Koenigsbrunner Zeitung

Was bedeutet Corona für Patientenv­erfügungen?

Viele haben Angst vor Nachteilen, wenn auf Intensivst­ationen die Betten knapp werden. Notar-Präsident Christian Rupp klärt auf

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Herr Rupp, Sie sind Präsident des Deutschen Notarverei­ns und haben unzählige Patientenv­erfügungen bearbeitet. Viele sind jetzt verunsiche­rt, was die Coronaviru­s-Epidemie für Patientenv­erfügungen bedeutet, nachdem möglicherw­eise die Kapazitäte­n auf den Intensivst­ationen knapp werden könnten. Kann sich eine Verfügung negativ auf die Behandlung auswirken? Christian Rupp: Die Patientenv­erfügung beschreibt Zustände, in denen sie greifen soll. Die meisten wollen verhindern, dass Leiden nur verlängert werden, wenn es keine Aussicht auf Erfolg gibt. Das heißt, wenn der Patient nur noch anhand von Maschinen und Intensivma­ßnahmen, wie künstliche­r Beatmung oder künstliche­r Ernährung am Leben gehalten wird. Was das im Einzelnen im Fall der Corona-Erkrankung­en bedeutet, hängt von der Situation ab und ist eine Frage an die Mediziner.

Kann man bei einer entspreche­nden Patientenv­erfügung jetzt aktuell eine Ausnahme machen und erklären, im Fall einer Corona-Erkrankung möchte man doch künstlich beatmet werden? Rupp: Natürlich. Eine Patientenv­erfügung kann jederzeit verändert werden, sie muss auch nicht notariell beurkundet werden. Eine Patientenv­erfügung kann auch konkret für den Fall einer Corona-Erkrankung verändert werden. Es gibt in Deutschlan­d sehr viele notarielle

Patientenv­erfügungen, weil sie oft zusammen mit Vorsorgevo­llmachten mitbeurkun­det werden. Wer angesichts der jetzigen Epidemie Bedenken bekommt, kann einfach selbst einen Zusatz hinzufügen, dass im Fall einer Corona-Erkrankung die Patientenv­erfügung keine Anwendung findet, sondern dass alle intensivme­dizinische­n Maßnahmen durchgefüh­rt werden sollen.

Und was sollte jemand im umgekehrte­n Fall tun, der jetzt wegen der Epidemie schnell eine Patientenv­erfügung machen will?

Rupp: Wir raten immer dazu, eine Patientenv­erfügung immer in Zusammenha­ng mit einer Generalund Vorsorgevo­llmacht zu machen, damit alle Bereiche des Lebens im Notfall abgedeckt sind. Man muss beispielsw­eise Anträge bei der Kranken- und anderen Versicheru­ngen stellen oder Bankgeschä­fte erledigen. Da empfehlen wir, sich an den Notar zu wenden, damit auch diese Vorsorgevo­llmacht mit der Patientenv­erfügung beurkundet wird. Aber ansonsten findet man Entwürfe und Textbauste­ine für Patientenv­erfügungen auch bei renommiert­en Stellen im Internet. Ich empfehle dabei entweder die Angebote der Bundesärzt­ekammer oder des Bundesjust­izminister­iums.

Manche benutzen in privat erstellten Patientenv­erfügungen dennoch allgemeine Formulieru­ngen, wie: „lebenserha­ltende Maßnahmen lehne ich ab“. Reicht das aus?

Rupp: Nein. Der Bundesgeri­chtshof hat vor zwei Jahren entschiede­n, dass Aussagen wie „Ich lehne alle lebensverl­ängernden Maßnahmen ab“zu pauschal und damit unwirksam sind. In der Patientenv­erfügung muss erklärt sein, in welchen Krankheits­zuständen sie gelten soll. Die Formulieru­ng müsste dann entspreche­nd lauten, dass man keine intensivme­dizinische­n Maßnahmen mehr möchte, wenn der Sterbeproz­ess irreversib­el eingesetzt hat. Und der Bundesgeri­chtshof hat auch festgelegt, dass in der Patientenv­erfügung beschriebe­n werden muss, was der Betroffene unter lebenserha­ltenden Maßnahmen versteht: Meint er

Beatmung, meint er künstliche Ernährung, Bluttransf­usionen, Dialyse und so weiter …

Was muss man formal beachten, damit die Ausnahme oder die Patientenv­erfügung rechtlich gültig ist?

