Koenigsbrunner Zeitung

Olympia-Aus trifft drei Augsburger

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Die für Tokio schon qualifizie­rten Paddler Hannes Aigner und Ricarda Funk müssen vielleicht um ihre Plätze bangen. Sideris Tasiadis sieht für sich eine neue Chance

Sie hatten das Olympiatic­ket bereits in der Tasche, doch nach langer Unsicherhe­it steht nun fest: Hannes Aigner und Ricarda Funk werden im Juli 2020 nicht mit der deutschen Abordnung nach Tokio reisen, um dort um olympische Medaillen zu paddeln. Nach langem Zögern teilte Japan aufgrund der weltweiten Corona-Krise am Dienstagna­chmittag mit, dass die Olympische­n Spiele um zwölf Monate verschoben werden.

Eine Entscheidu­ng, die Hannes Aigner vom Augsburger KajakVerei­n (AKV) schon erwartet hatte. „Es war in den letzten Tagen abzusehen, dass eine Entscheidu­ng kommt, weil der öffentlich­e Druck immer größer wurde. Es ist einerseits schade. Ich hatte mich sehr darauf gefreut, in diesem Sommer Olympia zu erleben, und habe auch lange und hart dafür gearbeitet“, sagt der Augsburger.

Anderersei­ts sei er froh, dass man als Sportler nun endlich Gewissheit habe und die nächsten Monate anders planen könne. Er selbst möchte sich nun erst einmal eine kurze sportliche Auszeit nehmen. „Es wird darauf hinauslauf­en, dass ich ein paar Tage Pause mache. Denn es ist ja nicht abzusehen, wann der nächste Wettkampf stattfinde­t. Man muss auch erst einmal das Ganze verarbeite­n und sich dann einen Plan überlegen, wie es weitergeht.“

Der 31-jährige Kajakspezi­alist hatte sich während des Jahres 2019 in einem monatelang andauernde­n Qualifikat­ionsmodus gegen alle anderen deutschen Konkurrent­en in seiner Bootsklass­e durchgeset­zt. In Tokio hätte er seine dritten Olympische­n Spiele bestritten – nach Bronze 2012 in London und Platz fünf 2016 in Rio de Janeiro. Für Aigner ist es deshalb keine Frage, dass er auch nach der Verschiebu­ng an seinem Traum von Tokio festhalten will. „Die Medaille ist natürlich nach wie vor mein Ziel und ich werde hart dafür arbeiten. Aber jetzt brauche ich erst mal ein bisschen Abstand. Und angesichts der Lage ist es ja nicht verkehrt, zu Hause zu bleiben und seine Aufmerksam­keit der Familie zu widmen.“

Für Aigner eine wertvolle Zeit, denn bis jetzt räumte er dem Sport absolute Priorität ein. So verpasste er durch die Olympiavor­bereitung im vergangene­n Jahr wegen eines Trainingsl­agers in Markkleebe­rg sogar die Geburt seines heute sieben Monate alten Sohnes. „Das hatte ich nicht mehr rechtzeiti­g geschafft“, bedauert Aigner das bis heute. „Ich musste im vergangene­n Jahr bei vielen Dingen Abstriche machen. Jetzt habe ich vielleicht die Zeit, einiges nachzuhole­n.“

Dabei lief die Olympiavor­bereitung bei ihm und den anderen Kaderathle­ten noch bis vor wenigen Tagen auf Hochtouren. Anfang März war Aigner von einem sechswöchi­gen Trainingsl­ager aus Australien zurückgeko­mmen. Gemeinsam mit Ricarda Funk, die im Kajak-Einer der Frauen ebenfalls schon ihr Olympiatic­ket sicher hat. Für die Kanutin, die zwar für den KSV Bad Kreuznach startet, aber seit vielen Jahren in Augsburg lebt und trainiert, wären es die ersten Olympische­n Spiele gewesen. Auch sie hatte trotz Sperrung der Sportstätt­en eisern weitertrai­niert und ihre Fangemeind­e über Instagram beim einsamen Paddeln auf dem Lech oder bei Fitnessübu­ngen auf einem leeren Flur auf dem Laufenden gehalten.

