Zwei Krisenmanager in der Stichwahl
Debatte In den vergangenen zwei Wochen fiel der Wahlkampf praktisch flach. Doch womöglich wirkt sich die Epidemie noch ganz anders auf die Kommunalpolitik der nächsten sechs Jahre aus
A ngesichts der Corona-Epidemie tritt ein Ereignis fast in den Hintergrund, das unter normalen Umständen die Schlagzeilen in der Stadt beherrscht hätte: An diesem Sonntag werden die Augsburger für die kommenden sechs Jahre einen neuen Oberbürgermeister wählen – oder eine Oberbürgermeisterin. Doch von Wahlkampf war in den vergangenen zwei Wochen, abgesehen von Zeitungsanzeigen und aktualisierten Wahlplakaten, so gar nichts mehr zu spüren. Das wenige, was noch lief, spielte sich im Internet ab, weil die Klassiker wie Infostände, Haustürbesuche oder Bürgertreffs momentan nicht nur verboten, sondern auch völlig unvorstellbar wären. Man würde damit aktuell bei den Wählern auch nicht punkten, sondern sie eher gegen sich aufbringen. Die OB-Kandidaten Eva Weber (CSU) und Dirk Wurm (SPD) sind in erster Linie damit beschäftigt, in ihren aktuellen Ämtern als Wirtschaftsbürgermeisterin
beziehungsweise Ordnungsreferent die Krise in den Griff zu bekommen. In der öffentlichen Wahrnehmung schneiden sie beide dabei nicht schlecht ab. Der Verlierer wird hinterher zumindest nicht sagen können, dass der Gewinner einen Bonus hatte, weil er in der Coronakrise als amtierender Politiker punkten konnte.
Wurm besetzt als Ordnungsreferent, der für den Katastrophenschutz zuständig ist, eine Schlüsselposition. Aber auch Webers Wirtschaftsressort steht angesichts von Kurzarbeit und Ladenschließungen im Rampenlicht. Etwas, das Weber im Wahlkampf unterschwellig vorgeworfen wurde, nämlich nur für ein „Weiter so“zu stehen, könnte ihr (unabhängig davon, ob es stimmt oder nicht) zupasskommen. In Krisenzeiten sehen Wähler nicht unbedingt den richtigen Zeitpunkt, um die Pferde zu wechseln. Darauf hat CSU-Chef Volker Ullrich diese Woche auch schon durch die Hintertür hingewiesen. Es war auch Ullrich, der indirekt die Richtung für die Koalitionsverhandlungen vorgegeben hat, die ab Montag in die heiße Phase gehen werden.
manch einer ohnehin vermutete, unterfütterte er noch mit dem Corona-Argument: Die nächste Stadtregierung brauche, um die Folgen bewältigen zu können, eine breite Mehrheit im Stadtrat. Über Farben spricht noch niemand, aber ein schwarz-grünes Bündnis mit möglicher SPD-Beteiligung ist, sollte Wurm in der Stichwahl unterliegen, ein denkbares Szenario. Die SPD ist nicht zwingend nötig, um eine Mehrheit zu bekommen, aber Wurm hat als Ordnungsreferent, der auch schon die Bomben-EvakuWas ierung vor drei Jahren leitete, Erfahrung. Es läge nahe, ihn im Amt zu behalten. In einem Monat, wenn die jetzige Stadtregierung abgelöst wird, läuft die Corona-Epidemie womöglich auf ihren Höhepunkt zu. Was dann sein wird, kann sich heute konkret noch niemand vorstellen. Den obersten Katastrophenschützer der Stadt genau dann auszuwechseln, bietet sich nicht unbedingt an.
Interessant wird sein, wie es sich mit der Wahlbeteiligung verhält. Im ersten Wahlgang vor zwei Wochen lag sie bei 45,3 Prozent für die OB-Wahl. Womöglich steigt sie, wenn jetzt alle Wähler frei Haus den Stimmzettel geschickt bekommen. Sollte dies der Fall sein, müsste man sich überlegen, ob dieses Mittel der Stimmabgabe – ursprünglich nur als Ausnahme vorgesehen – nicht zum Regelfall wird. Und sollten sich jetzt durch die zwangsläufig obligatorische Briefwahl zusätzliche Wähler mobilisieren lassen, so wird spannend sein, wem sie ihre Stimme geben.
Wird die Briefwahl zum Regelfall?