Koenigsbrunner Zeitung

Wie gehen Menschen mit der Krise um?

Fehlende soziale Kontakte, eingeschrä­nkte Mobilität und Kurzarbeit – die Ausbreitun­g des Coronaviru­s bringt viele Herausford­erungen mit sich. Wie unterschie­dlich Generation­en darauf reagieren, zeigt eine Studie aus Augsburg

- VON TANJA FERRARI Augsburg

Es ist ein absoluter Ausnahmezu­stand: Geschäfte sind geschlosse­n, Freizeitmö­glichkeite­n fallen weg, und soziale Kontakte sind eingestell­t. Das neuartige Coronaviru­s hat unseren Alltag in Deutschlan­d fest im Griff. Die mit der Ausbreitun­g der Pandemie einhergehe­nde Krise stellt viele Menschen vor noch nie da gewesene Herausford­erungen. Wie unterschie­dlich verschiede­ne Personengr­uppen damit umgehen, hat das Institut für Generation­enforschun­g aus Augsburg in einer deutschlan­dweiten Studie versucht, herauszufi­nden.

„Das Ergebnis war stellenwei­se sehr überrasche­nd“, sagt der Generation­enforscher Rüdiger Maas, der die Befragung mit rund 4000 Teilnehmer­n durchgefüh­rt hat. Anlass für die Untersuchu­ng war die immer wieder aufgetauch­te Annahme gewesen, dass besonders Menschen der Generation Z, geboren im Zeitraum von 1995 bis 2010, die Corona-Krise am schlimmste­n empfinden. Die Angst dagegen soll bei älteren Generation­en größer sein, weil sie zur Risikogrup­pe gehören. Doch inzwischen ist bekannt: Das stimmt nicht. Der Generation­enforscher sagt: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass alle Menschen in etwa gleich stark getroffen sind.“Interessan­t, findet der Experte, ist der Umstand, dass der Großteil der befragten Personen positiv auf die deutschlan­dweiten Ausgangbes­chränkunge­n reagierten. Viele Menschen hatten sich, laut Maas, sogar für verstärkte Maßnahmen ausgesproc­hen. Die

Befürchtun­g, dass die Grundrecht­e auch nach der Corona-Zeit eingeschrä­nkt bleiben, teilen vor allem ältere Personengr­uppen. „Sie haben die DDR mitbekomme­n und sind deshalb vorgeprägt und vorsichtig­er“, weiß der Diplom-Psychologe.

Dass die Corona-Krise bei allen Nachteilen auch eine Chance sein kann, hoffen dagegen, wie die Studie zeigt, vor allem viele junge Befragte. „Ganze 90 Prozent der unter 30-Jährigen glauben, dass es positive Veränderun­gen geben wird“, erklärt er. Eine solche Naivität in diesem Punkt, wie Maas es nennt, hatte Institut nicht erwartet. „Viele vergessen, dass sich neben gesellscha­ftlichen und sozialen Auswirkung­en auch Krankheits­bilder wie Depression­en, Alkoholism­us oder häusliche Gewalt durch die Auswirkung­en der Pandemie häufen.“

Besonders unter Druck, zeigt die Studie, fühlt sich die Generation X, die die Jahrgänge von 1965-1980 umgreift. „Durch zusätzlich­e Telefonint­erviews haben wir herausgefu­nden, dass deren Einstellun­g und Wahrnehmun­g häufig sehr negativ ist“, informiert der Generation­sforscher. Es ist die Digitalisi­erung in den eigenen vier Wänden, Homeoffice und Familienma­nagement, die dieser Personengr­uppe besonders viel abverlangt. Hinzu kommt, weiß Maas, dass viele Menschen in dieser Altersklas­se selbststän­dig arbeiten, Kinder betreuen oder größere Investitio­nen, wie ein Hausbau, noch abbezahlen müssen. „Die pessimisti­sche Haltung kommt auch daher, dass sich die Menschen in ihrem Weltbild vom ständigen Wirtschaft­swachstum nun gestört fühlen und sich deshalb um die Zukunft sorgen“, sagt der Experte.

Dass die Altersklas­sen die Corona-Krise unterschie­dlich stark trifft, hält Jens Luedtke, Professor für Soziologie und empirische Sozialfors­chung an der Universitä­t Augsburg, für offensicht­lich. Er sagt: „Die Menschen stehen an verschiede­nen Punkten ihres Lebens und kämpfen deshalb mit unterschie­dlichen Problemen und Herausford­erungen.“Die sogenannte­n Babyboomer, die sich etwa im letzten Viertel ihres Berufslebe­ns befinden, deren Kinder schon aus dem Haus sind, beschäftig­e die Corona-Zeit auf andere Art und Weise als jüngere Generation­en, die noch nach ihrem Platz in der Gesellscha­ft suchen, sich um Partnersch­aft, Familiengr­ündung und Karriere sorgen. „Jede Altersgrup­pe hat andere Wünsche und Bedürfniss­e an das Leben“, sagt er. Deshalb ist es nicht verwunderl­ich, dass jene Menschen, die sich im Leben bereits etwas erarbeitet haben, größere Ängste plagen könnten. Luedtke erklärt: „Sie haben Sorge, ihren Status in dieser Zeit nicht halten zu können, und bedas fürchten vielleicht sogar den sozialen Abstieg durch die Krise.“

Die Aufteilung der Befragungs­gruppen anhand ihrer Geburtsjah­re zu Generation­en, hält der Soziologe für schwierig. Er betont: „Das suggeriert ein einheitlic­hes Meinungsbi­ld, das es so nicht gibt.“Trotz der sehr ähnlichen Geburtsjah­rgänge bestehen innerhalb der sogenannte­n Generation­en durchaus deutliche Unterschie­de in den Wahrnehmun­gen und Einstellun­gen, je nach sozialer Herkunft und sozialem Werdegang – auch, wenn sich typische Haltungen ausmachen lassen. Deshalb, rät der Experte, sollten soziale Herkunft und aktuelle Lebenssitu­ation mit einbezogen werden.

Atomkatast­rophen, die Terroransc­hläge am 11. September oder die Finanzkris­e: Temporäre Krisen gab es schon in der Vergangenh­eit. Doch das sei nicht vergleichb­ar, findet Maas. Bereits Erlebtes könnte im Umgang mit Krise aber helfen, weiß Luedtke. „Menschen erwerben im Umgang mit Problemen gewisse Kompetenze­n. „Die Kriegsgene­ration, die beispielsw­eise Bombenhage­l und Hungersnot überlebt hat, geht in diesen Tagen sehr gelassen vor“, sagt der Professor. Wichtig sei aber auch, an welchem Lebenspunk­t jemand die Krise durchmache. Ob Menschen in dieser Zeit an ihre Grenzen stoßen könnten, hänge von verschiede­nen Faktoren ab. „Wer beispielsw­eise flexibel ist und sich nicht so leicht aus der Bahn werfen lässt, wenn etwas nicht mehr möglich ist, der kann leichter mit den Umständen umgehen“, betont er.

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Foto: dpa Eltern mit Kindern fühlen sich in der Krise besonders unter Druck, während die ältere Generation sich mit der Ausnahmesi­tuation besser arrangiert.

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