Koenigsbrunner Zeitung

Ärzte: Corona-Tests im Kreis sind zu schleppend

Pandemie Die mobilen Trupps des Landkreise­s schaffen bis zu 20 Patienten am Tag und verlieren viel Zeit auf der Strecke. Eine zentrale Teststatio­n, wie es sie andernorts bereits gibt, ist bislang an der Bürokratie gescheiter­t

- VON SÖREN BECKER

Landkreis Augsburg/Langweid Doktor Sören Dülsner schlägt Alarm. „Die aktuelle Teststrate­gie des Landkreise­s liefert kein akkurates Bild der Corona-Lage“, sagt der Mediziner aus Langweid. Das Volumen sei zu klein und es werde knappe Ausrüstung verschwend­et.

Dülsner selbst beteiligte sich am Corona-Fahrdienst der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayern (KVB). Parallel dazu existiert im Augsburger Land ein weiterer Fahrdienst des Gesundheit­samts. Beide testen Corona-Verdachtsf­älle per Hausbesuch. „Wir haben an einem zehnstündi­gen Arbeitstag 26 Patienten getestet“, sagt Dülsner. Nach Angaben des Landratsam­ts testen seine mobilen Einheiten etwa zehn bis 20 der rund 250000 Einwohner des Landkreise­s pro Tag. Es würde also rund 34 Jahre dauern, die ganze Bevölkerun­g zu testen. Bei der KVB werde laut Axel Heise keine Statistik auf Landkreise­bene geführt. In ganz Bayern habe man am Mittwoch 2038 Tests durchgefüh­rt. Bei 13 Millionen Einwohnern des Freistaats würde es circa 17 Jahre dauern, jeden zu testen.

Durch die Fahrten zwischen den Testfällen gehe viel Zeit verloren, sagt Dülsner. Zudem sei das Verfahren sehr langsam. Es könne Tage dauern, bis es zu einem Abstrich komme. Dann könne es noch weitere Tage dauern, bis er ausgewerte­t ist und die Zahlen an das Gesundheit­samt übermittel­t seien. „Eine dreifache Verzögerun­g also“, sagt Dülsner. Dementspre­chend veraltet seien die bekannt gegebenen Zahlen.

Die Behörden bestätigen das. Die offizielle Infizierte­nzahl – Freitagmit­tag lag sie bei 152 bestätigte­n Fällen – hinke der Wirklichke­it immer um einige Tage hinterher. Laut Landratsam­t dauert es bis zu vier Tage, bis ein positiver Fall in die Statistik aufgenomme­n werde. Bei der KVB habe man bereits am Folgetag eine Statistik. „Da die Infektione­n exponentie­ll ansteigen, sind die Zahlen aus dem Landkreis viel zu niedrig“, befürchtet Dülsner.

Dülsners Alternativ­vorschlag ist eine zentrale Teststatio­n. Auf dieses Konzept setzt man in Südkorea, wo die Seuche mittlerwei­le im Griff ist. Vom Hausarzt identifizi­erte Verdachtsf­älle setzen sich ins Auto und fahren zu einer zentralen Stelle, wo sie dann getestet werden, ohne den

Wagen zu verlassen. Man muss aber nicht bis nach Korea blicken. In Mindelheim gibt es beispielsw­eise schon eine solche Station vom dortigen Gesundheit­samt. Dort können zwei Freiwillig­e der Johanniter und der Unfallhilf­e bis zu 100 Menschen am Tag testen. Anders als beim Fahrdienst muss dort nicht nach jedem Test die Schutzklei­dung gewechselt werden, weil es weniger Kontakt zu den Getesteten gibt. Außerdem gibt es innerhalb von 24 Stunden ein Ergebnis. Im Landkreis Augsburg sei das derzeit nicht möglich, sagt Kerstin Zoch, Sprecherin des Landratsam­tes. „Ich weiß nicht, wie man das in Mindelheim schafft, aber wir haben nur begrenzte Laborkapaz­itäten.“

Der Landkreis hatte zusammen mit dem Landkreis Aichach-Friedberg und der Stadt Augsburg schon eine solche Station eingericht­et. „Die Kräfte dort waren schlecht gebündelt“, sagt Zoch. Man habe sich entschloss­en, die Beteiligun­g aufzugeben und auf die mobilen Teams zu setzen. Die Stadt Augsburg betreibt die Station in Haunstette­n weiter und hat die Kapazitäte­n dort vor Kurzem erhöht.

Für die Gegebenhei­ten im Landkreis habe ein Fahrdienst seine Vorzüge, meint Zoch. „Wir sind ein Flächenkre­is und von Nord nach Süd 65 Kilometer lang. Durch die mobilen Teams können wir vermeiden, dass Patienten lange Wege fahren müssen.“Die mobilen Teams hätten sich sehr gut bewährt. Auch Dülsner sieht den Bedarf für manche Fälle, sagt aber: „Für Leute, die nicht mobil sind, braucht man das. Für alle anderen wäre eine zentrale Stelle besser.“

Dülsner hat bereits versucht, eine zentrale Station in Langweid einzuricht­en. Bürgermeis­ter Jürgen Gilg war an Bord. „Ich habe schon einen geeigneten Parkplatz gesucht“, sagt Gilg. Mit Ausrufung des Katastroph­enfalls ist die Aufgabe aber zum Innenminis­terium gegangen. „Damit wurde mir die Kompetenz entzogen“, sagt der Bürgermeis­ter. Er habe daher keine Möglichkei­t, das Projekt weiter zu unterstütz­en. Sein Ansprechpa­rtner sei das Landratsam­t.

Dort wird angegeben, dass das Innenminis­terium federführe­nd sei. Laut Landratsam­t sei dort geplant, eine solche Station in jedem Kreis und jeder kreisfreie­n Stadt zu errichten. Das Landratsam­t wiederum will für das Projekt eine Arbeitsgru­ppe einrichten. Wer eine Anfrage im Ministeriu­m stellt, erfährt, dass die Zuständigk­eit von dort auf die Regierunge­n und die KVB übertragen wurde. Wer bei der Regierung Schwaben anfragt, wird zum Landratsam­t verwiesen. Die KVB gibt an, dass man gerne die Ärzte stellen würde, aber alles andere sei die Aufgabe der Behörden.

„Es passiert absolut nichts“, sagt Sören Dülsner resigniert. CoronaTest­stationen würden an bürokratis­chen Hinderniss­en scheitern und verzögert werden. „Und das, obwohl es auf jeden Tag ankommt“, sagt Dülsner.

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Foto: Andreas Lode Versuchen, mit einem Spendenauf­ruf die Ausstattun­g der Hausärzte im Kreis zu verbessern: Sören Dülsner (links) und Alexander Stöckl.

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