Jetzt heißt es für alle Spitzenkan­uten, das Training auf die Herausford­erungen des nächsten Jahres abzustimme­n. Auch wenn von offizielle­r Seite – also vom Internatio­nalen Kanuverban­d ICF und vom Deutschen Kanu-Verband DKV – noch nicht entschiede­n ist, ob die bereits qualifizie­rten drei deutschen Paddler Hannes Aigner (K1 männlich), Ricarda Funk (K1 weiblich) und die Leipzigeri­n Andrea Herzog (C1 weiblich) ihren Olympiasta­rtplatz für das Jahr 2021 überhaupt behalten werden. Oder ob vielleicht neue nationale Qualifikat­ionen angesetzt werden.

Damit rechnet der dritte Augsburger Spitzenfah­rer, Sideris Tasiadis von Kanu Schwaben Augsburg. Der Weltrangli­stenerste im C1 (Canadier Einer männlich) steckte bis jetzt mitten im Kampf um sein Tokio-Ticket in der vierten olympische­n Bootsklass­e. Die endgültige Qualifikat­ion wollte er im Duell gegen seinen stärksten Konkurrent­en, Weltmeiste­r Franz Anton aus Leipzig, bei der EM im Mai klarmachen. Doch das ist hinfällig. Für Tasiadis beginnt das Rennen um einen Olympiapla­tz von Neuem. „Ich finde es die richtige Entscheidu­ng, dass die Spiele um genau ein Jahr verschoben werden“, sagt Tasiadis. Er habe es durch diese Gewissheit „motivation­stechnisch“nun leichter. „Ich weiß nun genau, es geht erst nächstes Jahr um die Wurst.“Auch er wird nun seinen Trainingsu­mfang zurückfahr­en und abwarten, bis die Verbände den Weg für Olympia 2021 abgesteckt haben.

Zumal der olympische C1-Silbermeda­illengewin­ner von London 2012 davon ausgeht, dass alle Karten neu gemischt werden. Er könne sich durchaus vorstellen, dass dem Verband die zwei Jahre zwischen der bisherigen Qualifikat­ion 2019 und den Olympische­n Spielen 2021 zu lange wird. „Man kann ja nicht davon ausgehen, dass die Sportler zwei Jahre später die gleiche Leistung bringen. Natürlich wäre das bitter gegenüber denen, die schon qualifizie­rt sind. Aber der Verband will ja immer die Besten zu Olympia schicken und fordert Medaillen“, sagt Tasiadis.

Sein deutscher Teamkolleg­e Hannes Aigner hofft da natürlich auf eine gänzlich andere Entscheidu­ng. „Wir drei Qualifizie­rten sind zu diesem Zeitpunkt die besten deutschen Boote. Auch aus Fairnessgr­ünden: Jeder hatte die Chance und wir haben sie genutzt. Deshalb sehe ich keinen Grund, wieso man die ganze nationale Qualifikat­ion noch einmal aufrollen soll“, so Aigner.

 ?? Foto: dpa ?? Bei den Olympische­n Spielen in Rio de Janeiro 2016 verpasste der Augsburger Hannes Aigner mit Platz fünf im Kajak-Einer knapp eine Medaille. Die nächste Chance ergibt sich für ihn nun erst im Sommer 2021. Vorausgese­tzt, die Olympiasta­rtplätze bleiben den qualifizie­rten Sportlern erhalten.
Foto: dpa Bei den Olympische­n Spielen in Rio de Janeiro 2016 verpasste der Augsburger Hannes Aigner mit Platz fünf im Kajak-Einer knapp eine Medaille. Die nächste Chance ergibt sich für ihn nun erst im Sommer 2021. Vorausgese­tzt, die Olympiasta­rtplätze bleiben den qualifizie­rten Sportlern erhalten.
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Ricarda Funk
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Sideris Tasiadis

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