Verletzter Polizist kämpft um Schmerzensgeld
Ein Brite randaliert in einer Augsburger Bar, erst vier Beamte können ihn überwältigen. Ein verletzter Polizist, ein ausgezeichneter Lebensretter, verklagt den Freistaat – vergeblich
Bobingen/Augsburg Über 1,90 Meter groß und kräftig ist der Mann, der in einer Augsburger Bar hinterm Tresen randaliert. Vier Polizeibeamte machen sich an jenem Januartag 2016 auf den Weg, um die Lage zu beruhigen. Doch das gestaltet sich alles andere als einfach, denn der Mann aus Großbritannien wehrt sich vehement. Bei dem Einsatz wird unter anderem der 38-jährige Polizist Torsten Hiljanen verletzt. Der Familienvater aus Bobingen wollte 1000 Euro Schmerzensgeld vom Freistaat haben – und zog vors Verwaltungsgericht Augsburg.
Hiljanen ist Polizeihauptmeister, seit zwölf Jahren arbeitet er bei der Polizei. Es sei sein Traumjob, versichert er im Gespräch mit unserer Zeitung. Viel Schönes habe er schon im Dienst erlebt, aber auch Unangenehmes: eine Gehirnerschütterung, einen Biss in den Oberschenkel und einiges mehr. Als Lebensretter auf der Wiesn in München wurde er 2013 bekannt. Ein junger Mann wurde damals durch einen Schlag mit dem Weißbierglas lebensgefährlich verletzt. Die Halsschlagader war durchtrennt, Blut spritzte umher. Hiljanen zögerte keine Sekunde und drückte mit seinen Händen die Halsschlagader zu. Fast 15 Minuten lang – denn so lange dauerte es, bis der Notarzt vor Ort war. Der Mann überlebte, ohne Hiljanens Eingreifen wäre er verblutet. Der 38-Jährige wurde mit der Bayerischen Rettungsmedaille ausgezeichnet. Weniger dramatisch, aber für den Polizeibeamten schmerzhafter war ein Einsatz in Augsburg im Jahr 2016.
Während er auf dem britischen Randalierer in einer Bar kniete, um ihn zu fesseln, wehrte sich dieser so heftig, dass sich Hiljanen an den Knien verletzte. Das von einer Kollegin eingesetzte Pfefferspray rief bei ihm massive Atemprobleme hervor. Daher forderte der Bobinger 1000 Euro Schmerzensgeld – und zwar vom Freistaat. Seit 2015 gibt es einen Paragrafen im Bayerischen Beamtengesetz, wonach Polizisten nach einem Angriff unter gewissen Voraussetzungen Schmerzensgeld erhalten können. Und um diese Frage drehte sich nun der am Verwaltungsgericht verhandelte Fall.
Der Polizist wollte das Schmerzensgeld zunächst von dem Randalierer – einem Monteur aus Großbri
der kurz nach dem Vorfall in seine Heimat zurückkehrte. Es erging ein Mahn- und ein Vollstreckungsbescheid, doch der Brite wollte die 1000 Euro nicht zahlen. Aus diesem Grund beriefen sich Hiljanen und sein Anwalt Carsten Rücker auf den entsprechenden Paragrafen und verklagten den Freistaat. Die Zweite Kammer des Verwaltungsgerichts Augsburg wies die Klage aber ab. Vorsitzender Bernhard Röthinger sagte, dass ein Vollstreckungsbescheid nicht für die Übernahme des Schmerzensgelds durch den Freistaat genüge. So habe unter anderem kein Vollstreckungsversuch, wie im Gesetz gefordert, stattgefunden.
Anwalt Rücker erklärte, dass die Kosten hierfür in Großbritannien im dreistelligen Bereich beginnen und dem Vernehmen nach schnell einen mittleren vierstelligen Betrag erreichen. Er stellte deshalb die Sinnfrage: „Soll die Polizeigewerkschaft 3000 oder 4000 Euro für die Rechtsverfolgung ausgeben, für Geld, das sie sehr wahrscheinlich nicht bekommt, nur damit dann am Ende vom Freistaat die 1000 Euro Schmerzensgeld doch bezahlt werden?“. Der Vertreter des Freistaats vom Landesamt für Finanzen zeigte Verständnis für die Situation des Polizeibeamten: Auch er hielt die Ausführungen des Paragrafen für „nicht glücklich“. Zwar soll das Getannien, setz überarbeitet werden, doch so lange müsse man sich an den jetzigen Wortlaut halten.
Hiljanen und sein Anwalt möchten die Urteilsbegründung abwarten und dann entscheiden, ob sie in die nächst höhere Instanz gehen. „Die Vorschrift ist, so wie sie gemacht ist und nun vom Gericht ausgelegt wird, für Polizisten untauglich“, sagte Rücker. Durch Spitzfindigkeiten werde versucht, kein Schmerzensgeld an verletzte Polizeibeamte zu zahlen, „die den Kopf für uns hinhalten und uns beschützen“.
Bayernweit gibt es nach Auskunft des Staatsministeriums für Finanzen und für Heimat nur wenige Klageverfahren, die sich mit solchen Schmerzensgeldansprüchen beschäftigen. Die Zahl bewegt sich im einstelligen Bereich. Und das, obwohl Polizeibeamte bei ihrer Dienstausübung in den zurückliegenden Jahren zunehmend Widerständen und körperlichen Angriffen ausgesetzt sind. „Ein solches Ausmaß an Gewalt ist absolut inakzeptabel“, betonte Innenminister Joachim Herrmann, als er das Lagebild „Gewalt gegen Polizeibeamte 2018“dieses Jahr in München vorstellte.
Der Bobinger Polizist bestätigt den sinkenden Respekt gegenüber Einsatzkräften, erklärt aber zugleich: „Der respektlose und gewaltbereite Mensch ist bei unseren Einsätzen die Seltenheit.“.