Koenigsbrunner Zeitung

Wie bleibt die Stadt trotz Corona regierbar?

Alle Sitzungen sind vorerst abgesagt, der Oberbürger­meister kann im Zweifel allein durchregie­ren. Die Grünen sagen, das dürfe im Sinne der Demokratie nicht lange so bleiben. Die Frage ist auch, wie der neu gewählte Stadtrat im Mai starten kann

- VON JÖRG HEINZLE

Die Entscheidu­ng steht unmittelba­r bevor. Am Sonntag bestimmen die Wähler, wer künftig an der Spitze der Stadt Augsburg steht – die CSUOB-Kandidatin Eva Weber oder der Sozialdemo­krat Dirk Wurm. Wie es nach der Stichwahl politisch weitergeht, ist allerdings noch ziemlich unklar. Denn die Coronakris­e wirkt sich massiv auf die Arbeit des Stadtrats aus – und damit auch auf den anstehende­n Machtwechs­el im Rathaus. Bis auf Weiteres hat Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU), dessen Amtszeit Ende April endet, alle Sitzungen abgesagt. Für ein paar Wochen mag das gehen. Doch was ist, wenn die Krise länger andauert? Und wie kann die Stadt dann noch regiert werden?

Diese Fragen stellten sich gerade viele Kommunalpo­litiker in der Stadt. Aktuell ist es so, dass OB Gribl im Zweifel alleine durchregie­ren kann – er fällt „unaufschie­bbare Entscheidu­ngen“selbst, teils in vorheriger Absprache mit dem Ältestenra­t des Stadtrats. In diesem Rat sitzen die Bürgermeis­ter und Vertreter der Stadtratsf­raktionen. Eine Obergrenze, welche finanziell­en Auswirkung­en die Dringlichk­eitsentsch­eidungen des Oberbürger­meisters haben dürfen, gibt es nicht. Alle Entscheidu­ngen, die verschiebb­ar sind, sollen aber laut Stadt verschoben werden, bis der Stadtrat wieder regulär tagen kann.

Die Grünen im Stadtrat sind dennoch der Ansicht, dass das nur eine kurzfristi­ge Lösung sein kann. Auch in der Krise müsse die Demokratie handlungsf­ähig bleiben, meint die Grünen-Fraktionsc­hefin Martina Wild. Sie sagt: „Der Stadtrat muss auch in schwierige­n Zeiten weiterarbe­iten“. Die Arbeitswei­se müsste aber so angepasst werden, dass die Stadträte bestmöglic­h vor einer Ansteckung mit dem Virus geschützt werden. Damit liegen die Grünen auf einer Linie mit dem bayerische­n Innenminis­terium. Der momentane Augsburger Weg – das Regieren per OB-Entscheidu­ng – wird in dem Brief des Ministeriu­ms auch erwähnt. Aus dem Schreiben wird aber deutlich, dass sich das Ministeriu­m dafür ausspricht, Ratssitzun­gen zwar auf ein Mindestmaß zu reduzieren, aber weiterhin abzuhalten. Das derzeitige Verbot von Veranstalt­ungen gelte für diese kommunalen Gremien nicht.

Die Grünen schlagen deshalb vor, dass der Augsburger Stadtrat entweder in kleinerer Besetzung tagt – oder ein Ausschuss für die CoronaZeit gebildet wird, in dem die Entscheidu­ngen dann auf demokratis­che Weise gefällt werden können. In München und Nürnberg werde es ähnlich geregelt. Die Räte müssten dann, ähnlich wie derzeit im Bundestag und im Landtag, entspreche­nd großen Abstand halten, damit sie sich nicht mit Covid-19 infizieren können.

Auch Dirk Wurm, der OB-Kandidat der SPD, sagt: „Wir können nicht abschätzen, wie sich die Gesundheit­slage entwickelt. Wir müssen einen Weg finden, wie wir als Stadtrat arbeitsfäh­ig werden.“Gleichzeit­ig müsse man auch auf die Gesundheit der Stadträte achten.

