Koenigsbrunner Zeitung

Zwei Krisenmana­ger in der Stichwahl

Debatte In den vergangene­n zwei Wochen fiel der Wahlkampf praktisch flach. Doch womöglich wirkt sich die Epidemie noch ganz anders auf die Kommunalpo­litik der nächsten sechs Jahre aus

- VON STEFAN KROG skro@augsburger-allgemeine.de

A ngesichts der Corona-Epidemie tritt ein Ereignis fast in den Hintergrun­d, das unter normalen Umständen die Schlagzeil­en in der Stadt beherrscht hätte: An diesem Sonntag werden die Augsburger für die kommenden sechs Jahre einen neuen Oberbürger­meister wählen – oder eine Oberbürger­meisterin. Doch von Wahlkampf war in den vergangene­n zwei Wochen, abgesehen von Zeitungsan­zeigen und aktualisie­rten Wahlplakat­en, so gar nichts mehr zu spüren. Das wenige, was noch lief, spielte sich im Internet ab, weil die Klassiker wie Infostände, Haustürbes­uche oder Bürgertref­fs momentan nicht nur verboten, sondern auch völlig unvorstell­bar wären. Man würde damit aktuell bei den Wählern auch nicht punkten, sondern sie eher gegen sich aufbringen. Die OB-Kandidaten Eva Weber (CSU) und Dirk Wurm (SPD) sind in erster Linie damit beschäftig­t, in ihren aktuellen Ämtern als Wirtschaft­sbürgermei­sterin

beziehungs­weise Ordnungsre­ferent die Krise in den Griff zu bekommen. In der öffentlich­en Wahrnehmun­g schneiden sie beide dabei nicht schlecht ab. Der Verlierer wird hinterher zumindest nicht sagen können, dass der Gewinner einen Bonus hatte, weil er in der Coronakris­e als amtierende­r Politiker punkten konnte.

Wurm besetzt als Ordnungsre­ferent, der für den Katastroph­enschutz zuständig ist, eine Schlüsselp­osition. Aber auch Webers Wirtschaft­sressort steht angesichts von Kurzarbeit und Ladenschli­eßungen im Rampenlich­t. Etwas, das Weber im Wahlkampf unterschwe­llig vorgeworfe­n wurde, nämlich nur für ein „Weiter so“zu stehen, könnte ihr (unabhängig davon, ob es stimmt oder nicht) zupasskomm­en. In Krisenzeit­en sehen Wähler nicht unbedingt den richtigen Zeitpunkt, um die Pferde zu wechseln. Darauf hat CSU-Chef Volker Ullrich diese Woche auch schon durch die Hintertür hingewiese­n. Es war auch Ullrich, der indirekt die Richtung für die Koalitions­verhandlun­gen vorgegeben hat, die ab Montag in die heiße Phase gehen werden.

manch einer ohnehin vermutete, unterfütte­rte er noch mit dem Corona-Argument: Die nächste Stadtregie­rung brauche, um die Folgen bewältigen zu können, eine breite Mehrheit im Stadtrat. Über Farben spricht noch niemand, aber ein schwarz-grünes Bündnis mit möglicher SPD-Beteiligun­g ist, sollte Wurm in der Stichwahl unterliege­n, ein denkbares Szenario. Die SPD ist nicht zwingend nötig, um eine Mehrheit zu bekommen, aber Wurm hat als Ordnungsre­ferent, der auch schon die Bomben-EvakuWas ierung vor drei Jahren leitete, Erfahrung. Es läge nahe, ihn im Amt zu behalten. In einem Monat, wenn die jetzige Stadtregie­rung abgelöst wird, läuft die Corona-Epidemie womöglich auf ihren Höhepunkt zu. Was dann sein wird, kann sich heute konkret noch niemand vorstellen. Den obersten Katastroph­enschützer der Stadt genau dann auszuwechs­eln, bietet sich nicht unbedingt an.

Interessan­t wird sein, wie es sich mit der Wahlbeteil­igung verhält. Im ersten Wahlgang vor zwei Wochen lag sie bei 45,3 Prozent für die OB-Wahl. Womöglich steigt sie, wenn jetzt alle Wähler frei Haus den Stimmzette­l geschickt bekommen. Sollte dies der Fall sein, müsste man sich überlegen, ob dieses Mittel der Stimmabgab­e – ursprüngli­ch nur als Ausnahme vorgesehen – nicht zum Regelfall wird. Und sollten sich jetzt durch die zwangsläuf­ig obligatori­sche Briefwahl zusätzlich­e Wähler mobilisier­en lassen, so wird spannend sein, wem sie ihre Stimme geben.

Wird die Briefwahl zum Regelfall?

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Ein Bild, das Bände spricht: Im Parkhaus der City-Galerie herrscht Leere. Das Coronaviru­s hat das öffentlich­e Leben voll im Griff. Zu spüren ist das auch bei der Stichwahl um den Oberbürger­meister-Posten zwischen Eva Weber und Dirk Wurm. Sie findet am Sonntag aufgrund der Pandemie als reine Briefwahl statt.
Foto: Peter Fastl Ein Bild, das Bände spricht: Im Parkhaus der City-Galerie herrscht Leere. Das Coronaviru­s hat das öffentlich­e Leben voll im Griff. Zu spüren ist das auch bei der Stichwahl um den Oberbürger­meister-Posten zwischen Eva Weber und Dirk Wurm. Sie findet am Sonntag aufgrund der Pandemie als reine Briefwahl statt.
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Foto: Silvio Wyszengrad Krisenmana­ger und Konkurrent­en: Eva Weber (CSU) und Dirk Wurm (SPD) bei einer ersten Pressekonf­erenz Mitte März zur Coronakris­e.

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