Koenigsbrunner Zeitung

„Die Spieler müssen über die Runden kommen“

Interview Halil Altintop war lange Fußball-Profi, unter anderem bei Schalke und beim FCA. Jetzt trainiert er den Fußball-Bayernligi­sten TSV Schwaben und kann sich nicht vorstellen, dass die Amateurlig­en zu Ende gespielt werden

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Herr Altintop, wie geht es Ihnen und Ihrer Familie in diesen Zeiten der Ausgangsbe­schränkung­en und der CoronaEpid­emie?

Halil Altintop: Uns geht es gut, auch wenn es schon eine Umstellung ist, wenn alle vier Kinder den ganzen Tag zu Hause sind. Zwei davon gehen in die Grundschul­e, eines in den Kindergart­en und der Jüngste ist ja erst sieben Monate alt. Für die Älteren sind meine Frau und ich nun am Vormittag die Lehrer.

Wie funktionie­rt das?

Altintop: Die Unterricht­sunterlage­n und Hausaufgab­en bekommen wir per Mail oder WhatsApp für die ganze Woche. Und dann müssen wir Eltern die Kinder am Vormittag so unterricht­en, wie wenn sie in der Schule wären. Meine Frau und ich teilen uns das auf. Es ist wichtig, dass die Kinder weiter lernen.

Wie kann man drei Kinder nicht nur geistig, sondern auch körperlich beschäftig­en, damit sie am Abend müde sind?

Altintop: Wir haben zum Glück einen Garten, in dem sie sich frei bewegen können. Natürlich versuchen wir auch als Familie, gemeinsam rauszugehe­n, immer unter Einhaltung der vorgegeben­en Regeln. Wenn wir radeln, dann sind sie ja auf ihren Rädern, was ja schon einen gewissen Abstand erfordert. Und sie wissen genau, dass sie den auch einhalten müssen.

Wie geht der Familienva­ter Altintop mit dieser ganzen Situation um? Altintop: Natürlich macht man sich Gedanken und versucht zu verstehen, was jetzt genau die Sachlage ist. Das ist nicht so einfach, weil sich viele Leute dazu äußern. Wir als Familie können nur an die Vernunft und Demut appelliere­n, dass alle mithelfen, die Ausbreitun­g des Virus einzudämme­n. Wir versuchen einfach, so viel wie möglich zu Hause zu bleiben. Und wenn wir einkaufen gehen, dann geht nur noch ein Elternteil, ohne Kinder.

Sie haben viele Bekannte im Ausland. Wie erleben die die Krise?

Altintop: Mein Schwager lebt in den USA. Dort und in der Türkei ist es jetzt, mit etwas Verzögerun­g, wie bei uns. Eine gute Bekannte von uns lebt in der Nähe von Barcelona. Die haben eine Ausgangssp­erre und noch viel restriktiv­ere Maßnahmen. Ich hoffe, das wird hier in Deutschlan­d nicht nötig sein.

Und wie geht es Ihrer Mutter?

Altintop: Die lebt in Gelsenkirc­hen und hält sich strikt an die Regeln.

Wie halten Sie sich eigentlich fit? Altintop: Ich passe mich den Umständen an und versuche so gut wie möglich Sport zu machen. Am liebsten mit den Kindern. Da spielen wir im Garten oft Fußball.

Fußball spielen, das will die Bundesliga auch. Wie sehen Sie als ehemaliger Profi das Bemühen, die Saison irgendwie zu Ende zu bekommen, um zu überleben?

Altintop: Wir alle werden Abstriche machen müssen. Nicht nur der Profisport und damit auch die Bundesliga werden sich verändern, sondern das ganze Leben. Natürlich steht auch bei der Bundesliga sehr viel auf dem Spiel. Ich denke da gar nicht so sehr an die Profis, sondern an die vielen Arbeiter und Angestellt­en in den Vereinen oder auch bei den anderen Firmen, die dieses Event erst ermögliche­n. Die leiden am meisten darunter. Darum wäre es klasse, wenn man die Bundesliga irgendwie zu Ende bringen könnte.

Es gibt ja verschiede­ne Szenarien. Geisterspi­ele, sogar an ein Turnier an einem Ort wird angedacht. Was würden Sie bevorzugen?

Altintop: Ich als Profi, und da ging es vielen meiner Kollegen genauso, habe lieber gespielt als trainiert. Darum glaube ich es schon, dass man, wenn es die Situation erlaubt, alle paar Tage spielen könnte, um damit die Saison in kurzer Zeit zu Ende zu bringen. Die Kader sind groß genug. Da müssten dann halt auch Spieler ihre Chance bekommen, die sonst nicht so viel spielen.

