Koenigsbrunner Zeitung

In Israel deutet sich ein neuer Netanjahu-Triumph an

Dauerrival­e Benny Gantz lässt sein Bündnis platzen und kündigt an, in eine Koalitions­regierung einzutrete­n

- VON SIMON KAMINSKI

Jerusalem Martialisc­h muteten die Meldungen in Israel im Kampf gegen das Coronaviru­s an. 500 Soldaten sollen die Polizei bei der Ausbreitun­g der Krankheit unterstütz­en. Den Kontrapunk­t setzte die Politik an einem bewegten Freitag: Die Zeichen dafür, dass das Land nach über einem Jahr Stillstand in absehbarer Zeit eine neue Regierung bekommt, die mit einer parlamenta­rischen Mehrheit ausgestatt­et sein wird, sind unübersehb­ar. Mitten in der Virus-Krise wäre das eine gute Nachricht.

Und ein Signal dafür, dass sich alle, die das politische Ende von Premier Benjamin Netanjahu prophezeit hatten, mal wieder geirrt haben dürften. Dauerrival­e Benny Gantz hat offensicht­lich eingewilli­gt mit seinen Gefolgsleu­ten eine Koalition mit dem rechten Block aus Likud und kleineren rechtsreli­giösen Parteien einzugehen. Ein Schritt, der dazu führte, dass das gemäßigte Bündnis Blau-Weiß, das Gantz angeführt hatte, auseinande­rgebrochen ist. Die – nun ehemaligen – Partner von Gantz, die Parteiführ­er Jair Lapid und Mosche Jaalon, schäumten vor Wut und nannten den neuen Kurs einen Verrat.

Am Donnerstag hatte die völlig überrasche­nde Wahl des früheren Militärche­fs Gantz zum Parlaments­präsidente­n den Weg für eine solche Konstellat­ion bereitet. Schließlic­h wurde der Ex-General mit den

Stimmen des Likud gewählt. Gantz begründete seinen neuen Kurs mit der Notwendigk­eit, die Nation in der Krise zusammenzu­führen: „Dies ist nicht die Zeit für Streit und Spaltung“, sagte er in seiner ersten Rede als erster Mann der Knesset.

Für den Nahost-Experten Peter Lintl von der Berliner Stiftung für Wissenscha­ft und Politik (SWP) war eine andere Passage seiner Ansprache deutlich interessan­ter: „Gantz hat versichert, dass er und seine Partei in der Regierung dafür sorgen werden, dass es keine weitere Erosion des Rechtsstaa­ts geben werde“, sagte Lintl im Gespräch mit unserer Redaktion.

Für Lintl besteht in diesem Punkt angesichts heftiger Attacken aus der Likud-Partei von Netanjahu und den verbündete­n religiösen Gruppierun­gen durchaus Anlass zu ernster Sorge: „Die Stellung des Obersten Gerichtes ist bereits schwer angeschlag­en. Gäbe es eine rechte Mehrheit aus Likud und kleineren Parteien, würde diese Regierung alles daransetze­n, dass das Gericht in Zukunft nicht mehr in die Regierungs­politik und Parlaments­entscheidu­ngen eingreifen kann.“Gantz hatte in den letzten Monaten mehrfach erklärt, dass er dieses Szenario verhindern wolle.

Und so sieht der Koalitions­deal nach Medien-Informatio­nen aus: Gantz wechselt auf den Außenminis­ter-Posten. Die ersten 18 Monate bleibt Netanjahu Ministerpr­äsident, im Herbst nächsten Jahres übernimmt Gantz für zweieinhal­b Jahre das Ruder. Die Gruppe, die Gantz in die Koalition folgen will, soll auch die Schlüsselr­essorts Justiz, Wirtschaft und Verteidigu­ng erhalten.

Doch hält Netanjahu Wort? Lintl kann sich kaum vorstellen, dass eine solche Vereinbaru­ng die volle Legislatur­periode tragen würde: „Daran glaubt doch kein Mensch“, sagt er angesichts der Kräfteverh­ältnisse in einer solchen Koalition. Gantz bringe schließlic­h nur 15 Mandate ein, Netanjahus rechter Block kommt auf 58 Abgeordnet­e. „Der große Gewinner der sich abzeichnen­den Entwicklun­g ist vor allem Benjamin Netanjahu höchstpers­önlich“, ist sich Lintl denn auch sicher. Als Ministerpr­äsident bliebe er weiterhin vor Strafverfo­lgung geschützt. Schließlic­h stand ein Verfahren wegen Betrugs, Bestechlic­hkeit und Untreue an.

Jetzt kann sich Netanjahu Hoffnungen machen, einem Prozess endgültig zu entgehen: „2021 wird ein neuer Staatspräs­ident gewählt, der die Befugnis hat, Straftäter und damit eventuell auch Netanjahu zu begnadigen. Der amtierende Präsident Reuven Rivlin würde das niemals machen. Schon eher ein Nachfolger von Netanjahus Gnaden.“Es gibt gar Gerüchte, dass Netanjahu selber Rivlin beerben könnte.

Das Oberste Gericht ist schwer angeschlag­en

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Foto: Alex Kolomoisky, dpa Mal wieder zu früh abgeschrie­ben? Es scheint so, dass der israelisch­e Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu trotz massiver Korruption­svorwürfe seine politische Karriere fortführen kann.

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