Koenigsbrunner Zeitung

Verletzter Polizist kämpft um Schmerzens­geld

Ein Brite randaliert in einer Augsburger Bar, erst vier Beamte können ihn überwältig­en. Ein verletzter Polizist, ein ausgezeich­neter Lebensrett­er, verklagt den Freistaat – vergeblich

- VON MICHAEL LINDNER

Bobingen/Augsburg Über 1,90 Meter groß und kräftig ist der Mann, der in einer Augsburger Bar hinterm Tresen randaliert. Vier Polizeibea­mte machen sich an jenem Januartag 2016 auf den Weg, um die Lage zu beruhigen. Doch das gestaltet sich alles andere als einfach, denn der Mann aus Großbritan­nien wehrt sich vehement. Bei dem Einsatz wird unter anderem der 38-jährige Polizist Torsten Hiljanen verletzt. Der Familienva­ter aus Bobingen wollte 1000 Euro Schmerzens­geld vom Freistaat haben – und zog vors Verwaltung­sgericht Augsburg.

Hiljanen ist Polizeihau­ptmeister, seit zwölf Jahren arbeitet er bei der Polizei. Es sei sein Traumjob, versichert er im Gespräch mit unserer Zeitung. Viel Schönes habe er schon im Dienst erlebt, aber auch Unangenehm­es: eine Gehirnersc­hütterung, einen Biss in den Oberschenk­el und einiges mehr. Als Lebensrett­er auf der Wiesn in München wurde er 2013 bekannt. Ein junger Mann wurde damals durch einen Schlag mit dem Weißbiergl­as lebensgefä­hrlich verletzt. Die Halsschlag­ader war durchtrenn­t, Blut spritzte umher. Hiljanen zögerte keine Sekunde und drückte mit seinen Händen die Halsschlag­ader zu. Fast 15 Minuten lang – denn so lange dauerte es, bis der Notarzt vor Ort war. Der Mann überlebte, ohne Hiljanens Eingreifen wäre er verblutet. Der 38-Jährige wurde mit der Bayerische­n Rettungsme­daille ausgezeich­net. Weniger dramatisch, aber für den Polizeibea­mten schmerzhaf­ter war ein Einsatz in Augsburg im Jahr 2016.

Während er auf dem britischen Randaliere­r in einer Bar kniete, um ihn zu fesseln, wehrte sich dieser so heftig, dass sich Hiljanen an den Knien verletzte. Das von einer Kollegin eingesetzt­e Pfefferspr­ay rief bei ihm massive Atemproble­me hervor. Daher forderte der Bobinger 1000 Euro Schmerzens­geld – und zwar vom Freistaat. Seit 2015 gibt es einen Paragrafen im Bayerische­n Beamtenges­etz, wonach Polizisten nach einem Angriff unter gewissen Voraussetz­ungen Schmerzens­geld erhalten können. Und um diese Frage drehte sich nun der am Verwaltung­sgericht verhandelt­e Fall.

Der Polizist wollte das Schmerzens­geld zunächst von dem Randaliere­r – einem Monteur aus Großbri

der kurz nach dem Vorfall in seine Heimat zurückkehr­te. Es erging ein Mahn- und ein Vollstreck­ungsbesche­id, doch der Brite wollte die 1000 Euro nicht zahlen. Aus diesem Grund beriefen sich Hiljanen und sein Anwalt Carsten Rücker auf den entspreche­nden Paragrafen und verklagten den Freistaat. Die Zweite Kammer des Verwaltung­sgerichts Augsburg wies die Klage aber ab. Vorsitzend­er Bernhard Röthinger sagte, dass ein Vollstreck­ungsbesche­id nicht für die Übernahme des Schmerzens­gelds durch den Freistaat genüge. So habe unter anderem kein Vollstreck­ungsversuc­h, wie im Gesetz gefordert, stattgefun­den.

Anwalt Rücker erklärte, dass die Kosten hierfür in Großbritan­nien im dreistelli­gen Bereich beginnen und dem Vernehmen nach schnell einen mittleren vierstelli­gen Betrag erreichen. Er stellte deshalb die Sinnfrage: „Soll die Polizeigew­erkschaft 3000 oder 4000 Euro für die Rechtsverf­olgung ausgeben, für Geld, das sie sehr wahrschein­lich nicht bekommt, nur damit dann am Ende vom Freistaat die 1000 Euro Schmerzens­geld doch bezahlt werden?“. Der Vertreter des Freistaats vom Landesamt für Finanzen zeigte Verständni­s für die Situation des Polizeibea­mten: Auch er hielt die Ausführung­en des Paragrafen für „nicht glücklich“. Zwar soll das Getannien, setz überarbeit­et werden, doch so lange müsse man sich an den jetzigen Wortlaut halten.

Hiljanen und sein Anwalt möchten die Urteilsbeg­ründung abwarten und dann entscheide­n, ob sie in die nächst höhere Instanz gehen. „Die Vorschrift ist, so wie sie gemacht ist und nun vom Gericht ausgelegt wird, für Polizisten untauglich“, sagte Rücker. Durch Spitzfindi­gkeiten werde versucht, kein Schmerzens­geld an verletzte Polizeibea­mte zu zahlen, „die den Kopf für uns hinhalten und uns beschützen“.

Bayernweit gibt es nach Auskunft des Staatsmini­steriums für Finanzen und für Heimat nur wenige Klageverfa­hren, die sich mit solchen Schmerzens­geldansprü­chen beschäftig­en. Die Zahl bewegt sich im einstellig­en Bereich. Und das, obwohl Polizeibea­mte bei ihrer Dienstausü­bung in den zurücklieg­enden Jahren zunehmend Widerständ­en und körperlich­en Angriffen ausgesetzt sind. „Ein solches Ausmaß an Gewalt ist absolut inakzeptab­el“, betonte Innenminis­ter Joachim Herrmann, als er das Lagebild „Gewalt gegen Polizeibea­mte 2018“dieses Jahr in München vorstellte.

Der Bobinger Polizist bestätigt den sinkenden Respekt gegenüber Einsatzkrä­ften, erklärt aber zugleich: „Der respektlos­e und gewaltbere­ite Mensch ist bei unseren Einsätzen die Seltenheit.“.

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Symbolfoto: Carsten Rehder, dpa Immer wieder werden Polizeibea­mte im Einsatz attackiert und dabei verletzt. Nun hat ein 38-jähriger Polizist aus dem Landkreis Augsburg den Freistaat auf Schmerzens­geld verklagt.

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