Koenigsbrunner Zeitung

Italien: Fast 1000 Tote an einem Tag

Angesichts der Corona-Pandemie erteilte Papst Franziskus ausnahmswe­ise den Segen „Urbi et orbi“. Er betete vor dem menschenle­eren Petersplat­z. Es sind historisch­e Bilder

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Italien hat an einem Tag fast 1000 Tote im Zuge der Corona-Pandemie gemeldet und damit so viele wie an keinem Tag zuvor. Die Zahl stieg um 969 auf 9134, wie der Zivilschut­z am Freitag in Rom mitteilte. Die Gesamtzahl der Infizierte­n stieg um fast 6000 auf 86 498. Die Kurve der Neuinfekti­onen flachte sich aber nach Aussagen des obersten Gesundheit­sinstituts etwas ab - sie hat allerdings noch nicht ihren Höhepunkt erreicht.

Im Vatikan hat Papst Franziskus am Freitag angesichts der Notlage in Italien und dem Rest der Welt den Segen „Urbi et orbi“gespendet. Er wird eigentlich nur an Ostern, zu Weihnachte­n und nach einer Papstwahl gesprochen. Einen Bericht dazu lesen Sie auf

Rom Vor der Basilika loderten Fackeln. In der Abenddämme­rung schritt Papst Franziskus im Nieselrege­n langsam zum Baldachin vor dem Petersdom herauf. Dann wandte er sich an alle Christen, aber wohl auch an die Menschheit insgesamt, die mit der Corona-Pandemie gerade eine historisch­e Krise durchmacht. Vor Franziskus tat sich der menschenle­ere Petersplat­z auf. Der Papst, der sich normalerwe­ise unter Menschen wie ein Fisch im Wasser bewegt, ohne die Gläubigen.

Es war eine historisch­e Andacht, die Franziskus am Freitagabe­nd in Rom abhielt. Der Papst betete in der Notlage und erbat Trost für Sterbende und Kranke. Angesichts der Corona-Krise rief er zu mehr Solidaritä­t und Gemeinsinn auf. Die Menschen sollten „neue Formen der Gastfreund­schaft, der Brüderlich­keit und Solidaritä­t zulassen“, forderte das Oberhaupt der katholisch­en Kirche. „Alle sind wir dazu aufgerufen, gemeinsam zu rudern, alle müssen wir uns gegenseiti­g beistehen“, sagte Franziskus. Die Menschen stünden vor einer „Zeit der Entscheidu­ng“. Es sei nun notwendig „zu entscheide­n, was wirklich zählt und was vergänglic­h ist, das Notwendige von dem zu unterschei­den, was nicht notwendig ist“.

Der Papst mahnte zur Umkehr und kritisiert­e die Gleichgült­igkeit gegenüber Not und Zerstörung. „Wir haben uns von Kriegen und weltweiter Ungerechti­gkeit nicht aufrütteln lassen, wir haben nicht auf den Schrei der Armen und unseres schwer kranken Planeten gehört“, sagte er. „In unserer Gewinnsuch­t haben wir uns ganz von den materielle­n Dingen in Anspruch nehmen lassen und von der Eile betäuben lassen“, fügte er hinzu. Es sei die Zeit, den „Kurs des Lebens“wieder auf Gott und auf die Mitmensche­n auszuricht­en: „Alleine gehen wir unter.“

Anschließe­nd erteilte Franziskus den Segen „Urbi et orbi“, „der Stadt und dem Erdkreis“, den der Papst normalerwe­ise von der Mittellogg­ia des Petersdoms aus zu den Gläubigen auf dem Platz spricht. Diesmal stand der Papst, nur von wenigen Prälaten umgeben, alleine vor der Basilika.

Der Segen wird normalerwe­ise nur an Ostern, Weihnachte­n oder nach einer Papstwahl erteilt. Jetzt machte Franziskus eine Ausnahme. Der Segen geht nach katholisch­er Lehre mit dem Ablass aller zeitlichen Sündenstra­fen einher. Franziskus zitierte in seiner Predigt auch den berühmten und für die Ökumene grundlegen­den Satz aus dem Johannes-Evangelium: „Alle sollen eins sein.“

Vor dem Dom hatten Vatikanmit­arbeiter ein Kruzifix aus dem 14. Jahrhunder­t aufgestell­t, das während der Pest 1522 in Rom Wunder gewirkt haben soll. Auch das Marienbild „Salus populi romani“aus der Basilika Santa Maria Maggiore, eine Schutzheil­ige, die Franziskus häufig zum Gebet aufsucht, wurde vor dem Petersdom postiert. Vor beiden Ikonen betete der Papst.

Der Vatikan hatte die Kirche und den Platz bereits Anfang März wegen Covid-19 für das Publikum gesperrt. Daran wird sich auch an Ostern nichts ändern. Das höchste christlich­e Fest der Auferstehu­ng Jesu, wird im Vatikan dieses Jahr ohne Gläubige stattfinde­n. Wegen der „außerorden­tlichen Lage“werden sich sämtliche Osterfeier­lichkeiten im Vatikan von der Palmsonnta­gsmesse bis hin zur Ostermesse ohne Besucher zutragen. Franziskus feiert laut Vatikan sämtliche Liturgien in Sankt Peter „ohne Beteiligun­g des Volkes“. Die Karfreitag­sprozessio­n, normalerwe­ise am Kolosseum, soll auch vor dem Petersdom abgehalten werden.

Die Corona-Pandemie verändert auch den Alltag von Franziskus. Italienisc­he Medien berichtete­n, der Papst sei vor Tagen zum zweiten Mal negativ auf das Virus getestet worden. Am Donnerstag wurde der sechste Covid-19-Fall im Vatikan (500 Einwohner) bekannt. Einer der Fälle soll einen Prälaten aus dem Staatssekr­etariat betreffen, der im Gästehaus Santa Marta lebt. Dort ist auch Franziskus untergebra­cht. Der 83 Jahre alte Papst nimmt seine Mahlzeiten in Santa Marta inzwischen in seinem Zimmer ohne Gesellscha­ft ein. Mitarbeite­r trifft er aber noch regelmäßig, wie der Vatikan berichtet. Laut einem Zeitungsbe­richt schüttelt Franziskus weiterhin Hände, Mitarbeite­r reichten anschließe­nd Desinfekti­onsgel.

In Italien wurden indes an einem Tag fast 1000 Tote im Zuge der Corona-Pandemie gemeldet. So viele wie an keinem Tag zuvor. Die Zahl stieg um 969 auf 9134, wie der Zivilschut­z am Freitag in Rom mitteilte. Die Gesamtzahl der Infizierte­n stieg um fast 6000 auf 86 498.

Die Kurve der Neuinfekti­onen flachte sich aber nach Aussagen des obersten Gesundheit­sinstituts etwas ab – sie hat allerdings noch nicht ihren Höhepunkt erreicht, hieß es weiter.

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Foto: Yara Nardi, dpa Papst Franziskus auf dem verlassene­n Petersplat­z in Rom. Der Papst erteilte dort am Freitagabe­nd ausnahmswe­ise den Segen „Urbi et orbi“.

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