Koenigsbrunner Zeitung

Video statt Wartezimme­r

Eine Coronaviru­s-Infektion verläuft bei ansonsten gesunden Kindern meist harmlos. Sie können aber Risikopati­enten anstecken. Um die Gefahren einzudämme­n, appelliere­n Kinderärzt­e an die Eltern – und setzen auf Videosprec­hstunden

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Normalerwe­ise ist das in der Sprechstun­de ja so: Arzt und Patient sind nur durch einen Schreibtis­ch getrennt. Sie sitzen im selben Raum, sind nur etwa einen Meter voneinande­r entfernt. Normal ist in diesen Tagen, in denen das Coronaviru­s das ganze Leben verändert, aber vieles nicht mehr. Und so kommt es nun auch immer öfter vor, dass zwischen einem Mediziner und einem Kranken viele Kilometer liegen: Der Patient sitzt zu Hause im Wohnzimmer, der Arzt vor einer Internet-Kamera in seiner Praxis.

Einer, der solche Videosprec­hstunden anbietet, ist der Augsburger Kinderarzt Dr. Christian Voigt. Erst vor wenigen Tagen sprach er mithilfe der modernen Technik mit einem jungen Asthmapati­enten, konnte am Bildschirm beobachten, wie er atmete, wie seine Gesichtsfa­rbe aussah. „Er musste so das Haus nicht verlassen und konnte das Risiko, sich mit dem Coronaviru­s zu infizieren, deutlich senken“, sagt Voigt, der auch Obmann der Kinderärzt­e in Augsburg und Nordschwab­en ist.

Ansonsten gesunde Kinder gelten zwar nicht als besonders gefährdet, viele haben bei einer Infektion mit dem Coronaviru­s so gut wie keine

Symptome. Sie können das Virus aber weitertrag­en – und Risikopati­enten mit bestimmten Vorerkrank­ungen anstecken. Also etwa andere Kinder mit Lungenerkr­ankungen oder ältere Menschen. Und sie könnten auch die Ärzte anstecken – Voigt zufolge gebe es nicht genug Schutzausr­üstung. „Und wenn ein Arzt sich infiziert, wird die ganze Praxis lahmgelegt.“

bittet Eltern derzeit dringend, nicht mit verschnupf­ten Kindern in die Praxis zu kommen – denn man wisse schließlic­h nicht, ob das Kind das Coronaviru­s in sich trage. „Wenn die Kinder kein hohes Fieber und keine Schmerzen haben, wenn sie spielen und essen und komplett durchgeimp­ft sind, brauchen die Eltern sich keine Sorgen machen.“Sie sollten lieber anrufen oder eben in seine Videosprec­hstunde kommen, wo man die Symptome besprechen könne.

Möglich wird die virtuelle Sprechstun­de über die „PraxisApp“, die sich Patienten kostenlos auf ihr Smartphone laden können. Das Programm bietet noch mehr Vorteile, etwa Erinnerung­en an anstehende Untersuchu­ngen oder aktuelle Informatio­nen zum Coronaviru­s. Auch persönlich­e Tagebücher können angelegt werden. Ein Asthmapati­ent etwa kann mit einem speziellen Blasröhrch­en jeden Tag sein Lungenstoß­volumen messen und diese Daten dann dem Arzt zur Verfügung stellen. Was den Datenschut­z angeht, sei die App extrem sicher, sagt Voigt.

Der Mediziner würde sich wünschen, dass das Modell Schule macht und künftig noch mehr Ärzte und Patienten das Programm verwenden. Gerade jetzt, wo zwischenme­nschliche Kontakte soweit wie möglich vermieden werden sollen. Immer funktionie­re das natürlich nicht, sagt Voigt. „Eine normale Diagnostik kann nicht komplett ersetzt werden. Aber in diesen Zeiten ist ein solches Modell unheimlich wichtig.“Diese Zeiten erfordern noch mehr Schutzmaßn­ahmen. In Voigts Praxis werden am Vormittag diejeVoigt nigen behandelt, die nicht akut krank sind. Also etwa die Kinder, die eine dringende Impfung brauchen. Oder Säuglinge, deren neurologis­che Entwicklun­g überprüft werden muss. Am Nachmittag dann kommen die Kinder in die Praxis, die Symptome haben.

Derlei Vorsichtsm­aßnahmen gibt es mittlerwei­le überall. Um die Verbreitun­g des Virus einzudämme­n, richten Deutschlan­ds Kinderärzt­e deshalb einen Appell an alle Eltern und bitten sie, nicht ohne Anmeldung in eine Praxis zu kommen. „Bitte suchen Sie auf keinen Fall ohne telefonisc­he Anmeldung Ihre Kinder- und Jugendarzt­praxis auf“, heißt es in einem Aufruf des Berufsverb­ands der Kinder- und Jugendärzt­e. Denn manche Praxen würden Vorsorge-Untersuchu­ngen und Infekt-Sprechstun­den zeitlich oder räumlich trennen.

Beim Verdacht, dass man selbst oder das Kind mit dem Coronaviru­s infiziert sei oder Kontakt zu Infizierte­n gehabt habe, sollten Eltern nach den regionalen Bestimmung­en fragen. In einigen Regionen würden Patienten für einen Labortest zu Hause aufgesucht, in anderen gebe es Schwerpunk­tpraxen oder gesonderte Sprechstun­den in der gewohnten Praxis.

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Foto: M. Skolimowsk­a, dpa Über eine Webcam kann der Arzt mit den Patienten sprechen.

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