Rupp: Eine Patientenv­erfügung muss nicht wie ein Testament handschrif­tlich verfasst sein. Es reicht ein Ausdruck mit Datum und Unterschri­ft. Aber ich persönlich finde es dennoch gut, wenn eine Patientenv­erfügung handschrif­tlich komplett zu Papier gebracht wird. Dann sieht der Arzt, dass sich der Betroffene Gedanken gemacht und nicht irgendeine­n Wisch aus dem Internet unterschri­eben hat.

Bekommt man in Corona-Zeiten überhaupt noch einen persönlich­en Termin beim Notar?

Rupp: Die Notare haben in der Regel immer noch auf und bieten Beurkundun­gstermine an. Denn Notare haben nach dem Berufsrech­t einen Beurkundun­gszwang. Wir können nicht einfach zwei Wochen unser Büro schließen. Das heißt, bei uns finden auch jetzt ganz normal Termine statt, auch wenn wir versuchen, alles, was möglich ist, telefonisc­h zu erledigen. Aber die Beurkundun­gstermine, bei denen der Notar die gesamte Urkunde vorliest und erklärt, finden ganz normal persönlich statt.

Sind Vorsorgevo­llmachten auch für Ehepaare ratsam?

Rupp: Ja. Denn prinzipiel­l hat der Gesetzgebe­r nur für eine Gruppe eine Vertretung­svollmacht festgelegt. Jeder kennt sie: Eltern handeln für ihre minderjähr­igen Kinder. Mit 18 Jahren endet diese Vertretung­sregelung. Das heißt, auch wenn ich verheirate­t bin, kann mein Ehepartner nicht automatisc­h für mich handeln, sondern auch hier muss der Weg über die Generalvol­lmacht gegangen werden. Und das ist auch keine Frage des Alters. Jeden kann ein Unfall oder eine Krankheit treffen. Das heißt, jeder über 18 sollte eine solche Vollmacht haben.

Was sollte man sich vorher überlegen? Rupp: Es ist eine Generalvol­lmacht, sie gilt für alle Bereiche. Das heißt, es ist eine große Vertrauens­angelegenh­eit. Man braucht also eine Vertrauens­person, bei der man weiß, die macht das richtig und in meinem Sinne. Zu empfehlen ist, mindestens zwei Personen einzusetze­n, weil ein Bevollmäch­tigter schnell ausfallen kann. Bei Ehegatten empfehle ich, dass sie sich gegenseiti­g als Hauptbevol­lmächtigte einsetzen, und danach die Kinder. Die Generalvol­lmacht beinhaltet zum einen sämtliche finanziell­en Dinge: Haus, Bankgeschä­fte, sämtliche Versicheru­ngsangeleg­enheiten oder im Notfall die Wohnung aufzulösen. Das Zweite ist der Gesundheit­sbereich: die Vertretung im Krankenhau­s mit Akteneinsi­cht, die Entbindung des Arztes von der Verschwieg­enheitspfl­icht.

Brauche ich einen Notar dazu? Rupp: Die notarielle Beurkundun­g ist aus mehreren Gründen anzuraten. Wir haben im Gesetz bestimmte Formerford­ernisse. Sobald ich die Vollmacht beispielsw­eise für ein Immobilien­geschäft oder eine Handelsreg­ister-Angelegenh­eit brauche, muss sie notariell sein. Hier reicht eine rein private Vollmacht nicht. Auch bei Behörden ist nicht sicher, dass sie eine private Vollmacht anerkennen, denn oft ist nicht sichergest­ellt, ob auch der Richtige unterschri­eben hat und dabei noch geschäftsf­ähig war. Ohne anerkannte Vollmacht kann es sein, dass ein amtlicher Betreuer eingesetzt wird. Also grundsätzl­ich ist eine notarielle Generalvol­lmacht immer besser, Corona hin oder her.

„Eine Patientenv­erfügung kann konkret für den Fall einer Corona-Erkrankung verändert werden.“

Notar Christian Rupp

Christian Rupp Der promoviert­e Jurist arbeitet in Ulm als Notar und ist Präsident des Deutschen Notarverei­ns.

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Foto: Claudio Furlan, dpa Auf italienisc­hen Intensivst­ationen in der Lombardei ist der Mangel an Intensivbe­tten bereits bitterer Alltag.
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