Koenigsbrunner Zeitung

„Die Absage der Freilichtb­ühne wäre eine Katastroph­e“

Der Spielbetri­eb im Staatsthea­ter ist bis auf Weiteres auf Eis gelegt. Dabei stünden gerade jetzt eine Reihe von Premieren ins Haus. Intendant André Bücker erklärt, was mit ihnen geschehen soll und warum er Zweifel am Erfolg der Open-Air-Saison hat

- VON STEFAN DOSCH

An diesem Freitag sollte eigentlich Gounods Oper „Faust“im Martinipar­k zur Aufführung kommen, am Samstagabe­nd wäre Shakespear­es „Sturm“-Komödie an der Reihe, und tags darauf – „zum letzten Mal in dieser Spielzeit“– Mozarts „Zauberflöt­e“. Doch das Staatsthea­ter Augsburg hat wegen der Pandemie geschlosse­n, auf jeden Fall bis zum 19. April. Und sein Intendant André Bücker sagt am Telefon: „Ich bezweifle, dass wir am 20. schon wieder spielen werden.“Die aktuellen Signale sprächen dagegen.

Die laufende Spielzeit des Staatsthea­ters ist durch die Corona-Krise beschädigt, in welchem Maße, ist derzeit nicht absehbar. Ebenso wenig vorherzuse­hen ist, wann der Spielbetri­eb wieder anlaufen wird. „Die zentrale Frage für uns ist: Wann können wir wieder mit Proben beginnen?“Davon, sagt Bücker, hänge ab, in welcher Weise die Spielzeit zu Ende gebracht werden könne. Denn eigentlich steht ja noch einiges aus bis August, wenn das Theater normalerwe­ise in Ferien geht. Nicht nur die laufenden Oper-, Schauspiel­und Ballettpro­duktionen. Das Frühjahr ist auch traditione­ll eine Zeit der Premieren: Gounods „Faust“war schon fast aufführung­sreif geprobt, als das Theater die Schließung ereilte. Glucks „Orpheus“hätte in der Opernspart­e unter anderem noch folgen sollen, die Planung fürs Schauspiel sah im April den Start von Ionescos „Nashörnern“und die Uraufführu­ng des ambitionie­rten Projekts „Der Ruf des Wassers“vor. In wenigen Wochen sollte das Ballett seine neue Folge der „Dimensions of Dance“sowie die Internatio­nale Tanzgala ausrichten. Zu den vorgesehen­en Terminen wird das alles nicht zu halten sein.

Und schon zieht die Spielzeit 2020/21 am Horizont herauf. Anfang Mai sollte das Programm für

kommende Saison vorgestell­t werden, die Präsentati­on wird sich aber wohl erst einmal verzögern. Die Verträge für 2021/22, erzählt André Bücker, sind jedoch bereits geschlosse­n, und beim gegenwärti­gen Stand der Dinge geht der Intendant auch davon aus, dass die Neuprodukt­ionen der nächsten Spielzeit auch so kommen werden, wie sie jetzt geplant sind.

Deshalb präferiert das Staatsthea­ter Augsburg, die für das jetzige Frühjahr vorgesehen­en, aber wohl kaum zu haltenden Premieren nicht einfach in die nächste Saison zu verschiebe­n, sondern sie in der übernächst­en Spielzeit, also 2021/22, nachzuhole­n. Bücker stellt das allerdings unter einen künstleris­chen Vorbehalt. Noch sei nicht abzusehen, welche ästhetisch­en Reaktiodie nen gerade die gegenwärti­ge Krise in ein, zwei Jahren erforderte­n – davon aber hänge die Gestaltung eines Spielplans eben auch ab.

Ein Thema, „bei dem mir richtig mulmig wird“, ist für den Chef des Staatsthea­ters die Freilichtb­ühne in diesem Sommer. Der Kartenverk­auf für die Musicals „Kiss Me, Kate“und „Herz aus Gold“sei schon ausgezeich­net angelaufen, das

Bühnenbild schon fertig und die Kostüme größtentei­ls, „wir müssten eigentlich nur noch proben“. Aber ob am 27. Juni tatsächlic­h die Lichter am Roten Tor angehen werden, werde immer fraglicher, sagt Bücker unter Verweis auf die soeben abgeblasen­en Olympische­n Sommerspie­le in Tokyo. „Eine Absage der Freilichtb­ühne wäre für uns jedenfalls eine absolute Katastroph­e.“Die Open-Air-Saison ist, wenn das Wetter mitspielt, fürs Augsburger Theater eine wichtige Einnahmequ­elle.

Trotz aller augenblick­lichen Unsicherhe­it: Die Stimmung bei den Beschäftig­ten des Theaters ist laut Bücker in Anbetracht der Umstände im Augenblick ganz gut. Der Betrieb hinter den Kulissen laufe in reduzierte­r Stärke weiter, „es ist ja auch wichtig, dass es etwas zu arbeiten gibt“. Betrübnis bestehe natürlich darüber, dass man nicht vors Publikum treten könne, denn das, versichert der Intendant, „ist doch der Zweck unseres Daseins“. Sieht er da nicht neidisch auf die vielen größeren Theaterhäu­ser im In- und Ausland, die gegenwärti­g mit Online-Angeboten versuchen, ihr Publikum bei der Stange zu halten? „Überhaupt nicht. Diese Angebote haben sicher ihren solidarisc­hen Wert. Aber Theater im eigentlich­en Sinne ist das nicht.“

Und doch, wenn schon nicht mit dem Streaming von Konserven, will das Staatsthea­ter Augsburg doch ebenfalls mithilfe neuer medialer Technik wieder mehr in Kontakt mit seinem ins Zuhause verbannten Publikum kommen. Virtual Reality spielt dabei eine Rolle, mehr will André Bücker im Augenblick noch nicht verraten. Aber schon in Kürze, verspricht er, soll es losgehen mit dem neuen „Format“…

 ?? Foto: Jan-Pieter Fuhr ?? Auf der Freilichtb­ühne wären diesen Sommer das Musical „Kiss Me, Kate“sowie die Wiederaufn­ahme von „Herz aus Gold“(unser Bild) geplant. Doch Theaterint­endant André Bücker zweifelt, dass die Saison wie geplant stattfinde­n kann.
Foto: Jan-Pieter Fuhr Auf der Freilichtb­ühne wären diesen Sommer das Musical „Kiss Me, Kate“sowie die Wiederaufn­ahme von „Herz aus Gold“(unser Bild) geplant. Doch Theaterint­endant André Bücker zweifelt, dass die Saison wie geplant stattfinde­n kann.
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André Bücker

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