„Es ist eine Situation, die man sich so bisher einfach nicht vorstellen konnte“, sagt Wurm.

Es geht dabei auch um den Übergang vom alten zum neuen Gremium. Eigentlich sollte der alte Stadtrat am 23. April ein letztes Mal tagen. Aktuell, so ist bei der Stadt zu hören, sieht es aber eher danach aus, dass auch diese Sitzung abgeblasen wird. Nach Angaben der Stadt gibt es keinen Zwang, dass der alte Stadtrat noch einmal tagen muss. Für den neu gewählten Rat dagegen gibt es eine zeitliche Frist. Im Mai beginnt die neue Ratsperiod­e. Und laut Gemeindeor­dnung muss der Rat spätestens 14 Tage danach zum ersten Mal zusammentr­eten. Ausnahmen sind nicht vorgesehen.

Bei der Stadt macht man sich Gedanken dazu, wie der neu gewählte Rat trotz Corona seine erste Sitzung abhalten könnte. Eine Überlegung ist, den gesamten Oberen Fletz des Rathauses zu nutzen. Normalerwe­ise tagt der Rat dort in einem abgetrennt­en Bereich, der etwa ein Drittel der Fläche umfasst. Eine andere Idee ist, ebenfalls aus Platzgründ­en, für die erste Sitzung auf die Kongressha­lle auszuweich­en. Da der Rat öffentlich tagen muss, gibt es im Rathaus auch Gedankensp­iele, die Sitzung an einen anderen Ort – oder sogar ins Internet zu übertragen. Das wäre eine Premiere, bislang sind Liveübertr­agungen aus dem Stadtrat nicht zulässig. Eines aber steht nach Angaben von Hauptamtsl­eiter Bernhard Maurmeir fest: „Der Amtswechse­l wird auf jeden Fall stattfinde­n“. Bei der Stadt beobachte man die Lage genau und bewerte sie von Tag zu Tag neu.

Im neuen Stadtrat gibt es viele Neulinge, sie machen mehr als die Hälfte der gewählten 60 Mitglieder aus. Alle 33 neuen Stadträte müssen

Viele neue Stadträte müssen vereidigt werden

bei der ersten Sitzung auch vereidigt werden. Die Machtverhä­ltnisse haben sich ebenfalls verschoben. Die CSU ist zwar weiter stärkste Kraft, hat aber Sitze eingebüßt, die Grünen wiederum haben die SPD als zweitstärk­ste Fraktion abgelöst. Auf die Erfahrunge­n der Coronakris­e soll der neue Stadtrat übrigens rasch reagieren: Geplant ist, dass sich die Ratsmitgli­eder auch auf eine Regelung für Krisenzeit­en verständig­en – etwa auf einen kleineren Ausschuss, der in solchen Fällen anstelle des 60-köpfigen Gremiums zusammentr­eten und entscheide­n kann.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Der Sitzungssa­al im Oberen Fletz des Rathauses. Normalerwe­ise sitzen die 60 Stadträte dort eng nebeneinan­der. Wenn Anfang Mai das neue Gremium vereidigt wird, könnte die Situation aber eine andere sein. Bleibt es wegen der Coronakris­e dabei, dass Menschen einen Mindestabs­tand von bis zu zwei Metern halten sollen, muss die Stadtverwa­ltung neue Lösungen für die erste Sitzung finden.
Foto: Silvio Wyszengrad Der Sitzungssa­al im Oberen Fletz des Rathauses. Normalerwe­ise sitzen die 60 Stadträte dort eng nebeneinan­der. Wenn Anfang Mai das neue Gremium vereidigt wird, könnte die Situation aber eine andere sein. Bleibt es wegen der Coronakris­e dabei, dass Menschen einen Mindestabs­tand von bis zu zwei Metern halten sollen, muss die Stadtverwa­ltung neue Lösungen für die erste Sitzung finden.

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