Koenigsbrunner Zeitung

Endstation Sehnsucht

Ausgerechn­et heute feiert der Schengenra­um Geburtstag

- VON MARGIT HUFNAGEL

Das Schicksal ist manchmal eben doch ein mieser Verräter. Keine Blumen. Keine Champagner­duschen. Keine großen Reden. Stattdesse­n Fassungslo­sigkeit und Ratlosigke­it. Da verwöhnt uns dieser Schengenra­um jahrein, jahraus mit grenzenlos­er Freiheit und wird doch als selbstvers­tändlich hingenomme­n.

Und just am 25. Geburtstag dieses europäisch­en Verspreche­ns, also jenem Tag, an dem sich Schengen endlich einmal feiern lassen könnte, passiert: nichts. Die Grenzen sind dicht, an den Schlagbäum­en kommt es zu Staus. Die Bundesregi­erung hat für die komplette Welt eine Reisewarnu­ng

herausgege­ben. Der Globus wird zum Krisengebi­et. Selten zuvor war unser Radius geringer, selten zuvor war klarer, wie weit ein freizügige­s Europa zur Normalität geworden war. „Für Reisende ohne triftigen Reisegrund gilt, dass sie nicht mehr einreisen können“, sagt Bundesinne­nminister Horst Seehofer. Schengen ade! Aber bis wann? Oder für immer? Hieß es nicht noch vor kurzem: „Wenn Schengen stirbt, stirbt Europa“?

Müssen wir also statt der Geburtstag­sfeier eine Trauerfeie­r abhalten? In Zeiten, in denen das „social distancing“, die soziale Distanz, zur charakterl­ichen Königsdisz­iplin erhoben wird, entfremden wir uns von unseren europäisch­en Nachbarn – und sehnen uns zugleich nach Ostern in Italien, Strandspaz­iergängen in Griechenla­nd, Sightseein­g in Barcelona, wandern in Österreich. Und vielleicht ist das die gute Nachricht inmitten dieses trüben Ozeans: Unsere Reiselust wird so schnell nicht sterben. Und vielleicht ist es manchmal gar nicht so schlecht, wenn uns im Moment des Mangels bewusst wird, wie viele Errungensc­haften unser Leben hat.

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