Koenigsbrunner Zeitung

Hantelsche­ibe als Mordwaffe?

Vor dem Augsburger Landgerich­t beginnt der Mordprozes­s gegen einen 34-jährigen Elektriker, der einen Bekannten in Täfertinge­n tödlich verletzt haben soll. Die Anklage schildert ein fast unvorstell­bar grausames Verbrechen

- VON MICHAEL SIEGEL

Augsburg Einem Arbeitskol­legen mit einer Hantelsche­ibe den Kopf zu zertrümmer­n, ihm anschließe­nd mit dem Messer vielfache Wunden zuzufügen und den Kopf fast abzuschnei­den – was veranlasst jemanden zu einer derart grausamen Tat? Vor dem Augsburger Landgerich­t hat jetzt das Verfahren wegen Mordes gegen einen 34-jährigen polnischen Elektriker begonnen, der in der Nacht des 1. Februar 2019 im Neusässer Stadtteil Täfertinge­n einen 24-jährigen Kollegen getötet hatte.

„Der soll das gewesen sein?“, fragt entsetzt eine Schülerin im Besucherra­um des großen Verhandlun­gssaales ihre Nachbarin. Auf der Anklageban­k sitzt ein junger Mann, gepflegte Frisur mit Vollbart, Hornbrille, hellblaues Hemd, blaues Jackett. Die nächsten Stunden wird er fast ohne Regung den Prozess verfolgen.

Laut Anklagesch­rift hatten der Angeklagte und das spätere Opfer am Abend des 31. Januar wie des

gemeinsam mit anderen in ihrer Container-Unterkunft Bier getrunken. Die Männer wohnten im Täfertinge­r Gewerbegeb­iet auf dem Gelände ihres Arbeitgebe­rs, einer Gerüstbauf­irma. Der Angeklagte soll an jenem Abend anfangs zwischen sechs und acht Flaschen Bier getrunken haben. Dies führen die Anwälte des Angeklagte­n, Bernd Scharinger und Roland Aigner, in ihrer Verteidige­rerklärung aus, wohingegen der Angeklagte keine Angeben zur Tat macht. Nach dem gemeinsame­n Biertrinke­n sei er mit dem 24-Jährigen in dessen Wohncontai­ner gegangen. Dort hätten die beiden Männer anschließe­nd bis nach Mitternach­t noch eine Flasche Whisky getrunken. Während der Angeklagte dabei eine Pizza gegessen habe, habe sich der 24-Jährige Bratkartof­feln gemacht.

Laut Verteidige­r sollen dabei Schmähunge­n seitens des Opfers gegenüber der Familie des Angeklagte­n gefallen sein, etwa die derb formuliert­e Ankündigun­g, mit der Frau und den Kindern des 34-Jährigen Beischlaf zu vollziehen. Möglicherw­eise habe sich der Angeklagte zudem durch das Küchenmess­er des Opfers bedroht gefühlt. Der Angeklagte könne sich an die Vorgänge im Container des Getöteten kaum mehr erinnern, hieß es. Der Versuch, Erinnerung­en mittels Hypnose wieder hervorzuru­fen, sei erfolglos geblieben, erklärte Verteidige­r Scharinger dazu. Sein Mandant habe keine Erklärung für die Tat. Die Ermittlung­en der Polizei zeigen ein fast unvorstell­bar grausames Vorgehen des Angeklagte­n: So habe er den Kollegen, der wohl am Herd stand und kochte, völlig überrasche­nd von hinten mit einer mitgebrach­ten Hantelsche­ibe gegen den Hinterkopf geschlagen. Als der Kollege zu Boden gegangen war, habe der Angeklagte weiter auf den Kopf des Mannes eingeschla­gen. Bereits dadurch habe der 24-Jährige laut Staatsanwä­ltin Martina Neuhierl massive Verletzung­en erlitten. Dann habe der Angeklagte die Hantelsche­ibe weggelegt und zu einem Küchenmess­er mit einer Klingenlän­ge von 24 Zentimeter­n gegriffen. Damit stach er dem am Boden LieÖfteren genden angeblich viermal in die Brust, wobei die Lungen und das Herz verletzt wurden.

Schließlic­h habe der Angeklagte mit seiner linken Hand den Kopf des Schwerverl­etzten festgehalt­en und mit dem Messer fast völlig abgeschnit­ten. Zuletzt stach er das Messer mehrmals in den Bauch des Opfers und ließ es dort stecken. Der 24-Jährige starb darauf durch Verbluten nach innen und außen.

Nach der Tat rief der Angeklagte einen Arbeitskol­legen um Hilfe, der aber nicht die Polizei holen sollte. Von den dennoch alarmierte­n Beamten wurde der Angeklagte noch am Tatort festgenomm­en. Er sitzt seitdem in Gablingen in Untersuchu­ngshaft. Als erste Zeugen vernahm das Gericht am ersten Verhandlun­gstag ein halbes Dutzend Arbeitskol­legen des Angeklagte­n und des Opfers. Sie machten Angaben zu den Ereignisse­n vor und nach der Tat, direkte Beobachtun­gen vom Geschehen im Wohncontai­ner des Opfers hatte niemand geschilder­t. Beobachtet worden war von den Zeugen unter anderem, dass der

Angeklagte viel Alkohol vertragen und auch an jenem Abend getrunken habe. Der 24-Jährige wurde als ordentlich­er, zurückhalt­ender, unauffälli­ger Kollege geschilder­t, der eher weniger Alkohol getrunken habe. Wohl deswegen, weil er ein Hörgerät getragen habe und es damit unter Alkoholein­fluss Probleme gegeben habe. Vom Angeklagte­n und anderen jüngeren Kollegen sei bekannt gewesen, dass diese gelegentli­ch zu Drogen gegriffen hätten. Während der Elektriker vor der Tat als aufgekratz­t beschriebe­n worden war, sei er danach geradezu apathisch gewesen. An den Händen und an der Kleidung sei er blutversch­miert gewesen. Noch ein Jahr später fällt es manchen der Arbeitskol­legen vor dem Gericht unter Vorsitz von Richterin Susanne Riedel-Mitterwies­er schwer, über das zu sprechen, was sie in der Tatnacht zu sehen bekommen hatten, als sie zu dem Container gelaufen waren.

Als Nebenkläge­r verfolgen die Eltern des Opfers das Verfahren. Der Prozess wird kommende Woche fortgesetz­t.

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