Polizisten stellen Schlüsseldienst eine Falle
Der Angeklagte wird wegen gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Der Mann hatte von seinen Kunden für das Öffnen einer Tür bis zu 1600 Euro verlangt
Das Dilemma ist nur allzu bekannt. Die Tür fällt ins Schloss, der Hausschlüssel liegt noch in der Wohnung, man hat sich ausgesperrt. So geschehen an einem schönen Juliabend in Augsburg. Die betroffene Frau rief bei einem Schlüsseldienst an, der versprach schnelle Hilfe. Es sollte dann doch länger dauern. Nicht nur, weil der Monteur erst nach einer Stunde an der Wohnung am Jakobertor eintraf, er hatte auch unerwartete große Mühe, die Tür zu öffnen.
Es gelang ihm nach mehr als einer Stunde. Was der Monteur nicht ahnte, die Polizei hatte ihm, um unseriösen Schlüsseldiensten das Handwerk zu legen, eine Falle gestellt. Die Frau, die dem Monteur bei seiner Arbeit zusah, ist Kommissarin im Betrugsdezernat der Augsburger Kripo.
Der heute 23-Jährige, mit Verteidiger und Mutter aus Bochum angereist, wurde von Amtsrichterin Ulrike Ebel-Scheufele zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Wegen zweier Fälle des gewerbsmäßigen Betrugs. Den Fall mit der Wohnung am Jakobertor wertete das Gericht als versuchten Betrug.
Angestoßen wurden die polizeilichen Ermittlungen durch die Strafanzeige einer jungen Nördlingerin. Sie hatte einen Monat zuvor ähnliches erlebt, auch ihr war die Wohnungstür zugefallen. Wie die 31-Jährige als Zeugin im Prozess aussagte, hatte sie unter der gleichen Telefonnummer Hilfe gesucht. Beim Eintreffen des Monteurs musste sie unterschreiben, dass sie mit dem Preis je Viertelstunde Arbeitszeit einverstanden ist. Wenig später erfuhr sie, dass die Tür nicht so leicht aufzubringen sei.
Erst zwei Stunden später gelangte sie zurück in ihre Wohnung. Und in der Eingangstür war ein Sicherheitsschloss eingebaut, für das sie 700 Euro zahlen sollte. „Weil ich so viel
Geld nicht zu Hause hatte, bin ich mit dem Mann zur Bank gefahren und habe ihm das Geld in die Hand gedrückt. Aber mit einem schlechten Gefühl“, berichtete die Zeugin. Die nächsten Tage rief sie mehrmals bei der Hotline des Schlüsseldienstes an. Als niemand mit ihr sprechen wollte, erstattete sie Strafanzeige.
Für den Betreiber der Hotline war die Weitergabe der Aufträge ein gutes Geschäft. Von den Aufträgen für seine Monteure behielt das Unternehmen nach Angaben des Angeklagten 75 Prozent. Den Aufwand für Fahrten zum Kunden sowie die Kosten für Übernachtungen musste er aus eigener Tasche bezahlen.
Kein Wunder, dass der 23-Jährige nach achtmonatiger Tätigkeit und der überraschenden Festnahme in Augsburg den Job an den Nagel gehängt hat. Er arbeitet heute in Bochum als Barkeeper.
Wie das Geschäft mit Schlüsseldiensten läuft, illustriert ein weiterer Fall. Das Landgericht im nordrhein-westfälischen Kleve hat 2018 zwei Geschäftsführer einer „Deutschen Schlüsseldienstzentrale“zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Wegen bandenmäßigen Betrugs und Steuerhinterziehung.
Wie im Prozess zur Sprache kam, wurden mehr als 1000 Haushalte Opfer der Betrüger. Im Internet und in Branchenverzeichnissen hatte sie laut Gericht „bis ins kleinste Kaff“mit Schlüsseldiensten geworben. Doch in Wahrheit wurden die Kunden über regionale Telefonnummern unbemerkt in die Zentrale nach Geldern umgeleitet. Von dort schickten die Chefs, 59 und 39 Jahre alt, wenig qualifizierte Monteure quer durch Deutschland. „Das waren Pizza-Auslieferer und Arbeitslose, die keine Ahnung hatten. Das, was die am besten konnten, war die Preisgestaltung“, sagte Richter Christian Henckel bei Verkündung des Urteils.
Ein Strafgericht in Augsburg hat im Vorjahr den Monteur eines Schlüsseldienstes sogar des Wuchers schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe verurteilt. Für die Strafbarkeit wegen Wuchers ist erforderlich, dass eine Zwangslage ausgenutzt wird. Dies sah das Gericht bei dem verlangten Betrag von mehr als 400 Euro für gegeben. Das Gericht hatte für den Prozess die Preise Augsburger Schlüsseldienstbetreiber eingeholt.
Für Arbeiten wie in den jetzt verurteilten Fällen werden Preise zwischen 60 und 100 Euro verlangt. Zuschläge fallen nicht an. Der jetzt verurteilte Angeklagte hat während seiner achtmonatigen Tätigkeit für das Öffnen einer Tür bis zu 1600 Euro bekommen.