Betrifft: Helmut
Neulich mal wieder auf dem Friedhof gewesen. Im Schaukasten neben der Aussegnungshalle hängt eine Vermisstenanzeige. Schmerzlich vermisst wird Helmut. „Es handelt sich bei ihm höchstwahrscheinlich um einen Streuner“, steht da hinter Glas.
Die Friedhofsmitarbeiter, denen Helmut abgeht, schreiben: „Wir haben ihm ein Dach über dem Kopf gegeben und uns fleißig um ihn gekümmert – jeder hat ihn bei uns gekannt.“Nun ist Helmut verschwunden. „Das genaue Alter von Helmut können wir nicht sagen – aber allzu alt ist er nicht.“Schon länger ist dieser Helmut nicht mehr aufgetaucht auf dem Friedhof. „Wir machen uns große Sorgen um ihn.“
Helmut, der Streuner, ist eine weiße Katze „mit schwarzbraun getigerten Stellen.“Genauer: Helmut ist „ein Friedhofskaterle“, wie jene schreiben, die ihn so mögen. Wie viel Alltagspoesie und Sanftheit aus dieser Vermisstenanzeige spricht, die weit über einen gewöhnlichen „Entlaufen“-Steckbrief hinausgeht! Welcher Erzählstoff da im Schatten der Grabreihen ausgestellt ist! Möglicherweise hat Helmut eine Vorahnung gehabt, ein mulmiges Gefühl und ist deshalb verschwunden? Darauf jedenfalls deutet jene Passage hin, in der die Friedhofsleute schreiben: „Helmut ist nicht kastriert – das wollten wir aber in Angriff nehmen; leider ist er seither nicht mehr aufgetaucht.“
Helmuts Wesen? „Helmut ist äußerst neugierig, kommt zu jedem her & hüpft auch mal gern in Kofferräume von Autos.“Ist er in ein offenes Grab gesprungen, das er mit einem Kofferraum verwechselt haben könnte? Sehr unwahrscheinlich.
Es sind seit Helmuts letzter Sichtung Wochen, ja Monate vergangen. Er bleibt verschwunden, das Fahndungsblatt bleibt hängen. „Wir möchten einfach nur Gewissheit haben, was mit ihm passiert ist“, schreiben seine Freunde vom Friedhof.