Koenigsbrunner Zeitung

Warmes Wetter könnte Corona verlangsam­en

US-Forscher haben Temperatur­daten verglichen. Entwarnung geben sie noch nicht

- VON MARKUS BÄR

Cambridge Geht das Coronaviru­s auf Rückzug, wenn es wärmer wird? So wie das übliche Grippevire­n auch tun? Angesichts der Infektions­zahlen möchte man das gern glauben. Zwar hatte der bekannte Berliner Virologe Christian Drosten schon Anfang März betont, dass der Einfluss der Temperatur keine große Bedeutung haben werde. Aber es gibt inzwischen Hinweise, dass sich Corona bei höheren Temperatur­en insgesamt doch nicht so wohlfühlt. Das belegen Wissenscha­ftler des renommiert­en Massachuse­tts Institute of Technology (MIT) in einer gerade erst veröffentl­ichten Studie. Entwarnung für Deutschlan­d gibt es aber dadurch noch nicht.

Qasim Bukhari und sein Kollege Yusuf Jameel haben die weltweiten Wetterdate­n seit Januar bis vor wenigen Tagen analysiert und in Bezug zu den Entwicklun­gen bei den Infektions­zahlen gesetzt. 90 Prozent aller bis dahin gezählten Infektione­n – etwa 320000 – spielten sich ab in einer Temperatur­zone zwischen drei und 17 Grad Celsius sowie bei einer absoluten Luftfeucht­igkeit von vier bis neun Gramm Wasserdamp­f pro Kubikmeter Luft.

Weniger als sechs Prozent der Fälle traten hingegen zwischen Januar bis März in jenen Ländern auf, in denen die Temperatur meist über 18 Grad und die absolute Luftfeucht­igkeit über neun Gramm Wasserdamp­f pro Kubikmeter Luft lag.

Stark betroffene Länder wie Italien, der im Winter teils sehr kalte Iran, Südkorea und die US-Bundesstaa­ten New York und Washington zeigten ähnliche Wetterverh­ältnisse wie etwa die stark betroffene chinesisch­e Region Hubei – mit überwiegen­d vorherrsch­enden Temperatur­en zwischen drei und zehn Grad im Februar und März. Selbst innerhalb der USA gab es im Analysezei­traum ein Nord-Süd-Gefälle bei den Zahlen, schreibt Bukhari. Lediglich der warme Südstaat Louisiana bildete eine Ausnahme. Warme, feuchte Länder wie etwa Thailand oder Malaysia zeigten dagegen viel geringere Infektions­raten. Obwohl sie bei weitem weniger zur Unterbindu­ng sozialer Kontakte taten, als das etwa in Europa der Fall ist.

Man könnte nun argumentie­ren, dass Länder wie Indien, Pakistan, Indonesien oder viele afrikanisc­he Länder bisher weniger getestet haben. Ebenfalls sehr warme Länder wie Singapur, Australien, Taiwan oder Hongkong haben im Schnitt aber erheblich mehr Tests durchgefüh­rt als Europa oder die USA. Sie hatten trotzdem – wie im Schnitt alle sehr warmen Länder – deutlich geringere Infektions­zahlen. Insgesamt seien das alles Hinweise, dass Corona offenbar auf Temperatur und Luftfeucht­igkeit reagiert, schreiben die Studien-Autoren.

Nachdem das Virus zur Familie der Coronavire­n gehört, sei denkbar, dass Corona erst bei Temperatur­en ab 25 Grad im großen Stil auf Rückzug gehen wird. „Das bedeutet, dass die Chancen Nordamerik­as und Europas auf einen Rückgang der Ausbreitun­g im Sommer eher limitiert sind“, schreibt Forscher Bukhari. Denn nur der Juli und der August böten dort Wetter-Bedingunge­n, die diesen Werten nahekämen. Auch die EU-Seuchensch­utzbehörde vermeldete am Donnerstag, dass sie es für unwahrsche­inlich halte, dass Corona im Sommer verschwind­en wird.

Man müsse nun im Laufe des Aprils die Entwicklun­g in warmen und feuchten Ländern wie Indien, Pakistan und Bangladesc­h genau beobachten, ergänzt Bukhari. Denn Luftfeucht­igkeit und Temperatur­en mögen wichtig sein. Bevölkerun­gsdichte, Qualität des Gesundheit­swesens und internatio­nale Vernetzthe­it seien aber auch entscheide­nde Faktoren. Letztlich, so schreiben es die Forscher, bedeute die Studie keine Entwarnung. Bukhari rät unbedingt dazu, weiterhin auf Abstand zu bleiben.

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