Eine Heimat, um der Sucht zu entkommen
Neben der Tagesstätte der Caritas in der Hofrat-Röhrer-Straße entsteht ein Heim für alkohol- und psychisch kranke Wohnungslose
Noch sieht man nicht viel auf dem Grundstück neben der Tagesstätte. Das Gelände liegt brach, doch das ändert sich ab jetzt. Bald entsteht ein Wohnheim für Alkohol- und psychisch Kranke, es soll Platz für 19 Menschen bieten. Jetzt war Spatenstich für ein ehrgeiziges Projekt.
Walter Semsch, Geschäftsführer des Caritasverbands für Stadt und Kreis Augsburg, steht vor dem Gebäude des Tageszentrums für Alkoholkranke, dem Abbé-Pierre-Haus, und erzählt vom Namenspaten der Einrichtung. Abbé Pierre, „Vater der Armen“, war ein französischer Priester und Wohltäter. Als Sohn wohlhabender Eltern geboren, entschied Pierre sich gegen ein bequemes Dasein als Erbe und widmete sein Leben dem Kampf gegen Armut und Obdachlosigkeit. Einer seiner Ansätze: Hilfe zur Selbsthilfe. Dieses Prinzip verfolgt auch die Tagesstätte der Caritas. Sie hilft alkoholkranken Menschen, ihren Tag zu strukturieren und ihren Weg zurück in die Gesellschaft zu finden, durch gemeinsame Arbeit und Freizeitgestaltung. Das Ziel: eines Tages wieder selbstständig leben zu können.
Der Kauf des Bauplatzes für das neue Wohnheim war schwierig. Semsch: „Vier Jahre lang, bestimmt 20 Mal, war ich immer wieder drüben und habe den Besitzer gebeten, uns das Grundstück zu verkaufen“.
Doch der lehnte ab – bis Semsch ihn einlud zur Eröffnung des Brotbackhäuschens im Garten der Tagesstätte. Beeindruckt von der Arbeit der Einrichtung, sagte er dem Verkauf zu. Damit war zwar der Baugrund in trockenen Tüchern, die Finanzierung für den Caritasverband aber nicht alleine zu stemmen. Ein Kredit des Bistums Augsburg und des Ordens der Barmherzigen Schwestern ermöglichte das Projekt.
Wie wichtig das Einspringen der Kirche bei der Verwirklichung solcher Vorhaben sei, betont Caritaspfarrer Heinrich Weiß. Es sei ihre Pflicht, Menschen in Not zu helfen, ohne Vorurteile und im Geist der Nächstenliebe. Das Konzept des
Wohnheims sei niedrigschwellig geplant, die Hemmschwelle, sich dort Hilfe zu suchen, möglichst gering, erklärt Stefan Leinsle, Leiter der Tagesstätte. Niedrigschwellig bedeutet in diesem Fall auch, dass Alkoholkranke nicht zwingend nüchtern sein müssten, um von dem Angebot Gebrauch zu machen. Eine sichere Unterkunft gebe den Menschen Stabilität und die Möglichkeit, sich mit sich und ihrer Krankheit zu befassen. Nur so könne eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft, und damit auch den normalen Wohnungsmarkt, funktionieren. Das Heim sei nicht als dauerhafter Wohnort gedacht, sondern als Übergangslösung.
Architekt Stefan Schrammel hat bei der Planung des Gebäudes darauf geachtet, dass die künftigen Bewohner sich sicher fühlen. Dafür ist Privatsphäre oft entscheidend. Jedes der 19 Apartments, vier davon barrierefrei, verfügt über ein eigenes Bad und eine Küchenzeile.
Eine, die weiß, wie wichtig es ist, sich sicher und angenommen zu fühlen, ist Susanne B. Nach langer Abhängigkeit und mehreren Entzügen fand sie das Abbé-PierreHaus. „Das hat mir das Leben gerettet“, sagt sie, nicht schwermütig, sondern mit Hoffnung im Blick. Heute engagiert sie sich für die Caritas in der Flüchtlingshilfe und bei der Bobinger Tafel – und ist endlich trocken.