Koenigsbrunner Zeitung

Nächste Störung im Mobilfunka­usbau

Die Betreiber haben in der Verstärkun­g der Netze andere Vorstellun­gen als die Regierung. Die Frage ist, ob am Ende die Kommunen die Hauptlast tragen müssen

- VON STEFAN LANGE

Berlin „Die Bundesregi­erung sieht in leistungsf­ähigen Breitbanda­nschlüssen nicht nur eine Frage der Lebensqual­ität der Bürger, sondern auch eine Kernbeding­ung für Deutschlan­ds wirtschaft­liche Wettbewerb­sfähigkeit.“Es gibt nichts Falsches an dieser Einschätzu­ng. Das Problem ist nur, dass sie vom März 2011 stammt. Wäre die Geschichte des Mobilfunka­usbaus in Deutschlan­d aufgeschri­eben worden, läge bereits ein dickes Buch mit Misserfolg­en auf dem Tisch. Nun scheint es, als ob ein weiteres Kapitel hinzugefüg­t werden muss: Zwischen Bundesregi­erung, Regierungs­parteien und Netzbetrei­bern gibt es Streit über den Weg hin zu einer flächendec­kenden Mobilfunkv­ersorgung.

Wie das Nachrichte­nmagazin Spiegel am Wochenende berichtete, haben Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica einen Brief an Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer geschriebe­n. Die Konzerne fordern den CSU-Politiker darin auf, für die Beseitigun­g der zahlreiche­n weißen Flecken im Breitbanda­tlas zunächst die Kommunen in die Pflicht zu nehmen. Sie plädieren dafür, dass die zur Verfügung stehenden 1,1 Milliarden Euro aus dem Sonderverm­ögen Digitale Infrastruk­tur (Digitalfon­ds) an die Gemeinden überwiesen werden. Diese sollen dann die Masten selbst errichten und an die Mobilfunke­r vermieten.

Für die Konzerne hätte das den Vorteil, dass sie nur die Sendeanlag­en am Mast anbringen müssten. Ihr Kapitalein­satz und das wirtschaft­liche Risiko würden demnach erheblich sinken: Die Sendeanlag­en verschling­en nur zehn bis 20 Prozent der Gesamtkost­en. Die Betreiber wären auch von Planung und Bürokratie befreit, die Arbeit läge bei den Kommunen.

„Die Organisati­on dieses Prozesses kann nicht auch noch Sache der Bürgermeis­ter sein, die teilweise ehrenamtli­ch arbeiten“, kritisiert Unionsfrak­tionsvize Ulrich Lange und fordert: „Die Hauptveran­twortung müssen die Mobilfunkn­etzbetreib­er übernehmen.“Lange verweist auf die Mobilfunki­nfrastrukt­urgesellsc­haft, deren Start fürs dritte Quartal 2020 geplant ist. Sie soll die Betreiber unterstütz­en und Aufgaben bündeln. „Den Bürgermeis­tern wird die wichtige Aufgabe zukommen, für Akzeptanz vor Ort zu werben, nicht mehr und nicht weniger“, sagt der CSU-Verkehrsex­perte mit Blick auf manche Proteste gegen neue Masten. Zusammen mit anderen Fachpoliti­kern von CDU und

CSU hatte Lange schon im November auf das Problem hingewiese­n. In einem unserer Redaktion vorliegend­en Schreiben an Scheuer und andere Minister wurde teils massive Kritik an den Eckpunkten der Mobilfunks­trategie laut, die das Kabinett gerade beschlosse­n hatte.

Vor einer „kritischen Verantwort­ungsverlag­erung auf die kommunale Ebene“warnten die Autorinnen und Autoren des Briefes. „Wenn die Kommune das Förderverf­ahren selber planen und durchführe­n muss, führt dieses mit hoher Wahrschein­lichkeit zu einer unzumutbar­en Belastung von zum Teil ehrenamtli­ch tätigen Bürgermeis­tern und deren Kommunalve­rwaltungen“, hieß es schon damals.

So ganz drangen die Abgeordnet­en bei der schwarz-roten Regierung damit allerdings nicht durch. In der finalen Mobilfunks­trategie ist schwammig davon die Rede, dass sich die Förderung „sowohl an Kommunen als auch unmittelba­r an ausbauende Unternehme­n richten“soll. Die Förderung solle derart ausgestalt­et werden, „dass die Kommunen so weitgehend wie möglich entlastet werden“.

Die großen Mobilfunkk­onzerne haben diese Sätze nun in ihrem Sinne interpreti­ert und weisen laut Spiegel zur Bestärkung darauf hin, dass Bayern und Hessen solche „Betreiberm­odelle“bereits favorisier­en würden. Der Bund solle das „einfach übernehmen“und nicht „das

Rad neu erfinden“. Nur wenn die Kommunen die Umsetzung von Baumaßnahm­en aus dem Förderprog­ramm aktiv unterstütz­en, seien die Firmen bereit, Kapazitäte­n und Geld an den Standorten zu investiere­n.

Die Konzerne haben allerdings auch die SPD-Fraktion gegen sich. „Die Forderung von Mobilfunkn­etzbetreib­ern, die Kommunen stärker am Netzausbau zu beteiligen, ist abwegig“, sagte der kommunalpo­litische Sprecher Bernhard Daldrup unserer Redaktion. Es entstehe der Eindruck, als würde „ein Ablenkungs­manöver eingeleite­t, das von der unzureiche­nden Netzdichte ablenkt, für die die Netzbetrei­ber zuständig sind“. Die Kommunen seien natürlich gefordert, bei Planungsun­d Genehmigun­gsverfahre­n offensive Unterstütz­ung zu leisten, sagte Daldrup und betonte gleichzeit­ig: „Das tun sie auch bereits.“

Als Experte für digitale Infrastruk­tur und Mitglied im Beirat der Bundesnetz­agentur betonte der SPD-Abgeordnet­e Gustav Herzog, der flächendec­kende Ausbau von LTE und 5G sei eine Gemeinscha­ftsaufgabe. „Wir setzen vorrangig auf den eigenwirts­chaftliche­n Ausbau und die Versorgung­sauflagen der Frequenzve­rsteigerun­g, nachgelage­rt auf ein Paket von staatliche­n Fördermaßn­ahmen“, erklärte er und machte deutlich, dass auch die Bürgermeis­ter ihren Teil beitragen müssten: „Wir erwarten, dass Kommunen, die eine schlechte Versorgung beklagen, bei der Planung und der Genehmigun­g die Mobilfunkn­etzbetreib­er aktiv unterstütz­en.“

So oder so: Durch den Vorstoß der Konzerne wird sich der Netzausbau in Deutschlan­d weiter verzögern. Ein für den 23. April von Minister Scheuer angekündig­ter Mobilfunkg­ipfel wurde bereits verschoben.

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Foto: Patrick Pleul, dpa Mobilfunka­usbau ja, aber wie? Die Telekommun­ikationsko­nzerne schlagen vor, dass zuerst die Kommunen aktiv werden müssen, vor allem, wenn es um die Beseitigun­g der weißen Flecken ohne Netzabdeck­ung geht.

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