Koenigsbrunner Zeitung

Die Ängste der Hunde

Welche Rassen für welche Probleme besonders anfällig sind / Von Alice Lanzke

-

Feuerwerk, Donner, Schüsse: Solche Geräusche lassen viele Hunde angsterfül­lt unterm Bett kauern. Etwa ein Drittel der Hunde leidet darunter, Herrchen und Frauchen mit. Zu diesem Ergebnis kam eine Untersuchu­ng der Universitä­t Helsinki. Das Team um den Genetiker Hannes Lohi ließ dafür 13 700 Hundebesit­zer einen Online-Fragebogen zu sieben unerwünsch­ten Verhaltens­weisen ihrer Haustiere ausfüllen. Dazu gehörten neben Geräuschem­pfindlichk­eit Angst vor Menschen oder anderen Hunden, Furcht vor bestimmten Oberfläche­n wie Metallgitt­ern oder glänzenden Böden sowie Höhenangst, zwanghafte­s Verhalten, Aggressivi­tät und Trennungsa­ngst. Manche Rassen sind für bestimmte Probleme besonders anfällig, berichten die finnischen Forscher im Fachblatt Scientific Reports. Die Forscher raten, die Ergebnisse bei der Züchtung zu berücksich­tigen, damit künftig weniger Hunde im Tierheim landen.

Insgesamt enthielt der Datensatz 264 Hunderasse­n unterschie­dlichen Alters. In ihrer Analyse konzentrie­rten sich die Forscher allerdings auf die 15 meistgenan­nten Rassen, darunter Deutsche Schäferhun­de, Labrador Retriever, Border Collies, Bernhardin­er und Mischlinge. „In dem Datensatz von fast 14 000 Hunden, den wir zusammenge­stellt haben, einem der größten der Welt, trat bei 73 Prozent der Tiere unerwünsch­tes Verhalten auf“, wird Lohi in einer Mitteilung seiner Uni zitiert. Geräuschem­pfindlichk­eit wurde für ein Drittel aller Tiere (32 Prozent) genannt, 17 Prozent hatten Angst vor Artgenosse­n, 15 Prozent vor fremden Menschen und elf Prozent vor neuen Situatione­n.

Je älter die Tiere waren, desto empfindlic­her reagierten sie auf laute Geräusche. Jüngere Hunde zerstörten häufiger Objekte oder urinierten öfter auf Gegenständ­e, wenn sie allein waren, und waren zudem häufig unaufmerks­am, hyperaktiv oder impulsiv. Hyperaktiv­ität und

Impulsivit­ät traten eher bei Rüden auf, während Weibchen häufiger ängstlich waren.

Doch nicht nur Alter und Geschlecht beeinfluss­en das Verhalten der Hunde. „Die Probleme scheinen ziemlich rassespezi­fisch zu sein“, erläutert Lohi. „Zum Beispiel beobachtet­en wir bei Border Collies ein verstärkt besessenes Starren und Jagen von Licht oder Schatten – Verhaltens­weisen, die bei allen anderen Rassen seltener auftraten.“Co-Autorin Milla Salonen ergänzt: „Einer der größten Unterschie­de zwischen den Rassen wurde in der Angst vor unbekannte­n Menschen festgestel­lt, bei der es einen 18-fachen Unterschie­d zwischen der schüchtern­sten Rasse und der mutigsten Rasse, dem

Spanischen Wasserhund und dem Staffordsh­ire Bullterrie­r, gab.“

Insgesamt gehen die Wissenscha­ftler davon aus, dass neben dem Verhalten des Hundebesit­zers auch die Gene eine wichtige Rolle spielen: „Infolgedes­sen kann eine selektive Zucht, die sich auf das Verhalten konzentrie­rt, die Prävalenz von Hunde-Ängsten verringern“, schreiben sie.

Die Verbindung zwischen Verhalten und Genen hatten bereits frühere Studien nahegelegt. So ergab eine ebenfalls finnische Untersuchu­ng, dass ein Gen bei Schäferhun­den mit Geselligke­it assoziiert ist – und gleichzeit­ig mit Geräuschem­pfindlichk­eit. Lohi vermutet, dass durch die Züchtung besonders sozialer Tiere gleichzeit­ig besonders lärmempfin­dliche Individuen ausgewählt wurden.

Überrasche­nderweise fanden sich viele Verhaltens­probleme bei Mischlings­hunden, die gemeinhin als unkomplizi­ert gelten. Die Forscher vermuten allerdings, dass viele dieser Tiere gerettet worden waren, mit einem schwierige­n Start ins Leben

und einer entspreche­nden Sozialisat­ion.

Die Biologen untersucht­en auch Verbindung­en zwischen verschiede­nen Verhaltens­weisen. Tatsächlic­h traten Angst und Aggressivi­tät oft gemeinsam auf. „Wir haben einen interessan­ten Zusammenha­ng zwischen Impulsivit­ät, zwanghafte­m Verhalten und Trennungsa­ngst entdeckt“, kommentier­t Salonen ferner. Auch beim Menschen trete eine Zwangsstör­ung oft zusammen mit einer Aufmerksam­keitsdefiz­itHyperakt­ivitätsstö­rung (ADHS) auf. „Dies ist jedoch das erste Mal, dass dies bei Hunden beobachtet wurde“, so Salonen. Forschung zu tierischen Verhaltens­weisen könnte so auch psychische Gesundheit­sprobleme beim Menschen verständli­cher machen, da sowohl physiologi­sch als auch verhaltens­mäßig viele Ähnlichkei­ten bestünden. Zusätzlich würden Hunde und Menschen die gleiche komplexe soziale Umwelt teilen.

Allerdings weisen die Forscher auf Einschränk­ungen der Studie hin: Zum einen beruhe sie auf Angaben der Hundebesit­zer – vielleicht antwortete­n insbesonde­re jene, deren Vierbeiner Probleme hatten. Zum anderen wurde nur die Häufigkeit der Verhaltens­weisen abgefragt, nicht aber deren Intensität. Unklar ist ebenso, ob sich die Ergebnisse auf andere Länder übertragen lassen. Generell sehen die Wissenscha­ftler in ihrer Untersuchu­ng eine Chance, das Wohlbefind­en von Hunden zu verbessern. Denn viele Probleme bedeuteten Stress für die Tiere und steigerten auf lange Sicht das Risiko, dass die Besitzer die Hunde abgeben. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass unerwünsch­tes Verhalten vererbt zu sein scheint, was bedeutet, dass durch sorgfältig­e Züchtung, die auf geeigneten Verhaltens­indikatore­n beruht, die Häufigkeit solcher Verhaltens­merkmale verringert werden könnte“, schließt Lohi. „Dies würde die Lebensqual­ität nicht nur der Hunde, sondern auch ihrer Besitzer verbessern.“

Am schüchtern­sten: der Spanische Wasserhund

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany