihn plagen Schmerzen, die nie ganz verschwind­en

Siegfried Weisinger leidet an der Trigeminus-Neuralgie und will eine Selbsthilf­egruppe gründen

- VON ANDREAS ALT

Der Schmerz an seiner linken Wange ist für Siegfried Weisinger so, als würde in einen offenliege­nden Nerv in einem Zahn gestochen. So eine Schmerzatt­acke hält bis zu 20 Minuten lang an, und er braucht lange, um sich davon wieder zu erholen. Weisinger spricht von guten und schlechten Tagen, aber ganz weg geht der Schmerz bei ihm nie. Trigeminus-Neuralgie heißt die Krankheit, unter der er leidet. Vieles an ihr ist rätselhaft; eine sichere Heilungsme­thode gibt es nicht. Jetzt sucht er andere Betroffene, um eine Selbsthilf­egruppe zu gründen.

Weisinger (61) kann sich noch an den Tag erinnern, als der Schmerz zum ersten Mal auftrat. Er war auf der Fahrt von der Innenstadt nach Haunstette­n und hatte das Fahrerfens­ter geöffnet. Das war 2011. Zunächst glaubte er, der Fahrtwind sei schuld. Weil der Schmerz ungewöhnli­ch stark war, suchte er seinen Hausarzt auf, und der hatte gleich die richtige Vermutung und schickte ihn zu einem Neurologen.

Was ist eine Trigeminus-Neuralgie?

Der Trigeminus, so erklärt der Chefarzt der Klinik für Neurologie am Unikliniku­m, Prof. Dr. Markus Naumann, ist der fünfte Hirnnerv, der für Gefühlswah­rnehmungen im Gesicht zuständig ist. „Neuralgie“ist das Fachwort für Schmerz. Laut Naumann gibt es mehrere mögliche Ursachen: einen in der Nähe gelegenen Tumor, eine Nervenentz­ündung (oft sind Menschen, die an Multipler Sklerose leiden, betroffen), oder eine Berührung des Nervs mit einer daneben verlaufend­en Arterie.

Weisinger hat eine Trigeminus­Neuralgie ohne richtige Ursache. Er hat, wie er erzählt, Vermeidung­sstrategie­n entwickelt: Er wäscht sich nicht im Gesicht, um den Schmerz nicht so auszulösen. Er tritt beim Gehen vorsichtig auf. Manchmal knirscht er aus Nervosität mit den Zähnen, und auch das kann diesen unerträgli­chen Schmerz nach sich ziehen. Mitunter kommt er auch von allein. Dann legt Weisinger sich hin, legt den Kopf in den Nacken und dreht ihn behutsam hin und her: „Mir kommt es so vor, als sei der Trigeminus von Muskeln eingeklemm­t und springe dann wieder heraus“. In der Fachlitera­tur gibt es ein Werk, in dem diese These vertreten wird. Naumann hält davon jedoch nichts: In der Nähe des Trigeminus gebe es keine Muskeln.

Die Trigeminus-Neuralgie lässt sich laut Naumann operieren. Entweder dringt der Arzt zwischen Nacken und Ohr in den Kopf des Patienten ein und polstert den Raum zwischen Arterie und Nerv aus. Oder der Nerv wird mit einer Elektrode verödet. Es besteht allerdings das Risiko, dass es zu Taubheit oder einer Lähmung im Gesicht kommt. Außerdem hilft der Eingriff teilweise nur eine Zeit lang – dann kehrt der Schmerz zurück. Das Mittel der Wahl seien Medikament­e. Auch Weisinger behilft sich mit einer Arznei, die er täglich einnimmt, und einer für starke Schmerzatt­acken. Damit kommt er einigermaß­en klar, aber natürlich würde er sich wünschen, wieder völlig schmerzfre­i zu sein.

Weisinger hat in den vergangene­n acht Jahren manches über seine Krankheit gelesen, aber nach wie vor hat er viele Fragen. Deshalb möchte er jetzt eine Selbsthilf­egruppe gründen. Vielleicht können ihm andere Betroffene weiterhelf­en. Er würde gern monatlich ein Treffen veranstalt­en. Jeder, der mit Trigeminus-Neuralgie zu tun hat, kann kommen.

Nach Aussage von Kerstin Asmussen, Beraterin in der Augsburger Kontaktste­lle für Selbsthilf­egruppen, haben die Treffen neben dem Informatio­nsaustausc­h noch eine zweite wichtige Funktion: Man erfährt, dass man seiner Krankheit nicht hilflos ausgeliefe­rt ist. Die Selbsthilf­egruppe kann Kraft geben, mit einer Trigeminus-Neuralgie besser zurechtzuk­ommen.

OKontakt zu Siegfried Weisinger: wsigi@gmx.de; zur Kontaktste­lle: shg.gesundheit­samt@augsburg.de.

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Foto: Michael Hochgemuth Siegfried Weisinger leidet an Trigeminus-Neuralgie. Er sucht andere Betroffene­n, um eine Selbsthilf­egruppe zu gründen.

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