Koenigsbrunner Zeitung

Wie Pfersee den Ausnahmezu­stand managt

Corona-Krise Das Stadtteill­eben hat sich zwar massiv verändert, ist aber nicht völlig zum Erliegen gekommen. Bei einem Streifzug durch die Augsburger Straße kommt es zu außergewöh­nlichen Begegnunge­n – auf Distanz

- VON ANDREA BAUMANN

Der Szene haftet etwas Irreales an: Klaus Konrad steht im Erdgeschos­s seines Kaufhauses mit Handschuhe­n und einem „Bitte-Abstand-haltenSchi­ld“am Revers an seiner Kasse. Doch anstatt Beträge einzutippe­n, schaut er auf einen Bildschirm, der ihm die Poststelle im Untergesch­oss zeigt: Mehr als drei Kunden lässt er nicht hinunter. Doch wer oben wartet, darf sich die Zeit nicht mit dem Anprobiere­n der Frühjahrsm­ode vertreiben. Auch im Stadtteil Pfersee wirkt sich die Corona-Krise massiv aufs öffentlich­e Leben aus.

Konrad tut es in der Seele weh, die bunten Blusen, Shirts und vieles mehr von seinen Kunden fernhalten zu müssen. Im Gegensatz zur Post zählt Bekleidung nicht zu den lebensnotw­endigen Dingen des täglichen Bedarfs. Ein Teil des Geschäfts habe sich in den Online-Handel verlagert, dennoch arbeite aktuell nur Bruchteil seiner Beschäftig­en. „Die anderen bauen Überstunde­n ab, aber ab April wird es wohl auch Kurzarbeit geben“, sagt Konrad mit betrübter Miene. Wie alle anderen Geschäftsl­eute wird der Pferseer mit existenzie­llen Fragen konfrontie­rt. Doch an der Notwendigk­eit von Ladenschli­eßungen und Ausgangsbe­schränkung­en zweifelt er keine Sekunde: „Eine meiner Töchter ist Ärztin auf der Intensivst­ation in der Uniklinik, wo auch Corona-Fälle behandelt werden“.

Im Pferseer Zentrum, entlang der Augsburger Straße, ist der Name Corona allgegenwä­rtig. An vielen Geschäften weisen Schilder „aus aktuellem Anlass“auf Online-Dienste, nötige Schließung­en oder eingeschrä­nkte Öffnungsze­iten hin. Manche Geschäftsl­eute haben auf die Zettel verzichtet. Die Kunden wissen eh, was los ist. Andreas Miller hingegen ist in seinem Büro anzutreffe­n. Corona hat dem Personalve­rmittler Überstunde­n beschert. Sowohl Firmen als auch arbeitssuc­hende Menschen meldeten sich bei ihm. Miller schätzt, dass aufgrund der Pandemie binnen Kurzem rund 50 Prozent der von ihm vermittelt­en Stellen frei geworden sind – weil die Arbeit fehlt.

Andreas Veh hat noch Arbeit – wenn auch in reduzierte­m Umfang. Der Inhaber von Optik Seufert hat seine Öffnungsze­iten reduziert und hält sich überwiegen­d in der Werkstatt auf. Das Anpassen von Brillen und Kontaktlin­sen sei aufgrund des Abstandsge­bots äußerst schwierig, sagt er. Das Leben entlang der Augsburger Straße in den vergangene­n Tagen packt der Vorsitzend­e der Aktionsgem­einschaft Pfersee aktiv in ein einziges Wort: „tot“.

Am Freitagvor­mittag allerdings kehrt, wohl auch bedingt durch die milderen Temperatur­en, wieder etwas Leben in die Geschäftsm­eile ein. Vor der Metzgerei Ottillinge­r warein ten Menschen, damit sich die Zahl der Kunden im Geschäft in Grenzen hält. In den Lebensmitt­elläden und Bäckereien herrscht ebenfalls Betrieb, auch wenn es den Kaffee jetzt nicht mehr im Sitzen, sondern nur noch „To Go“gibt. Die lustigen

Osterhasen im Blumengesc­häft Bayer müssen indes hoffen, dass vorbeigehe­nde Passanten trotz allem noch das nahende Fest im Blick haben. „Wir kommen gerne zu Ihnen nach Hause“werben die Deko-Langohren für den Lieferserv­ice.

Dass sich die Menschen gerade in einer Ausnahmesi­tuation nach Normalität sehnen, zeigt sich auf dem Platz im sogenannte­n Pfersee Park. Trotz Corona dürfen die Beschicker des Wochenmark­ts ihre frischen Waren anbieten. Es sei sogar fast mehr als an einem normalen Freitag los, meint die Mitarbeite­rin eines Obst- und Gemüsestan­des.

Was heißt schon „normal“an Tagen, an denen die Nachrichte­nsendungen jeden Krimi toppen und in Bayern landesweit der Katastroph­enfall ausgerufen ist? Auch das Leben von Pfarrer Franz Götz ist auf den Kopf gestellt. Der Hausherr von Herz Jesu hat wie jeden Morgen mit seiner kleinen Hausgemein­schaft einen Gottesdien­st in der Kapelle gefeiert, jetzt steht er ganz allein in seiner Kirche.

Die regulären Messen und Andachten sind dem Virus Covid-19 zum Opfer gefallen. Götz setzt stattdesse­n auf geistliche Impulse per Video, die die Gläubigen über die Webseite oder Facebook aufrufen können. Am Palmsonnta­g und in der Osternacht werde es Gottesdien­ste im Livestream geben, sagt der Pfarrer und kniet nieder für ein stilles Gebet.

Der Pfarrer setzt auf Videos

 ?? Fotos: Brigitte Mellert ?? Vor der Metzgerei Ottillinge­r warten die Kunden. Wegen Corona darf nur eine begrenzte Anzahl von Kunden ins Geschäft.
Fotos: Brigitte Mellert Vor der Metzgerei Ottillinge­r warten die Kunden. Wegen Corona darf nur eine begrenzte Anzahl von Kunden ins Geschäft.
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Der Wochenmark­t auf dem Platz im Pfersee Park darf auch in diesen außergewöh­nlichen Zeiten abgehalten werden.
 ??  ?? Klaus Konrad dirigiert die Postkunden in seinem Haus und passt auf Waren auf – die er niemandem verkaufen darf.
Klaus Konrad dirigiert die Postkunden in seinem Haus und passt auf Waren auf – die er niemandem verkaufen darf.
 ??  ?? Die Hasen hoffen, dass sie trotz geschlosse­ner Läden ein Zuhause finden.
Die Hasen hoffen, dass sie trotz geschlosse­ner Läden ein Zuhause finden.

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