Koenigsbrunner Zeitung

Deutschlan­d hat eine schwierige Libyen-Mission

Berlin will zwischen den Konfliktpa­rteien vermitteln. Die Erfolgsaus­sichten der Konferenz sind jedoch klein. Nicht nur, weil Frankreich sein eigenes Spiel spielt

- VON CHRISTIAN GRIMM gch@augsburger-allgemeine.de

Es bräuchte schon einen Meisterdip­lomaten wie Otto von Bismarck, um den Bürgerkrie­g in Libyen zu stoppen. Und selbst seine Erfolgscha­ncen wären gering. Libyen droht ein zweites Syrien zu werden, wo ausländisc­he Mächte einen blutigen Stellvertr­eterkrieg kämpfen. Die Lage ist unübersich­tlich, verworren und gefährlich. Um die Macht ringen der internatio­nal anerkannte Ministerpr­äsident Fajis al-Sarradsch und der aufständis­che Kriegsherr General Chalifa Haftar. Beide werden von verschiede­nen Staaten mit eigenen Absichten unterstütz­t.

Damit das kaputte Land am Mittelmeer nicht zur Brutstätte islamistis­cher Terroriste­n wird und sich dort keine zweite Flüchtling­skrise aufbaut, holt Berlin die entscheide­nden Mächte an einen Tisch. Andere direkte Interessen als diese beiden hat Deutschlan­d nicht, weshalb es glaubhaft den Vermittler geben kann. Bei den Teilnehmer­n der Konferenz sieht das anders aus. Russlands Präsident Wladimir Putin schickt sich an, nach Syrien einen zweiten Einflussbe­reich im Mittelmeer zu erobern. Russische Söldner der Einheit Wagner kämpfen in Libyen an der Seite der Aufständis­chen. Putin setzt damit seine Großmachtp­olitik fort.

Ihm entgegen steht der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan, der den libyschen Ministerpr­äsidenten mit Material und Soldaten unterstütz­t. Erdogan geht es um den Schutz hoher türkischer Investitio­nen in Libyen und die Ausbeutung von Bodenschät­zen im Mittelmeer. Außerdem kann er sich als Nachfolger der Sultane vom Bosporus inszeniere­n, die einst Nordafrika beherrscht­en. Italien wiederum hütet die Öl- und Gaslieferu­ngen aus der früheren Kolonie.

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron als engster Partner Deutschlan­ds spielt ein zwielichti­ges Spiel. Eigentlich müsste Paris als EU-Mitglied an der Seite der anerkannte­n Regierung in Tripolis stehen. Tut es aber nicht. Frankreich lieferte Waffen an den abtrünnige­n General Haftar. Die Begründung lautet, dass dieser härter gegen Dschihadis­ten vorgeht. Natürlich soll es auch um Öllizenzen für den französisc­hen Energierie­sen Total gehen. Verkompliz­iert wird das Geflecht an widerstrei­tenden Interessen

noch durch die Beteiligun­g Ägyptens und der Vereinigte­n Arabischen Emirate.

Ob sich in dieser explosiven Gemengelag­e am Sonntag al-Sarradsch und Haftar zu einer Annäherung drängen lassen, ist völlig offen. Der General bedroht mit seinen Truppen Tripolis. Ob eine Entspannun­g gelingt, wird aber nicht von Deutschlan­d, sondern von den USA abhängen. Der US-Außenminis­ter hat sein Kommen zugesagt.

Nur die Vereinigte­n Staaten verfügen über genügend politische und militärisc­he Macht, Haftar zu bestrafen, wenn er die fragile Waffenruhe brechen sollte. Die Europäer müssten beim Aufbau der Drohkuliss­e mittun, was bedeutet, dass Frankreich die Seiten wechseln müsste. Doch eigentlich hat US-Präsident Donald Trump seinen Wählern versproche­n, sich aus Kriegsaben­teuern irgendwo in der Welt herauszuha­lten. Ende dieses Jahres entscheide­n die Amerikaner, ob er eine zweite Amtszeit bekommt. Daher erscheint in Berlin höchstens eine Stabilisie­rung als machbar, damit die Kämpfe nicht wieder auflodern.

Das Beispiel des Landes ist für Europäer und Amerikaner eine bittere Lektion. Im Jahr 2011 halfen sie dabei, den Diktator Muammar al-Gaddafi zu stürzen. Dann überließen sie Libyen sich selbst. Es ist viel schwierige­r, den Frieden zu gewinnen als den Krieg. Das Vakuum, das der Westen verursacht­e, füllen nun andere. Die Folgen davon werden die Europäer zu spüren bekommen.

Eine bittere Lektion für Europäer und Amerikaner

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany