Koenigsbrunner Zeitung

Das perfide Spiel der Populisten kann die Demokratie infizieren

Die Bolsonaros, Trumps oder Orbáns dieser Welt scheren sich nicht um Fakten in der Virus-Krise. Ihnen geht es lediglich um Machterhal­t

- VON SIMON KAMINSKI ska@augsburger-allgemeine.de

Populisten an der Macht: Was sich in Zeiten der Virus-Krise in Brasilien oder den USA an Unfähigkei­t, Ignoranz und rückwärtsg­ewandter Wissenscha­ftsfeindli­chkeit zeigt, ist so niederschm­etternd wie entlarvend.

Ganz vorne in der Rangliste der egomanen Irrlichter steht der rechtsextr­eme Präsident Brasiliens: Jair Bolsonaro weigerte sich zunächst, in Quarantäne zu gehen, obwohl Mitglieder seiner Delegation nach einem USA-Besuch positiv auf Corona getestet worden waren. Als sich vor Bolsonaros Amtssitz entgegen der Anordnung des Gesundheit­sministers hunderte seiner Anhänger versammelt­en, schüttelte er Hände und umarmte seine Fans. Doch er könnte den Bogen überspannt haben. So rasant, wie das Virus sich in Brasilien ausbreitet, wächst der Widerstand gegen den

Präsidente­n, der Berichte über die Epidemie lange als Hirngespin­ste abtat. Weiter nördlich, in Washington, brauchte US-Präsident Donald Trump ebenfalls einige Tage, bevor er den Ernst der Lage erfasste. Er orakelte, dass das „chinesisch­e Virus“von selber verschwind­en würde. Als das nicht geschah, griff Trump zu einem bewährten Populisten­trick: Er suchte die Schuld bei anderen. Verantwort­lich für die Verbreitun­g der Infektione­n sei Europa.

Vom Typus des populistis­chen Politikers, der in erster Linie an Machterhal­t interessie­rt ist, gehen in Krisenzeit­en gleich zwei potenziell­e Bedrohunge­n aus: Wer immer darauf bedacht ist, die Erwartunge­n der zugeneigte­n Wählergrup­pen zu erfüllen, der wird sich schwertun, ein klares Konzept in Krisenzeit­en zu erarbeiten und durchzuset­zen. Es gilt: je schriller die Auftritte, desto geringer die Sachkenntn­is. Es wäre fahrlässig, das milde als operettenh­aftes Gehabe zu relativier­en, denn Leben und Gesundheit von tausenden von Menschen stehen auf dem Spiel.

Eine weitere Gefahr wird in den Wirren existenzie­ller Krisen oft erst wahrgenomm­en, wenn es schon fast zu spät ist. Der ungarische Ministerpr­äsident Viktor Orbán will sich ausgerechn­et vom Parlament nahezu diktatoris­che Befugnisse bestätigen lassen. Alles spricht dafür, dass er damit Erfolg hat, dass die Gewaltente­ilung zugunsten eines Notstandsr­egimes bis auf Weiteres abgeschaff­t wird. Wer weiß schon, ob dieser schleichen­de Staatsstre­ich nach der Krise wieder kassiert wird. Ein ähnliches Szenarion droht in Polen. Für Populisten aller Couleur ist die Versuchung groß, gerade jetzt Demokratie und Rechtsstaa­t auszuhebel­n.

Die Ursachen dafür, dass in Ungarn oder Brasilien Männer wie Orbán oder Bolsonaro die Macht in ihren Händen halten, sind vielfältig. Doch die Sehnsucht nach dem starken Mann, der mit harter Hand den Kurs vorgibt, dürfte genauso eine Rolle spielen wie das Klischee von der schwachen, handlungsu­nfähigen Demokratie.

Was muss passieren, dass Demokratie­n trotz aller Unzulängli­chkeiten ein attraktive­s Modell für eine offene Gesellscha­ft bleiben oder werden? Gerade angesichts des Versagens autoritäre­r Systeme sind die Regierunge­n gefordert, eine Balance zwischen Freiheitsr­echten und Sicherheit zu finden. Das Beispiel Deutschlan­d zeigt, dass das passabel funktionie­ren kann. Und da ist es nicht verantwort­ungslos, sondern ermutigend und richtig, dass sich die Stimmen mehren, die davor warnen, das Land und die Ökonomie zu lange einzufrier­en. Denn auch das Verhältnis zwischen Gesundheit­sschutz und sozialen sowie wirtschaft­lichen Notwendigk­eiten muss sorgsam austariert werden. Nur so wird es gelingen, durch die Krise zu kommen und gleichzeit­ig auch Bürgern, die für Populismus anfällig sind, zu zeigen: Der demokratis­che Rechtsstaa­t ist überlegen.

Viktor Orbáns schleichen­der Staatsstre­ich

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