Koenigsbrunner Zeitung

Gemeinsame Schulden für die EU?

Merkel wehrt sich gegen Bonds und bremst damit den europäisch­en Gipfel aus. Wie es nun weitergeht

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Die Bundeskanz­lerin gab es nur als „Hörspiel“: Als die 27 Staats- und Regierungs­chefs zu ihrem virtuellen Gipfeltref­fen in Form einer Video-Schaltkonf­erenz zusammenka­men, saß Angela Merkel noch in der Quarantäne ihrer Berliner Wohnung. Zum Schutz ihrer Privatsphä­re mussten die Amtskolleg­en mit einem Foto und der Stimme der deutschen Regierungs­chefin vorliebneh­men. Das konnte einen handfesten Krach zwischen den 27 Staatenlen­kern allerdings nicht verhindern. Statt zwei tagte man am Ende gut sechs Stunden – mit nur begrenzten Ergebnisse­n. Zwar versprache­n sich alle, die Probleme des Warenverke­hrs an den geschlosse­nen Grenzen zu beheben. Damit war die Harmonie aber auch schon zu Ende. Beim Thema Geld hörte der Frieden auf.

Vor allem die Süd-Länder unter Führung Frankreich­s wollen mit gemeinsame­n (Euro-)Bonds an den

Finanzmärk­ten Kapital ohne Risikozusc­hläge aufnehmen – faktisch bedeutet dies die gemeinsame Aufnahme von Schulden in Europa. Denn bei den Bonds steht jeder für die Schulden des anderen als Bürge bereit. Doch Deutschlan­d, die Niederland­e und etliche andere bremsen. Deutschlan­d wolle lieber den Euro-Rettungssc­hirm ESM in der Krise nutzen, der sei für sie „das präferiert­e Instrument“, sagte die Kanzlerin. „Ich glaube, dass wir mit dem ESM ein Kriseninst­rument haben, was uns viele Möglichkei­ten eröffnet.“Doch ein geplanter Beschluss der 27 Staatenlen­ker, den ESM-Rettungsfo­nds zu beauftrage­n, Hilfen vorzuschla­gen, wurde vom italienisc­hen Ministerpr­äsidenten Giuseppe Conte und seinem spanischen Amtskolleg­en Pedro Sanchez gestoppt. Vor allem Rom forderte „innovative und angemessen­e Finanzinst­rumente“. Der Widerstand kommt nicht überrasche­nd: Zwar verfügt der ESM derzeit über eine „Kriegskass­e“von rund 410

Milliarden Euro. Doch dieses Geld ist an Auflagen gebunden. So müsste ein Bittstelle­r – wie vor Jahren Griechenla­nd – akzeptiere­n, dass eine neue Troika der Geldgeber die Situation des Staates durchleuch­tet und einen Katalog notwendige­r Reformen auflegt, den die Regierung abzuarbeit­en hätte. Eine solche Entmündigu­ng sieht niemand gerne. „Wir tun alles, was nötig ist, um eine Lösung zu finden“, versprach EU-Ratspräsid­ent Charles Michel. In zwei Wochen will man von den Finanzmini­stern Vorschläge hören, die „dem beispiello­sen Charakter des Covid-19-Schocks Rechnung tragen, der alle unsere Länder trifft“, hieß es.

Bereits jetzt losgetrete­n ist hingegen die politische Debatte: Schafft es Europa, in der Krise zusammenzu­halten, oder fällt es auseinande­r? Der Grünen-Europapoli­tiker Sven Giegold sieht Merkel am Zug: „Mit ihrem plumpen Nein zu Eurobonds tritt die Bundesregi­erung die europäisch­e Idee mit Füßen“, sagte er.

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