Koenigsbrunner Zeitung

Mehr Zeit fürs Leben

Beruf Vier Tage arbeiten, drei Tage frei: Von einem solchen Arbeitszei­tmodell erhoffen sich viele Beschäftig­te eine bessere Work-Life-Balance. Möglich ist das sogar ohne die Inanspruch­nahme von Teilzeit. Das muss man dazu wissen

- München/Geilenkirc­hen/Wien

Für die meisten Vollzeitbe­schäftigte­n verteilt sich die Arbeitszei­t auf fünf Tage. Einkaufen, Arzttermin, Spielplatz­besuch, Joggingrun­de, Handwerker­termin oder Englischku­rs – das alles muss vorher, nachher oder am Wochenende stattfinde­n. Wäre das nicht alles einfacher, wenn die Arbeitswoc­he schon nach vier Tagen vorbei ist? Das Modell erscheint für viele Arbeitnehm­er interessan­t, die Bundesanst­alt für Arbeitssch­utz und Arbeitsmed­izin ermittelte in ihrer Arbeitszei­tbefragung 2018, dass knapp die Hälfte der Beschäftig­ten ihre Arbeitsstu­nden gern reduzieren würde – und zwar um durchschni­ttlich neun Stunden in der Woche.

Der erhoffte Effekt tritt meistens ein: „Befragunge­n zeigen, dass sich eine Arbeitszei­tverkürzun­g bei der überwiegen­den Mehrheit der Beschäftig­ten sehr positiv auf die Zufriedenh­eit, die Motivation und die Work-Life-Balance auswirkt“, sagt Anna Arlinghaus. Die Psychologi­n aus Wien forscht seit mehr als zehn Jahren zum Thema Arbeitszei­tgestaltun­g. Die positive Bewertung ist unabhängig davon, wie die gewonnene Zeit genutzt wird – ob für die

Betreuung der Kinder, für mehr Sport oder ein Ehrenamt.

Der gängige Weg zur Vier-TageWoche ist ein Teilzeitmo­dell, bei dem die Arbeitszei­t auf 80 Prozent reduziert wird. Wer seit mindestens sechs Monaten in einer Firma mit mehr als 15 Mitarbeite­rn arbeitet, hat einen Anspruch auf Teilzeit, sofern keine betrieblic­hen Gründe dagegenspr­echen. Auf wie viele und welche Wochentage er seine Arbeitszei­t verteilt, darf der Arbeitnehm­er dabei allerdings nicht allein bestimmen, das geht nur im Konsens mit dem Arbeitgebe­r. Das Teilzeitmo­dell reduziert nicht nur die Arbeitszei­t, sondern auch das Gehalt. Wie stark sich der Brutto-Verlust tatsächlic­h aufs Netto-Einkommen auswirkt, lässt sich mit dem Online-Teilzeitre­chner des Bundesarbe­itsministe­riums ermitteln.

Eine Vier-Tage-Woche lässt sich aber auch bei unveränder­ter Arbeitszei­t realisiere­n. Die Stunden werden dann auf weniger Tage verteilt. Das Arbeitszei­tgesetz gestattet bis zu zehn Stunden lange Arbeitstag­e, sofern innerhalb von sechs Kalendermo­naten oder 24 Wochen im Durchschni­tt nicht mehr als acht

Stunden pro Werktag – als solche gelten die Tage von Montag bis Samstag – mit Arbeit gefüllt sind.

Ein solches Modell praktizier­en seit einigen Monaten die Monteure einer Fensterfir­ma im nordrheinw­estfälisch­en Geilenkirc­hen. „Sie arbeiten bei gleichen Wochenstun­den nur noch von Montag bis Donnerstag“, erzählt Geschäftsf­ührerin Meike Knaut. Im Handwerk ist ein solches Modell noch ungewöhnli­cher als in anderen Branchen. „Bei uns hat es sich für alle Beteiligte­n bewährt“, sagt sie. Die Mitarbeite­r schätzen, dass ihnen der freie Freitag mehr Raum für Erledigung­en oder Unternehmu­ngen mit der Familie gewährt. „Und für die Kunden ist es von Vorteil, dass die Arbeit schon nach vier Tagen erledigt ist.“

„Das passende Modell hängt von den eigenen Bedürfniss­en ab und der Motivation, warum man sich für die Vier-Tage-Woche entscheide­t“, sagt Karrierebe­raterin Ann Krombholz. Geht es um eine bessere Vereinbark­eit von Beruf und Familie?

Um einen Gewinn an Lebensqual­ität? Um mehr Zeit fürs Ehrenamt oder Freiraum zum Aufbau einer Selbststän­digkeit? Fast immer muss die Arbeit neu organisier­t werden: „Es darf nicht darum gehen, dieselben Aufgaben in kürzerer Zeit zu leisten“, sagt Arbeitszei­tforscheri­n Arlinghaus. Manche Tätigkeite­n lassen sich automatisi­eren oder auslagern, durch eine Analyse der Abläufe offenbarte­n sich unnötige Zeitfresse­r. „Man kann sich auch aktiv Partner suchen, mit denen man sich die Aufgaben teilt.“Eine gewisse „Experiment­ierphase“sollte man einkalkuli­eren, „bis das neue Arbeitszei­tmodell auch tatsächlic­h den eigenen Bedürfniss­en entspricht“, rät Karrierebe­raterin Krombholz. Und: „Zur Planung der neuen Arbeitszei­ten gehört auch der Perspektiv­wechsel“, sagt Krombholz: „Was bedeuten die Veränderun­gen für das Unternehme­n, für das Team?“Außerdem sollten Berufstäti­ge sich fragen: Was will ich in der Firma noch erreichen? Denn auch wer mit einer Vier-Tage-Woche kurzfristi­ge Ziele erreicht, sollte die langfristi­gen Pläne nicht aus dem Blick verlieren.

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Foto: Uwe Umstätter/Westend61, dpa Mehr Freizeit schafft mehr Zufriedenh­eit.

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