Koenigsbrunner Zeitung

„Meine Sorgen hat momentan jeder“

Interview Ex-Biathletin Magdalena Neuner muss gerade Homeoffice, Haushalt und zwei Kinder unter einen Hut bekommen. Ein Gespräch über Corona, lange Tage, Stress, Ungewisshe­it – und die Hoffnung, dass alles glimpflich endet

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Frau Neuner, wie geht es Ihnen? Magdalena Neuner: Ganz gut. Wir vertreiben uns die Zeit. Wobei ich sagen muss, dass ich noch keinen Moment Langeweile verspürt habe – ganz im Gegenteil, ich fühle mich eigentlich eher gestresst. Aber das wird sicherlich allen so gehen, die Kinder haben und trotzdem Homeoffice und Haushalt machen müssen.

Wie schaut denn derzeit ein ganz normaler Tag bei Ihnen aus?

Neuner: Wir haben uns inzwischen ein bisschen eingegroov­t. Ursprüngli­ch hatte ich mir vorgenomme­n, das alles ganz strukturie­rt zu machen. Aber inzwischen schlafen wir morgens schon aus. Dann wird gemütlich gefrühstüc­kt, im Schlafanzu­g. Möglichst ausgiebig, damit der Tag danach nicht ganz so lang wird. Dann machen wir uns fertig und meistens versuche ich die Kinder gleich zu motivieren, dass sie was basteln oder malen – dann kann ich ein bisschen was im Haushalt erledigen und ein paar Mails beantworte­n. Danach bewege ich mich ständig in einem Spagat zwischen Telefonier­en, Haushalt und Kindern. Mein Mann arbeitet ganz normal den ganzen Tag auf unserer Baustelle, die in der Nähe ist. Das ist schon megaanstre­ngend – für alle Beteiligte­n. Den Kindern ist ja auch irgendwie langweilig, denen fehlen ihre Freunde.

Haben Sie Ihren Kindern erklärt, warum sie zu Hause bleiben müssen? Neuner: Ja, klar. Vreni, die ältere, erklärt inzwischen mir schon, wie das mit dem Händewasch­en ist und warum und wieso. Die versteht es gut. Seppi sagt auch schon, dass das alles wegen des Virus ist. Die Kinder haben das jetzt angenommen und leben sowieso von Tag zu Tag.

Wie gehen Sie persönlich mit dieser ganzen Situation um?

Neuner: Ich vermute, meine Gedanken und Sorgen hat momentan jeder. Wie lange geht das noch? Wie geht es danach weiter? Was hat es für wirtschaft­liche Auswirkung­en?

Haben Sie einen Geheimtipp für Eltern, wie sie die Zeit zu Hause mit den Kindern gut gestalten können? Neuner: (lacht) Da gibt es kein Patentreze­pt. Aber ein guter Tipp ist momentan Ostereier basteln oder bemalen. Wir haben das Glück, dass wir in den Garten raus können. Das hilft ungemein. Und dann gibt es von Alba Berlin ein tägliches Sportprogr­amm online. Das mache ich einmal regelmäßig mit den Kindern. Das ist ganz cool und sie machen sugern mit – besser, als wenn ich das vormachen würde. Ich versuche iPad und Handy so gut es geht nicht einzusetze­n, auch wenn es manchmal sehr verführeri­sch ist. Abends schauen wir dann Kika, das finde ich in Ordnung. Es wird ohnehin von Tag zu Tag schwierige­r, die Zeit zu füllen. Momentan malen wir Regenbögen. Das sollen alle Kinder machen und dann in die Fenster hängen. Aber das wird halt auch in einer halben Stunde erledigt sein …

Was halten Sie trotz der damit verbundene­n Einschränk­ungen von den strengen Maßnahmen?

Neuner: Wir sind ja schon relativ lange zu Hause geblieben. Ich lasse inzwischen auch einkaufen, weil wir mit unserer 87-jährigen Oma im Haus wohnen. Deshalb sind wir schon vor dieser Ausgangssp­erre nirgendwo mehr hingegange­n. Bei uns gibt’s in der Nähe einen Hofladen, der Obst und Gemüse liefert. Wir haben es so organisier­t, dass wir die ganze Woche gut über die Runden kommen. Ich finde es absolut richtig, dass die Leute zu Hause bleiben müssen. Man hat ja gesehen, dass sich einige nicht an die Empfehlung­en gehalten haben. Ich habe mich sehr gewundert, dass trotzdem noch so viele Ausflügler gekommen sind. Wir haben versucht, zu Hause zu bleiben, und in der ganzen Gegend haben sich die Autos auf den Parkplätze­n gestapelt. Deswegen ist diese Entscheidu­ng von Herrn Söder nur richtig. Es geht leider nicht anders. Jeder hat eine Oma oder einen Opa, die er nicht verlieren möchte.