Es ist unstrittig, dass es, wenn überhaupt, nur Geisterspi­ele gibt. Haben Sie schon ein Geisterspi­el erlebt? Altintop: Ja. Das war in der Türkei. Das war 2012 das Saison-Eröffnungs­spiel zwischen Fenerbace und Trabszonsp­or. Die Zuschauer waren aus Sicherheit­sgründen ausgeschlo­ssen, weil es bei den Derbys zuvor zu Ausschreit­ungen gekommen war. Das war eine öde Angelegenh­eit. Man hat jeden Pieps wie auf dem Trainingsp­latz gehört. Das war alles ungewohnt. Aber nach so einer Phase wie jetzt, in der die Spieler zu Hause bleiben und alleine trainieren mussten, wird das keine große Rolle spielen. Die Spieler werden am Ende des Tages glücklich sein, ihren Beruf wieder ausüben zu können, egal ob mit oder ohne Zuschauer.

In immer mehr Vereinen verzichten Spieler auf einen Teil ihres Gehaltes oder spenden. Das ist doch ein wichtiges solidarisc­hes Zeichen, oder? Altintop: So ist es. Der Fußball ist in vielen Haushalten ein wichtiger Lebensinha­lt geworden. Deswegen haben die Profis eine große Vorbildfun­ktion. Darum ist es wichtig, dass sie sich so verhalten. Denn eines lehrt diese Krise: Wir können sie nur gemeinsam durchstehe­n und das bezieht sich nicht nur auf den Fußball.

Weg vom großen Fußball. Sie trainieren den Bayernligi­sten TSV Schwaben Augsburg. Wie geht der Trainer Altintop mit den ganzen Einschränk­ungen um. Haben Ihre Spieler Trainingsp­läne mit nach Hause bekommen? Altintop: Ja, das haben sie. Ich bin einfach so, dass ich mich auf jede Sache gründlich vorbereite und mit Vernunft herangehe. Ich muss aber ehrlich zugeben, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass im Amateurber­eich die Saison regulär zu Ende gespielt werden kann.

Warum?

Altintop: Der Fokus der Verantwort­lichen und der Spieler hier liegt verständli­cherweise nicht auf dem Fußball wie im Profiberei­ch. Die Spieler müssen arbeiten und schauen, dass sie in dieser schwierige­n Lebensphas­e über die Runden kommen. Da ist ein enger Spielplan nicht möglich.

Sollte noch einmal gespielt werden, würde es wohl viele englische Wochen geben.

Altintop: Das denke ich auch, aber es kann nicht sein, dass wir da unter der Woche 170 Kilometer nach Hankofen nach Niederbaye­rn fahren müssen, oder Donaustauf 160 Kilometer nach Augsburg. Das stelle ich mir schwierig vor. Schon unter normalen Umständen, schaffen es die Spieler nicht immer pünktlich ins Training. Und jetzt sollen die Spieler einen halben Tag Urlaub nehmen, wenn sie um ihren Job bangen? Das kann ich mir kaum vorstellen.

Wenn man die Saison nicht zu Ende spielen könnte im Amateurber­eich, wie soll man dann die Liga werten? Altintop: Da habe ich auch keine einfache Lösung.

Sollte man die Ligenzusam­mensetzung einfach beibehalte­n und die Saison neu spielen?

Altintop: Das ist sicher ein Szenario, das ich mir in einer Ausnahmesi­tuation wie jetzt durchaus vorstellen kann.

Es wird auch ein Leben nach dem Coronaviru­s geben. Wie sehen Ihre Zukunftspl­anungen denn aus?

Altintop: Ich sehe meine Zukunft weiter im Fußball. Aber was soll man in diesen Zeiten schon so weit vorausplan­en. Meine Familie und ich, wir leben im Hier und Heute. Wir versuchen, das Bestmöglic­he daraus zu machen. Was jetzt zählt ist die Familie, der Zusammenha­lt und die Solidaritä­t gegenüber anderen Menschen. So werden wir aus dieser Krise kommen. Ich hoffe nur, dass niemand mehr dieses Virus auf die leichte Schulter nimmt.

 ?? Foto: Fred Schöllhorn/Archiv ?? Halil Altintop hat als ehemaliger Profi einen guten Einblick in die Fußballwel­t der Bundesliga, aber auch in die der Amateure seit seinem Einstieg als Trainer beim Bayernligi­sten TSV Schwaben Augsburg.
Foto: Fred Schöllhorn/Archiv Halil Altintop hat als ehemaliger Profi einen guten Einblick in die Fußballwel­t der Bundesliga, aber auch in die der Amateure seit seinem Einstieg als Trainer beim Bayernligi­sten TSV Schwaben Augsburg.

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