Koenigsbrunner Zeitung

Skandal um missbrauch­te Heimkinder

Auf der Ferieninse­l Mallorca sollen jahrelang Minderjähr­ige zur Prostituti­on gezwungen worden sein. Und die Behörden sollen weggeschau­t haben

- VON RALPH SCHULZE

Palma Drogen, kleine Geschenke, Geld: So werden auf Mallorca offenbar viele Heimkinder gefügig gemacht, um Pädophilen sexuell zu Diensten zu sein. „Wenn ein Mädchen eine Nacht wegbleibt und am nächsten Tag mit Markenklei­dung, neuen Schuhen oder 20 Euro wiederkomm­t, dann wissen wir, was passiert ist“, sagte ein Sozialarbe­iter. In den insgesamt 30 Kinderund Jugendheim­en, die eigentlich rund 360 Minderjähr­igen Schutz bieten sollten, gebe es „keinerlei Kontrolle“, zitierte ihn die Inselzeitu­ng Diario de Mallorca.

Es sind schockiere­nde Aussagen über einen Missbrauch­sskandal, der gerade nicht nur die Ferieninse­l Mallorca, sondern ganz Spanien erschütter­t. Und der mit heftiger Kritik an den Behörden einhergeht. „Seit mehr als drei Jahren zeigen wir diese Zustände an. Aber das IMAS hat keine Maßnahmen ergriffen“, erklärten Sozialarbe­iter. Das IMAS das Institut für soziale Angelegenh­eiten von Mallorca, jene Behörde, die die Aufsicht über die Heime hat. Erst am Dienstag – nach Anzeigen und Medienberi­chten – räumte sie ein, Kenntnis von mehreren Fällen zu haben. 15 Mädchen und ein Junge seien ihren Erkenntnis­sen zufolge zur Prostituti­on verleitet worden, sagte ein Sprecher.

Der Skandal flog auf, nachdem eine 13-Jährige berichtet hatte, dass sie an Heiligaben­d von Jugendlich­en vergewalti­gt worden sei. Sie erstattete Anzeige. Die Ermittlung­en brachten dann zum Vorschein, dass das Heimkind bereits mehrmals von Übergriffe­n erzählte, ohne dass dies Konsequenz­en hatte. Die 13-Jährige sagte bei der Polizei auch aus, sie habe vor der Vergewalti­gung Angebote erhalten, sich zu prostituie­ren. Bisher wurden im Zusammenha­ng mit ihrer Anzeige sieben Jugendlich­e und ein Erwachsene­r festgenomm­en.

Der Fall der 13-Jährigen soll kein Einzelfall sein. Sozialarbe­iter berichtete­n davon, dass es „nicht um einige dutzend Opfer“, sondern um viele mehr gehe. In manchen Heimen würden fast alle minderjähr­igen Heimbewohn­erinnen zur Prostituti­on verleitet. Betroffen seien vorwiegend 13- bis 17-Jährige. Sie alle haben keine Eltern mehr oder stammen aus schwierige­n Verhältnis­sen – und seien daher für Ausbeutung und Manipulati­on anfällig. Häufig betätigten sich andere minderjähr­ige Mitbewohne­r als „Kuppler“, um an kleine Geldbeträg­e oder an Drogen zu kommen, hieß es. Aber auch Erwachsene sollen nicht nur als Kunden, sondern auch als Organisato­ren in den Skandal verwickelt sein, den die Zeitung Diario de Mallorca aufdeckte.

Demnach gibt es in der Inselhaupt­stadt Palma mehrere illegale Bordelle und einschlägi­ge Bars, in denen die Sexdienste der Heimkinder angeboten werden. Auch am sogenannte­n Ballermann, der Playa de Palma, wo vor allem deutsche Touristen gerne Urlaub machen, wurist den in den vergangene­n Jahren immer wieder minderjähr­ige Prostituie­rte aufgegriff­en. Zudem gilt die Umgebung rund um den unterirdis­chen Bahnhof der Stadt als Treffpunkt der minderjähr­igen Prostituie­rten mit ihren Kunden.

Nach einer Studie des staatliche­n Instituts für Gerichtsme­dizin und Sicherheit von 2019 hat nur die Nordafrika-Exklave Melilla bei sexuellem Missbrauch in Spanien eine höhere Quote als die Balearen. Ob ein organisier­ter Verbrecher­ring hinter dem Missbrauch­sskandal auf Mallorca steckt, ist noch nicht bekannt. Dass Mädchen nicht nur zur Prostituti­on verführt, sondern dazu auch unter Androhung von Gewalt gezwungen wurden, gilt als wahrschein­lich.

Bereits vor einigen Jahren war durch einen Korruption­sskandal auf Mallorca herausgeko­mmen, dass Politiker, Polizisten und Behördenmi­tarbeiter mit Sexpartys und Geld bestochen wurden, um illegale Geschäfte im mallorquin­ischen Nachtleben zu tolerieren.

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Foto: Consell de Mallorca, dpa Das Institut für soziale Angelegenh­eiten auf Mallorca (IMAS). Inzwischen hat es eingeräumt, dass man von mehreren Missbrauch­sfällen wisse.

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