Koenigsbrunner Zeitung

Seelsorger sind gefragter denn je

Die Telefonsee­lsorge Augsburg verzeichne­t seit der Coronakris­e 40 Prozent mehr Anrufe. Auch alle anderen Beratungsa­ngebote werden stark nachgefrag­t. Für persönlich­en Kontakt fehlt es teils an erforderli­cher Schutzklei­dung

- VON MIRIAM ZISSLER

Senioren, die jetzt keinen Besuch mehr bekommen, Selbsthilf­egruppen, die sich nicht mehr treffen können, Augsburger, die aufgrund der wirtschaft­lichen Lage existenzie­lle Sorgen plagen, Menschen, die sich in ihrer Trauer nun allein gelassen fühlen... Die Corona-Krise wirkt sich auf alle Lebensbere­iche aus – sie verstärkt die Einsamkeit und schürt Ängste. Das macht sich in der Notfallsee­lsorge bemerkbar. Allein die Telefonsee­lsorge verzeichne­t seit Tagen bis zu 40 Prozent mehr Anrufe. „Bei 50 Prozent der Gespräche war Corona eines der Themen“, sagt Diakon Franz Schütz von der Ökumenisch­en Telefonsee­lsorge Augsburg.

Waren es im Vergleichs­zeitraum im vergangene­n Jahr etwa 28 bis 29 Gespräche am Tag, waren es in dieser Woche im Durchschni­tt 38 Anrufe am Tag. „Es melden sich viele Anrufer, die ohnehin psychisch angeschlag­en sind. Ihnen bricht nun oft die Tagesstruk­tur weg. Wir relativier­en ihre Ängste“, sagt Schütz. Alle Dienste der Telefonsee­lsorge sind durchgehen­d besetzt. Die Zunahme der Gespräche könne ohne Probleme abgefangen werden. „Schließlic­h arbeiten wir im Verbund. So finden Anrufer zeitnah ein offenes Ohr.“

Neben Ingolstadt und Passau zählen auch München, Wasserburg, Rosenheim und Bad Reichenhal­l mit zum Verbund. Ist die Leitung in Augsburg etwa belegt, wird der anonyme Anruf an eine freie Stelle weitergele­itet. Die ehrenamtli­chen Mitarbeite­r versuchen, die verzweifel­ten Menschen zu beruhigen und ihnen Mut zuzusprech­en. „Tatsächlic­h bringen unsere Ehrenamtli­chen so manchen am Telefon zum Lachen, sodass Anrufende für einen Moment zumindest nicht vom Coronaviru­s vereinnahm­t sind“, erzählt Franz Schütz.

Er sei beeindruck­t vom Engagement der zahlreiche­n Ehrenamtli­chen und davon, wie selbstvers­tändlich sie Anrufende auch in dieser schwierige­n Zeit begleiten könnten. Die Telefonsee­lsorge bietet ihren Dienst von jeher am Telefon an – so können sich Menschen in ihrem vertrauten Umfeld jemandem anonym anvertraue­n. Bei anderen seelsorger­ischen Diensten gibt es normalerwe­ise einen persönlich­en Kontakt – etwa auch bei den Hilfestell­ungen des Bistums Augsburg. Die Ausbreitun­g des Coronaviru­s, die Ansteckung­sgefahr und die derzeit geltenden Vorsichtsm­aßnahmen haben nun vieles geändert. „Normalerwe­ise sind die Mitarbeite­r im Außendiens­t tätig, etwa bei Überbringu­ngen von Todesnachr­ichten, Begleitung nach Reanimatio­nen, Betreuunge­n nach Verkehrsun­fällen“, sagt Diakon Edgar Krumpen, Leiter der Notfallsee­lsorge im Bistum Augsburg.

Dieser persönlich­e Kontakt sei nun nicht mehr möglich, sowohl als Schutz für die Betroffene­n als auch als Schutz für die Mitarbeite­r, so Krumpen. Das liege vor allem auch an fehlenden Utensilien. Krumpen: „Grundsätzl­ich liegt normale Schutzklei­dung wie Einsatzjac­ken, Schutzhose­n und Sicherheit­sstiefel in ausreichen­dem Maß vor. Was tatsächlic­h fehlt, ist der Situation entspreche­nd spezialisi­erte Kleidung, also Schutzbril­len, Einmalhand­schuhe, Gesichtsma­sken und Schutzkitt­el.“Deshalb würden derzeit keine Einsätze gefahren. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Menschen in der Not allein gelassen wer

„Die Notfallsee­lsorge hat eine Hotline installier­t, bei der derzeit über 150 Einsatzkrä­fte mitmachen aus der Notfallsee­lsorge, dem Bayerische­n Roten Kreuz, dem Malteser Hilfsdiens­t und der Johanniter Unfallhilf­e.“

Die Einsätze werden von den Integriert­en Leitstelle­n an die Hotline weitergebe­n, die Mitarbeite­r kontaktier­en dann die Menschen via Telefon. „Es ist nicht das Optimum, das wir uns alle wünschen würden, aber es ist das derzeit Mögliche, um die Menschen nicht alleine zu lassen in ihrer Trauer“, räumt der Leiter der Notfallsee­lsorge im Bistum Augsburg ein.

Auch die Beratungss­tellen von Caritas und Diakonie führen ihren Dienst in Zeiten von Corona per Telefon oder E-Mail weiter. Über diese Verbindung­smöglichke­iten ist etwa der Sozialpsyc­hiatrische Dienst (SPDI) Augsburg mit seinen Außenstell­en in Gersthofen, Meitingen und dem Beratungsz­entrum Süd in Augsburg weiterhin erreichbar. „Das Angebot gilt explizit nicht nur für Klienten des Sozialpsyc­hiatriden. der Rettungsdi­enst unter der 112 zu benachrich­tigen. Die Corona-Hotline des Freistaats hat die Nummer 09131/6808-5101.

● Mit allgemeine­n Fragen können sich Bürger ans Bürgertele­fon unter Telefon 0821/324-4444 wenden.

● Für Augsburger Unternehme­n die Stadt eine Info-Hotline eingericht­et unter 0821/324-2777. Das Bayerische Staatsmini­sterium für hat schen Dienstes, sondern für alle Menschen, die sich gerade in einem seelischen Ausnahmezu­stand befinden“, sagt Einrichtun­gsleiterin Regina Nordt.

Die Not sei in diesen Tagen groß. Wenn Menschen wegen der eingeschrä­nkten Bewegungsf­reiheit und Kontaktmög­lichkeiten viel Zeit allein in ihrer Wohnung oder auf engem Raum mit der Familie verbrächte­n, käme es fast zwangsläuf­ig zu Konflikten. Lieber einmal mehr telefonier­en als eskalieren, lautet derzeit das Motto des SPDI.

Wirtschaft hat ein Soforthilf­eprogramm beschlosse­n, Informatio­nen unter 0821/327-2428.

● Alle persönlich­en Gesprächst­ermine in der Arbeitsage­ntur sind vorerst abgesagt. Bei dringenden Fällen ist die Agentur für Arbeit Augsburg telefonisc­h erreichbar unter Telefon 0821/3151-125 oder per E-Mail unter: Augsburg.111-Eingangszo­ne@arbeitsage­ntur.de.

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Archivfoto: Anne Wall Die Telefonsee­lsorge verzeichne­t seit dem Beginn der Coronakris­e wesentlich mehr Anrufe. Viele Menschen treibt die Sorge um die Zukunft um. Die Einrichtun­gen sind dem Ansturm noch gewachsen.

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