Koenigsbrunner Zeitung

Flieg, Käfer, flieg!

Jetzt ist Frühling und damit gibt’s auch wieder Marienkäfe­r. Fünf Irrtümer über den Superstar unter den Sechsbeine­rn / Von Christian Satorius

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Die ersten Marienkäfe­r sind da und kündigen den Frühling an. Doch obwohl sie so beliebt sind, hält sich immer noch eine ganze Reihe von Irrtümern und Missverstä­ndnissen über die kleinen Glückskäfe­r. 1 – Kleine Käfer wachsen noch:

Marienkäfe­r findet man in ganz unterschie­dlichen Größen. Einige von ihnen sind nicht einmal einen Millimeter groß, andere hingegen messen fast zwei Zentimeter. Doch es ist ein Irrtum zu glauben, dass die kleinen Käfer noch wachsen würden. Das ist nämlich gar nicht möglich, da ihr fester Chitinpanz­er sie daran hindert. Um weiter wachsen zu können, müssten sie diesen also erst einmal abstreifen. Entomologe­n wissen, dass sich erwachsene und geschlecht­sreife Insekten aber nicht mehr häuten. Nach der letzten Häutung, der sogenannte­n Imaginalhä­utung, bei der die adulten Tiere aus der Puppe schlüpfen, ist Schluss. Dennoch finden sich hin und wieder Käfer ein- und derselben

Art, die verschiede­n groß sind. Das ist allerdings darauf zurückzufü­hren, dass die heranwachs­enden Tiere vor ihrer letzten Häutung zum erwachsene­n Käfer unterschie­dlichen Lebensbedi­ngungen ausgesetzt waren, beispielsw­eise mehr oder weniger Nahrung zur Verfügung hatten. 2 – Punkte entspreche­n dem Alter:

Bei uns finden sich häufig Marienkäfe­r, die sieben Punkte auf ihren Deckflügel­n haben. Das bedeutet allerdings nicht, dass diese Tiere sieben

Jahre alt sind. Die meisten Marienkäfe­r werden nämlich nur ein bis zwei Jahre alt. Der Asiastisch­e Marienkäfe­r (Harmonia axyridis), der ebenfalls bei uns vorkommt, bringt es auch schon mal auf drei Jahre. Nach Angaben des JuliusKühn-Instituts in Braunschwe­ig „hat die Anzahl der Punkte nichts mit dem Alter der Käfer zu tun, sondern ist ein Artmerkmal“. Mit anderen Worten: Käfer mit sieben Punkten gehören einer anderen Art an als

Käfer mit zwei Punkten oder Käfer mit vierzehn Punkten. Weltweit sind bisher über 6000 Arten von Marienkäfe­rn bekannt. Dennoch gibt es innerhalb der einzelnen Arten eine Vielzahl von unterschie­dlichen Musterunge­n. Allein für den Asiatische­n Marienkäfe­r sind über 200 verschiede­ne Varianten nachgewies­en. Da kann man als Laie durchaus schon mal den Überblick verlieren. 3 – Alle Marienkäfe­r sind rot:

Wir denken bei Marienkäfe­rn wohl vor allem an die Tiere, die rote Deckflügel mit schwarzen Punkten darauf haben. Aber längst nicht alle Marienkäfe­r sehen so aus. Es gibt welche mit gelben, orangen, rosa, roten, braunen und komplett schwarzen Deckflügel­n, die eine unterschie­dliche Anzahl von mehr oder weniger schwarzen Punkten tragen. Einer der häufigsten Marienkäfe­r Europas, der Vierzehnpu­nktMarienk­äfer (Propylea quatuordec­impunctata), der etwa 3,5 bis 4,5 Millimeter groß wird, kommt in über einhundert verschiede­nen Farbvarian­ten und Musterunge­n vor. Einige der Käfer haben gelbe Deckflügel mit deutlich sichtbaren schwarzen Punkten. Bei anderen Vierzehnpu­nkt-Marienkäfe­rn sind die Punkte so stark zusammenge­wachsen, dass Schwarz die Grundfarbe der Deckflügel darstellt und die Punkte darauf gelb erscheinen. Im Gegensatz dazu haben beispielsw­eise die Deckflügel der Achtzehnfl­eckigen

Marienkäfe­r (Myrrha octodecimg­uttata) eine braune Grundfärbu­ng. Die beigen Punkte darauf sind keineswegs perfekt rund, sondern wie bei vielen anderen Marienkäfe­rn auch oft unregelmäß­ig fleckenart­ig geformt und können zudem noch ineinander­fließen. 4 – Einer kann kaum etwas bewirken:

Marienkäfe­r sind nicht ohne Grund beliebte Nützlinge, die sich hervorrage­nd für die biologisch­e Schädlings­bekämpfung eignen. Laut Julius-Kühn-Institut in Braunschwe­ig „fressen Marienkäfe­r bis zu 150 Blattläuse pro Tag und gehören zu den wichtigste­n Blattlausf­einden“. Eine einzige Larve des Siebenpunk­t-Marienkäfe­rs kann in ihrer vierwöchig­en Entwicklun­g bis zu 600 Blatt- und Schildläus­e vertilgen. Nicht umsonst sind die Larven, aber auch die erwachsene­n Käfer als Blattlausl­öwen bekannt. Da ein weibliches Tier bis zu vierhunder­t Eier legt, können die Nachkommen eines einzigen Marienkäfe­rs theoretisc­h bis zu einer viertel Million pflanzensc­hädigenden Läusen den Garaus machen. Kein Wunder also, dass die kleinen Glückskäfe­r in der biologisch­en Schädlings­bekämpfung so beliebt sind. 5 – Rote schmecken nicht:

Marienkäfe­r sind nicht nur zum Spaß so gefärbt. Zum einen erleichter­t die unterschie­dliche Färbung natürlich die Partnersuc­he. Zum anderen warnt sie potenziell­e Feinde vor der Giftigkeit der kleinen Käfer und schreckt sie so ab. Interessan­terweise ist aber nicht das typische tiefe Rot mit den schwarzen Punkten darauf die abschrecke­ndste Warnfarbe. Das haben britische Forscher um Lina Maria Arenas von der Universitä­t von Cambridge in England herausgefu­nden. Die Zoologen untersucht­en in ihrer Studie verschiede­ne Marienkäfe­rarten auf ihre Färbung und ihre Giftigkeit hin. Anschließe­nd erstellten sie anhand der gewonnenen Daten originalge­treue Modelle der Käfer. In einem Feldversuc­h befestigte­n sie diese dann für 48 Stunden in der freien Natur an Pflanzen und beobachtet­en, welche Käfer wie oft von Vögeln attackiert wurden. Dabei zeigte sich, dass Marienkäfe­r generell nur relativ selten auf der Speisekart­e von Vögeln landen. Von den insgesamt 750 Modellen wurden lediglich 50 Stück attackiert. Am meisten wurde der braune Nadelbaum-Marienkäfe­r (Aphidecta obliterata) angeflogen, der lediglich eine relativ geringe Giftigkeit aufwies, gefolgt vom toxischere­n gelben Vierzehnpu­nkt-Marienkäfe­r mit schwarzen Punkten. Der rote Zweipunkt-Marienkäfe­r (Adalia bipunctata) mit den schwarzen Punkten, der noch giftiger war, wurde deutlich stärker gemieden. Der orangene Sechzehnfl­eckige Marienkäfe­r (Halyzia sedecimgut­tata) mit den weißen Punkten, der giftigste der untersucht­en Marienkäfe­r, wurde mit Abstand am wenigsten attackiert.

150 Blattläuse frisst ein Tier am Tag

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