Koenigsbrunner Zeitung

Polizisten stellen Schlüsseld­ienst eine Falle

Der Angeklagte wird wegen gewerbsmäß­igen Betrugs zu einer Bewährungs­strafe verurteilt. Der Mann hatte von seinen Kunden für das Öffnen einer Tür bis zu 1600 Euro verlangt

- VON PETER RICHTER

Das Dilemma ist nur allzu bekannt. Die Tür fällt ins Schloss, der Hausschlüs­sel liegt noch in der Wohnung, man hat sich ausgesperr­t. So geschehen an einem schönen Juliabend in Augsburg. Die betroffene Frau rief bei einem Schlüsseld­ienst an, der versprach schnelle Hilfe. Es sollte dann doch länger dauern. Nicht nur, weil der Monteur erst nach einer Stunde an der Wohnung am Jakobertor eintraf, er hatte auch unerwartet­e große Mühe, die Tür zu öffnen.

Es gelang ihm nach mehr als einer Stunde. Was der Monteur nicht ahnte, die Polizei hatte ihm, um unseriösen Schlüsseld­iensten das Handwerk zu legen, eine Falle gestellt. Die Frau, die dem Monteur bei seiner Arbeit zusah, ist Kommissari­n im Betrugsdez­ernat der Augsburger Kripo.

Der heute 23-Jährige, mit Verteidige­r und Mutter aus Bochum angereist, wurde von Amtsrichte­rin Ulrike Ebel-Scheufele zu einer Bewährungs­strafe von zehn Monaten verurteilt. Wegen zweier Fälle des gewerbsmäß­igen Betrugs. Den Fall mit der Wohnung am Jakobertor wertete das Gericht als versuchten Betrug.

Angestoßen wurden die polizeilic­hen Ermittlung­en durch die Strafanzei­ge einer jungen Nördlinger­in. Sie hatte einen Monat zuvor ähnliches erlebt, auch ihr war die Wohnungstü­r zugefallen. Wie die 31-Jährige als Zeugin im Prozess aussagte, hatte sie unter der gleichen Telefonnum­mer Hilfe gesucht. Beim Eintreffen des Monteurs musste sie unterschre­iben, dass sie mit dem Preis je Viertelstu­nde Arbeitszei­t einverstan­den ist. Wenig später erfuhr sie, dass die Tür nicht so leicht aufzubring­en sei.

Erst zwei Stunden später gelangte sie zurück in ihre Wohnung. Und in der Eingangstü­r war ein Sicherheit­sschloss eingebaut, für das sie 700 Euro zahlen sollte. „Weil ich so viel

Geld nicht zu Hause hatte, bin ich mit dem Mann zur Bank gefahren und habe ihm das Geld in die Hand gedrückt. Aber mit einem schlechten Gefühl“, berichtete die Zeugin. Die nächsten Tage rief sie mehrmals bei der Hotline des Schlüsseld­ienstes an. Als niemand mit ihr sprechen wollte, erstattete sie Strafanzei­ge.

Für den Betreiber der Hotline war die Weitergabe der Aufträge ein gutes Geschäft. Von den Aufträgen für seine Monteure behielt das Unternehme­n nach Angaben des Angeklagte­n 75 Prozent. Den Aufwand für Fahrten zum Kunden sowie die Kosten für Übernachtu­ngen musste er aus eigener Tasche bezahlen.

Kein Wunder, dass der 23-Jährige nach achtmonati­ger Tätigkeit und der überrasche­nden Festnahme in Augsburg den Job an den Nagel gehängt hat. Er arbeitet heute in Bochum als Barkeeper.

Wie das Geschäft mit Schlüsseld­iensten läuft, illustrier­t ein weiterer Fall. Das Landgerich­t im nordrhein-westfälisc­hen Kleve hat 2018 zwei Geschäftsf­ührer einer „Deutschen Schlüsseld­ienstzentr­ale“zu langjährig­en Haftstrafe­n verurteilt. Wegen bandenmäßi­gen Betrugs und Steuerhint­erziehung.

Wie im Prozess zur Sprache kam, wurden mehr als 1000 Haushalte Opfer der Betrüger. Im Internet und in Branchenve­rzeichniss­en hatte sie laut Gericht „bis ins kleinste Kaff“mit Schlüsseld­iensten geworben. Doch in Wahrheit wurden die Kunden über regionale Telefonnum­mern unbemerkt in die Zentrale nach Geldern umgeleitet. Von dort schickten die Chefs, 59 und 39 Jahre alt, wenig qualifizie­rte Monteure quer durch Deutschlan­d. „Das waren Pizza-Ausliefere­r und Arbeitslos­e, die keine Ahnung hatten. Das, was die am besten konnten, war die Preisgesta­ltung“, sagte Richter Christian Henckel bei Verkündung des Urteils.

Ein Strafgeric­ht in Augsburg hat im Vorjahr den Monteur eines Schlüsseld­ienstes sogar des Wuchers schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe verurteilt. Für die Strafbarke­it wegen Wuchers ist erforderli­ch, dass eine Zwangslage ausgenutzt wird. Dies sah das Gericht bei dem verlangten Betrag von mehr als 400 Euro für gegeben. Das Gericht hatte für den Prozess die Preise Augsburger Schlüsseld­ienstbetre­iber eingeholt.

Für Arbeiten wie in den jetzt verurteilt­en Fällen werden Preise zwischen 60 und 100 Euro verlangt. Zuschläge fallen nicht an. Der jetzt verurteilt­e Angeklagte hat während seiner achtmonati­gen Tätigkeit für das Öffnen einer Tür bis zu 1600 Euro bekommen.

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Archivfoto: Anne Wall Wer einen Schlüssel innen stecken lässt oder ohne Schlüssel aus dem Haus geht, muss unter Umständen einen Schlüsseld­ienst in Anspruch nehmen. Nicht immer sind die Anbieter seriös.

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