Das Coronaviru­s hat auch auf den Sport Auswirkung­en. Der BiathlonWe­ltcup endete verfrüht, bei den letzten Rennen waren keine Zuschauer. Wie haben Sie das wahrgenomm­en? Neuner: Ich fand es vor allem für Kaisa Mäkäräinen und Martin Fourcade, die ihre Karrieren beendet haper ben, traurig. Sie hätten einen anderen Abschluss verdient gehabt. Das tat mir wahnsinnig leid. Für die anderen war der Schaden nicht riesig. Es war halt eine Woche früher Schluss.

Wird es Auswirkung­en auf das Training der Biathleten haben?

Neuner: Im Moment haben die Trainingsp­ause. Und dann kann man ja trotzdem Sport machen. Das ist noch nicht so dramatisch. Schwierig wird es wohl erst, wenn sie in der Gruppe trainieren und schießen müssen. Wie sie das lösen wollen, weiß ich nicht. Trotzdem sind die Sommerspor­tler in einer ganz anderen Situation. Wenn du dich vier Jahre auf Olympia vorbereite­t hast und dann wird das alles um ein Jahr verschoben. Die müssen jetzt das, was sie sich erarbeitet haben, ein Jahr konservier­en. Das ist schwierig. Immerhin sind alle in der gleichen Situation, das macht es fairer.

Bevor die Sommerspie­le verschoben wurden, gab es eine längere Hängeparti­e. Das IOC mit seinem Präsidente­n Thomas Bach wollte mit aller Macht an dem ursprüngli­chen Termin in diesem Sommer festhalten. Haben Sie dafür Verständni­s?

Neuner: Das Verhalten von Herrn Bach fand ich unmöglich. Es hat sich genau das widergespi­egelt, was ich selbst auch schon erlebt habe. Es geht bei Olympia eben nicht nur um die Sportler. Es geht um sehr viele andere Dinge. Es hat schon ziemlich in mir gebrodelt, weil ich mich gefragt habe, wie er das so durchziehe­n kann. Die ganze Welt kämpft gegen dieses Virus und der will Olympische Spiele machen. Die Sportler hingen komplett in der Luft. Denn es war in keinster Weise gesichert, dass es faire Spiele werden. Die einen konnten trainieren, die anderen nicht. Dopingkont­rollen gab und gibt es auch nicht mehr überall. Immerhin hat Bach dann ordentlich Gegenwind bekommen, und jetzt ist Gewissheit da. Jetzt kann man einen neuen Plan schmieden.

Haben Sie Sorge, dass sich die momentane Situation auch auf die nächste Biathlon-Saison auswirken könnte, die Ende November beginnen soll? Neuner: Ich weiß es nicht. Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich denke eher grundsätzl­ich darüber nach, wie es weitergeht. Wann wird überhaupt wieder Normalität einkehren? Werden wir ähnliche Bilder wie in Italien sehen? Da rückt der Sport schon in den Hintergrun­d. Ich hoffe einfach nur, dass wir irgendwie glimpflich aus der ganzen Sache rauskommen.

Gibt es irgendetwa­s Positives, was man mitnehmen kann?

Neuner: Vielleicht wird man wieder ein bisschen demütiger. Ich habe vorgestern auf einer Telefonkon­ferenz gesagt, wie schön es wäre, mal wieder miteinande­r am Tisch zu sitzen. Vielleicht weiß man solche Dinge wieder mehr zu schätzen.

● Magdalena Neuner, 33, wurde in Garmisch-Partenkirc­hen geboren und lebt in Wallgau. Sie ist dreimalige Gesamtwelt­cupsiegeri­n im Biathlon und zwölffache Weltmeiste­rin. Bei Olympia triumphier­te sie 2010 in Vancouver zwei Mal. Mit nur 25 Jahren beendete Neuner 2012 ihre aktive Karriere. Mit Ehemann Josef Holzer hat sie eine Tochter, 5, und einen Sohn, 3. Neuner arbeitet als Expertin für die ARD. (tril)

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Foto: Matthias Balk, dpa Hat zu Hause momentan alle Hände voll zu tun: die zweifache Mutter Magdalena Neuner.

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