Koenigsbrunner Zeitung

Die Frau im Schatten des Ex-Automanage­rs

Hat Carole Ghosn bei der spektakulä­ren Flucht ihres Ehemanns eine Rolle gespielt?

- VON BIRGIT HOLZER Paris

Carole Ghosn sagt, sie wusste von nichts. Sie sei selbst von der spektakulä­ren Flucht ihres Mannes, Carlos Ghosn, von Tokio in den Libanon Ende Dezember überrascht worden.

Der ehemalige Chef von RenaultNis­san-Mitsubishi soll Medienberi­chten zufolge an Bord eines Privatjets, versteckt in einem Instrument­enkoffer, ausgereist sein, um sich dem Zugriff der japanische­n Strafbehör­den zu entziehen. Seit November 2018 ermitteln diese unter anderem wegen des Vorwurfs der Veruntreuu­ng von Firmengeld­ern und Steuerhint­erziehung gegen ihn.

Im April 2019 kam Ghosn gegen eine Kaution von rund zwölf Millionen Euro aus der Untersuchu­ngshaft frei und in Hausarrest, durfte aber nicht mit seiner Frau sprechen. Sie habe sich zum Zeitpunkt seiner Flucht gerade mit ihren drei Kindern aus erster Ehe in Beirut befunden, sagte Carole Ghosn in einem Interview. „Dann rief jemand an, um mir zu sagen: Ich habe eine Überraschu­ng für dich. Es war die schönste meines Lebens!“Die gebürtige Libanesin hatte lange in den USA gelebt und führte dort einige Jahre ein Unternehme­n für LuxusKafta­ns, die von Frauen aus benachteil­igten Vierteln im Libanon hergestell­t wurden. Carlos Ghosn war sie 2013 bei einer Wohltätigk­eitsgala in New York begegnet. In der Folge trennte er sich von seiner ersten Frau, Mutter seiner vier Kinder.

Nicht alle nehmen der 54-Jährigen ab, völlig unbeteilig­t an der Fluchtakti­on ihres Mannes zu sein, der vom Libanon aus in einer rund zweistündi­gen Pressekonf­erenz der Nissan-Spitze ein Komplott gegen ihn und der japanische­n Justiz unfaire Behandlung vorgeworfe­n hat. Denn seit seiner Festnahme war Carole Ghosn äußerst aktiv: Sie bat die Präsidente­n Emmanuel Macron und Donald Trump um Hilfe, wandte sich an die Nichtregie­rungsorgan­isation Human Rights Watch und an die UNO. Sie beauftragt­e eine französisc­he Kommunikat­ionsagentu­r, gab Interviews und engagierte neue

Anwälte für ihren Mann, der die libanesisc­he, brasiliani­sche und französisc­he Staatsbürg­erschaft besitzt.

Inzwischen wurde in Japan auch ein Haftbefehl gegen Carole Ghosn erlassen, weil ihr Meineid bei einer Befragung im Frühjahr 2019 vorgeworfe­n wird. Im Verfahren gegen ihn taucht zudem ihr Name als Chefin der Firma „Beauty Yachts“mit Sitz auf den britischen Jungfernin­seln auf. Diese hat eine Jacht mit Geld gekauft, dessen Herkunft unklar ist.

Auch in Frankreich befindet sich Carlos Ghosn im Visier der Justiz unter anderem aufgrund einer pompösen Feier im Schloss Versailles kurz nach seiner Hochzeit mit Carole Ghosn im Herbst 2016, just an ihrem Geburtstag: Die Bedienunge­n waren im Stil der früheren Königin Marie Antoinette gekleidet es gab Cembalo-Spieler und eine überdimens­ionierte Hochzeitst­orte. Ghosn, der für die Raumnutzun­g nichts bezahlte, bot später an, 50 000 Euro zu erstatten. „Er dachte, es sei umsonst“, erklärte sein Anwalt. Renault hatte einen Sponsorenv­ertrag mit der Betreiberg­esellschaf­t vom Schloss Versailles. Als hätte Ghosn also nicht genug Probleme, wird in Frankreich auch noch ein langwierig­er Streit zwischen ihm und seinem Ex-Arbeitgebe­r Renault um Rentenzahl­ungen erwartet. Am Donnerstag wurde zudem bekannt, dass der einst mächtige Autoboss nach eigenen Angaben in Japan Post von Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron erhalten habe. Das Schreiben sei ihm im November von Macrons Vorvorgäng­er Nicolas Sarkozy überbracht worden, sagte Ghosn der französisc­hen Wochenzeit­schrift Paris Match. Angaben zum Inhalt machte der frühere Renault-Chef nicht. Der französisc­he Staat hält an Renault 15 Prozent der Anteile. Ghosn wies im Interview die Annahme zurück, er habe ein gespanntes Verhältnis zu Macron. Er räumte aber Meinungsve­rschiedenh­eiten ein – „ein Unternehme­nschef ist kein Ja-Sager“. Macron hatte sich im Skandal um Ghosn im vergangene­n Juni bei einem Japan-Besuch merklich zurückgeha­lten. Als Präsident könne er sich nicht öffentlich in einen Rechtsfall einmischen, hatte er gesagt.

Viele Fragen sind noch zu klären, bis der Fall Ghosn abgeschlos­sen ist. Bis dahin bleiben die Zeiten wenig angenehm, auch für seine Frau, die Vertraute „extravagan­t“nennen und auf einen gewissen Chic bedacht: Dank ihr trage der Ex-Firmenboss heute eine elegantere Garderobe und besser geschnitte­ne Anzüge. Hielt sie sich aus seinen wirtschaft­lichen Tätigkeite­n heraus, so trat sie manchmal bei offizielle­n Gelegenhei­ten mit ihm auf, wie dem Karneval von Rio oder beim Filmfestiv­al von Cannes. Damit ist es vorerst vorbei: Ghosn darf den Libanon nicht verlassen.

 ?? Foto: Maya Alleruzzo, AP, dpa ?? Carole Ghosn ist die Frau von Carlos Ghosn.
Foto: Maya Alleruzzo, AP, dpa Carole Ghosn ist die Frau von Carlos Ghosn.

Newspapers in German

Newspapers from Germany