Einig über Notstand auf Zeit
Landtag verabschiedet Infektionsschutzgesetz
München Um das Coronavirus effektiver bekämpfen zu können, darf die Staatsregierung vom morgigen Freitag an den „Gesundheitsnotstand“ausrufen. Das neue bayerische Infektionsschutzgesetz, das sie dazu ermächtigt, wurde am Mittwoch mit den Stimmen aller Fraktionen im Landtag verabschiedet. Im Ernstfall erlaubt es dem Staat unter anderem, medizinisches Material zu beschlagnahmen und qualifiziertes Personal zur Mitarbeit im Gesundheitswesen zu verpflichten.
In der Rekordzeit von nur sechs Tagen hat der Gesetzentwurf der Staatsregierung alle parlamentarischen Hürden genommen, nachdem SPD, FDP und Grüne eine Reihe von Änderungen durchgesetzt hatten. Demnach gilt das Gesetz, wie von FDP-Fraktionschef Martin Hagen vorgeschlagen, nur bis Ende des Jahres und wird danach automatisch ungültig. Außerdem muss der Gesundheitsnotstand vom Kabinett offiziell angeordnet werden und kann vom Landtag wieder aufgehoben werden. Darauf legte die SPD besonderen Wert. „Die Kontrolle der Volksvertretung, also des Landtags, ist in diesem Notstand gesichert“, betonte SPD-Fraktionschef Horst Arnold. An der Notwendigkeit des Gesetzes zweifelte nur ein fraktionsloser Abgeordneter. Alle anderen Abgeordneten – von der AfD bis zu den Grünen – stimmten dafür.
Das Gesetz gibt dem Staat weitreichende Befugnisse. Er darf, sobald der Gesundheitsnotstand erklärt wurde, medizinisches, pflegerisches und sanitäres Material beschlagnahmen – gegen eine Entschädigung in Höhe der Preise, die vor der Krise marktüblich waren. Außerdem kann er Firmen verbieten, Material an Dritte zu verkaufen, oder sie dazu verpflichten, dringend benötigtes Material zu produzieren.
Obendrein sichert sich der Staat mit dem Gesetz den Zugriff aufs Personal. So können Feuerwehren und freiwillige Hilfsorganisationen verpflichtet werden, bei der Bewältigung des Notstands zu helfen oder den Behörden die Kontaktdaten und den Ausbildungsstand ihrer Mitglieder zu übermitteln. Auch Landesärzteund Landeszahnärztekammer müssen auf Anordnung die Daten ihrer aktiven oder bereits im Ruhestand befindlichen Ärzte zur Verfügung stellen. Wenn es hart auf hart kommt, könnten somit alle gesunden und qualifizierten Personen vom Staat dienstverpflichtet werden. Wenn Maßnahmen eine „enteignende Wirkung“haben, müssen die Betroffenen entschädigt werden.