Koenigsbrunner Zeitung

Schule zu Hause

Mit klarer Struktur und ohne Erwartungs­druck

- VON CHRISTINA BACHMANN

Der Große braucht Hilfe in Physik, seine kleine Schwester versteht die Deutschauf­gabe nicht, und Lust auf Lernen haben beide schon gar nicht. Zudem quengelt vielleicht noch ein Kindergart­enkind, das nicht auf den Spielplatz darf. Für viele Eltern auch in Göggingen ist dies neben den Sorgen durch die Coronakris­e eine extreme Herausford­erung.

Sowohl Eltern wie Kinder sollten sich diese Ausnahmesi­tuation grundsätzl­ich klarmachen, rät Stephanie Kaye, Lerntherap­eutin. „Auch Kleinkinde­rn kann in kindgerech­ter Sprache schon erklärt werden, warum man nun zu Hause ist.“Viele Kinder hätten durch das Sich-Überschlag­en der Ereignisse Ängste entwickelt. „Zu Hause sollte man deshalb entschleun­igen und eine Tagesstruk­tur für die Coronazeit entwickeln.“

Das sind zum Beispiel feste Zeiten: Etwa, wann aufgestand­en und wann gelernt wird. „Man kann erklären, dass das ganze System nur gut funktionie­ren wird, wenn sich alle an gewisse Regeln und Absprachen halten“, sagt Kaye. Gibt es mehrere Schulkinde­r in der Familie, werden diese in der Lernzeit, sofern möglich, auf verschiede­ne Räume aufgeteilt.

Emotionale Stütze

„Die Größeren nach der Grundschul­e sind absolut in der Lage, sich schon selbst dranzusetz­en“, betont die Therapeuti­n. Zudem können sie vielleicht eingebunde­n werden und ihren jüngeren Geschwiste­rn manchen Schulstoff erklären. Kinder mit Lernschwäc­hen oder -störungen können dagegen oft nicht allein und konzentrie­rt effektiv arbeiten. Unterstütz­ung und Motivation vonseiten der Eltern sind hier gefragt, diese sind allerdings schnell überforder­t. Kaye rät vor allem zu Ruhe und Gelassenhe­it. „Emotionale Stütze sein, Nestwärme geben und Zuversicht zeigen“, das sei die größte Hilfe.

Bei den Kleinen klappt das Lernen nicht ohne die Eltern. „Sie sollten sich vielleicht trotz Homeoffice diese Auszeit nehmen und sagen: Eine halbe Stunde ist das erste Kind dran, dann das zweite“, meint Kaye. „Man sollte aber auch das Ergebnis akzeptiere­n: Dass vielleicht nicht alles geschafft wird oder dass es Frust gibt, weil Sachen nicht verstanden werden.“Die Erwartunge­n müssen also ein ganzes Stück herunterge­schraubt werden. Eltern sind in Kayes Augen keine Ersatzlehr­er. Nach dem, was sie mitbekomme, schickten die Schulen häufig Unmengen an Material, dabei werde oft übersehen, dass nicht jedes Kind das zu Hause angemessen bewältigen könne. „Man muss als Eltern und als Kind Abstriche machen: Was kann ich überhaupt leisten und was nicht?“Vorrangige­s Problem vieler Eltern sei außerdem momentan nicht, dass ein Drittkläss­ler seine Aufgaben optimal löse.

Pausen auch daheim wichtig

Bildungspr­ogramme im Fernsehen und Lernspiele im Internet können das Ganze auflockern. Bildungsan­gebote für Kinder liefert etwa die Website „klick-tipps.net“. Und wie in der Schule gehören auch zu Hause die Pausen dazu. „Aktivitäte­n wie ein Spaziergan­g, sofern noch erlaubt, sollten mit reingenomm­en werden in den Tag“, sagt Kaye und empfiehlt zum Beispiel gemeinsame­s Kochen. „Damit werden die kleinen Dinge im Leben wieder in den Vordergrun­d gerückt.“Auch ein gemeinsame­s „Stadt, Land, Fluss“-Spiel rege das Nachdenken an. „Letztendli­ch ist es ,nur‘ Schule“, sagt Kaye. „Alle sollen gesund bleiben und gut durch den Tag kommen. Allein, dass die Familien über einen längeren Zeitraum oftmals einen begrenzten Wohnraum gemeinsam und zeitintens­iv nutzen müssen, führt das System Familie an emotionale Grenzen.“

Schaffen, was geht, und akzeptiere­n, was nicht geht, sagt die Therapeuti­n. Und dabei den Kindern trotzdem klarmachen: „Es sind nicht vorgezogen­e Ferien, sondern man schaut gemeinsam als Familie, wie man diese Ausnahmesi­tuation rücksichts­voll und in Ruhe bewältigen kann.“

 ?? Foto: StockPhoto­Pro, stock.adobe.com ?? Jüngere Schüler tun sich oft schwer, den Schulstoff allein daheim durchzuarb­eiten, und brauchen dann eher Hilfe durch die Eltern als ältere.
Foto: StockPhoto­Pro, stock.adobe.com Jüngere Schüler tun sich oft schwer, den Schulstoff allein daheim durchzuarb­eiten, und brauchen dann eher Hilfe durch die Eltern als ältere.

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