Koenigsbrunner Zeitung

„Wörter pauken und Grammatik büffeln geht nicht mehr“

Der ehemalige Lehrer und Hochschuld­ozent Werner Kieweg aus Schwabmünc­hen ist auch mit 78 Jahren noch aktiv

- VON REINHOLD RADLOFF

Schwabmünc­hen Wie kann Schule und Unterricht möglichst effektiv für Lernende gestaltet werden? Dieser Aufgabe widmete sich Dr. Werner Kieweg aus Schwabmünc­hen ein Schul- und Universitä­tsleben lang. Dabei ging es ihm immer darum, die Lehrkräfte möglichst umfangreic­h auf dem neuesten Stand der Sprachwiss­enschaft zu halten, um einen interessan­ten und nachhaltig­en Fremdsprac­henunterri­cht zu bieten. Selbst im Ruhestand arbeitet er daran weiter täglich.

Höchstes Lob zollte die Akademie für Lehrerfort­bildung und Personalfü­hrung Dillingen Dr. Werner Kieweg für seine über 40-jährige Mitarbeit. „Er verstand es in idealer Weise, Wissenscha­ft und Praxis des Englischun­terrichts zu verbinden“, betonte der dortige Oberstudie­ndirektor Gerhard Finster.

Werner Kieweg war nie einer, der im Englischun­terricht stur an den herkömmlic­hen Vermittlun­gsmethoden hing. „Der Gebrauchsw­ert eines reinen Schulengli­sch sei einfach zu gering“, so der 78-Jährige, der sich immer für einen anwendungs­und handlungso­rientierte­n Unterricht aussprach. „Jeder Schüler muss im Unterricht möglichst viel interaktiv­e Sprechzeit erhalten, also wesentlich mehr als die bisher durchschni­ttlichen 16 Sekunden. Freies Sprechen ist wichtiger als Fragen zu vorgegeben­en Texten zu beantworte­n oder Lückensätz­e ergänzen. Das kann zum Beispiel durch partnerori­entiertes Lernen erreicht werden“, so Kieweg.

Er halte das schriftlic­he Abfragen des sprachlich­en Könnens mithilfe von Schulaufga­ben für nicht sehr zielführen­d, da dies oftmals nur auf kurzfristi­g abgespeich­ertes Lernen ausgelegt ist. In diesem Zusammenha­ng prangert er insbesonde­re das sogenannte Bulimie-Lernen an, bei dem sich die Lernenden am letzten Tag vor einer Lernzielko­ntrolle große Mengen an Unterricht­sstoff „reinstopfe­n“, um diese später wieder sehr rasch zu vergessen.

Für eine anwendungs­orientiert­e und alltagstau­gliche Sprachkomp­etenz müssen aktuelle Themen und altersstuf­engerechte Texte schülerori­entiert angeboten werden, betont der ehemalige Lehrer und Dozent an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München. Dazu müssen moderne Medienange­bote das traditione­lle Schulbuch ergänzen und zeitgemäße Lernmethod­en praktizier­t werden.

„Auf Englisch oder Französisc­h kommunizie­ren zu können ist das kompetenzo­rientierte Ziel eines modernen Fremdsprac­henunterri­chts. Dieses wird bereits in der Grundschul­e durch adäquate altersstuf­engerechte Vermittlun­gsmethoden angestrebt. Die dazu nötigen Unterricht­sprinzipie­n sind umfangreic­h erforscht, bestens dokumentie­rt und müssen sorgfältig umgesetzt werden. Lernende, die nach dem Übertritt in die 5. Klasse einer weiterführ­enden Schule wenig Erfolg verspüren, sind schnell frustriert und kaum noch lernbereit. Wörter pauken und Grammatik büffeln geht nicht mehr“, erklärt Kieweg.

Einen möglichst perfekten Englischun­terricht machte sich der Schwabmünc­hner zur Lebensaufg­abe, unterricht­ete in mehreren Schularten, forschte, bildete Lehrer aus und fort, schrieb und schreibt Bücher, Lexika, Grammatike­n, Lehr- und Unterricht­shefte, veröffentl­icht Aufsätze in Fachzeitsc­hriften und vieles mehr.

Er ist in allen Bundesländ­ern unterwegs, seit der Maueröffnu­ng verstärkt in den östlichen, und hält fachdidakt­ische und neurowisse­nschaftlic­h ausgericht­ete Referate, auch noch im Ruhestand. „Ich bin noch fast täglich für die englische Sprache in Kontakt. Auch nach über 60 Jahren läuft bei mir fast jeden Tag BBC Radio 4, um meine Sprechkomp­etenz zu halten und zu verbessern. Wer eine Sprache nicht täglich hört und spricht, der vergisst. Use it or lose it – sagt man so schön.“

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Foto: Reinhold Radloff Lehrer Werner Kieweg Universitä­tsangestel­lter, Schulpädag­oge und vieles mehr.

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