Der Motor läuft sich warm
Für Optimismus ist es noch zu früh
Praktisch in Echtzeit lässt sich beobachten, wie in der 20-MillionenMetropole Peking ein ums andere Restaurant wieder öffnet, U-BahnZüge sich füllen und die Leute wieder mehr auf die Straße gehen – einige schon ohne Gesichtsmaske. Das Virus scheint vorerst unterdrückt. Dennoch gibt es in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt keinen Grund für verfrühten Optimismus – im Gegenteil. Anfang vergangener Woche hat Pekings Statistikamt erstmals Konjunkturzahlen für Januar und Februar veröffentlicht: Demnach ist die heimische Industrieproduktion
um 13,5 Prozent gesunken, Anlageinvestitionen gar um ein Viertel. Immerhin läuft die Wirtschaft in einigen Landesteilen wieder in mehr oder weniger geregelten Bahnen, vor allem im finanzstarken Süden des Landes: In der Provinz Guangdong sollen laut offiziellen Zahlen nahezu alle Firmen wieder im Normalbetrieb arbeiten – vor vier Wochen waren es gerade mal die Hälfte. Landesweit seien gut drei Viertel aller großen Unternehmen wieder in Betrieb. Den offiziellen Zahlen aus den Provinzen kann man allerdings nur bedingt trauen: Eine stichprobenhafte Recherche des für chinesische Verhältnisse kritischen Magazins Caixin ergab, dass viele Fabriken und Unternehmen Licht und Klimaanlagen rund um die Uhr laufen ließen, um in den Statistiken Produktivität vorzutäuschen. Die Viruskrise bringt jedoch etwas anderes ans Tageslicht. China ist mindestens so abhängig vom Westen wie andersherum. Die in China verarbeiteten Halbleiter werden auf Maschinen hergestellt, die aus der Schweiz stammen, Chemikalien kommen aus Deutschland und die hochwertigen Pharmaka aus den USA. Fabian Kretschmer