Condor im freien Fall
Die polnische Lot will den deutschen Ferienflieger doch nicht übernehmen. Jetzt scheinen Staatshilfen unumgänglich. Die Beschäftigten und die Gewerkschaften machen dafür bereits Druck
Frankfurt am Main Der Ferienflieger Condor mit fast 5000 Beschäftigten muss erneut um seine Zukunft zittern. Der Deal mit der polnischen Fluggesellschaft Lot, die Condor eigentlich in diesen Tagen übernehmen sollte, ist in der Corona-Krise geplatzt. Der Lot-Mutterkonzern PGL sagte den geplanten Kauf am Ostermontag ohne Begründung ab. Bei der Suche nach einem neuen Eigner sieht das Unternehmen den deutschen Staat als Retter. Infrage komme ein Modell, in dem ein Treuhänder das Unternehmen bis zu einem späteren Verkauf führen könnte, sagte ein Condor-Sprecherin. Es gebe verschiedene Optionen. Auch ein Direkteinstieg des Staates wäre denkbar, gilt aber in Berlin nicht als favorisierte Lösung.
Die Beschäftigten forderten am Dienstag schnelle Staatshilfe für den Frankfurter Ferienflieger. Der deutsche Staat solle sich an den Airlines Condor und Lufthansa direkt beteiligen, erklärte ein Sprecher der Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo am Dienstag. Auch die Piloten-Gewerkschaft Cockpit setzte sich für Hilfen aus Steuermitteln ein.
Weder Condor noch die Bundesregierung machten am Dienstag Angaben zu möglichen Fortschritten.
Aus Unternehmenskreisen war zu hören, dass sich der Termin vom 15. April zur Rückzahlung des KfWBrückenkredits über 380 Millionen Euro noch bis zum Wochenende verschieben könne. Der Kredit soll nur etwa zu zwei Dritteln abgerufen worden sein, sagte eine weitere mit der Sache vertraute Person. Die zur Rückzahlung eingeplante Kaufsumme der Polen in unbekannter Höhe steht aber nicht zur Verfügung. Eine Verlängerung des von der EU genehmigten KfW-Kredits hatte die Condor nach eigenen Angaben nicht beantragt, sondern auf neue Darlehen gesetzt. Weitere Mittel zur Rettung könnten von einem Treuhandkonto fließen, auf dem Kundengelder für Condor-Tickets nach dem 1. April gelandet sind.
Der Flugbetrieb der Condor stehe auf grundsoliden Füßen, erklärte die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit. Die Unterstützung durch die Bundesregierung sei daher gerechtfertigt, erklärte Sprecher Janis Schmitt. Es dürfe nicht sein, dass die Mitarbeiter in der CoronaKrise fallengelassen würden. Es wäre ein „fatales Signal“, wenn der Staat als erster Gläubiger der Condor den Saft abdrehe, erklärte auch Ufo-Sprecher Nicoley Baublies.
Vor der Corona-Krise galt der Ferienflieger wegen seines Angebots zu touristischen Langstreckenzielen in Übersee als unverzichtbar für die Reisebranche, die stets einen Gegenpol zur mächtigen Lufthansa haben wollte. Nach der ThomasCook-Pleite hatten große Veranstalter sogar erwogen, sich selbst an der Fluggesellschaft zu beteiligen. Die Lufthansa hatte zwar im Frühjahr 2019 Interesse an einer Übernahme gezeigt, aber letztlich auch aus kartellrechtlichen Gründen nicht für die Condor geboten. In Polen hatten Politiker der nationalkonservativen PiS-Regierung die geplante Condor-Übernahme als Zeichen der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung Polens gefeiert. Daraus wird nun nichts. Auch die polnische Fluglinie Lot ist von dem Virus hart getroffen worden.
Condor könnte nun zum deutschen Staats-Ferienflieger werden. In der Branche wird schon spekuliert, dass Condor in einem solchen Fall am Ende doch bei der Lufthansa landen könnte, zu der sie, seit ihrem Start 1956, teilweise gehört hatte.
Condor ist ein traditionsreicher Ferienflieger – seit 1956. Zu normalen Zeiten fliegen jährlich acht Millionen Passagiere mit Condor vor allem zu den populären Urlaubszielen. Im Sommerflugplan würden griechische Ziele ebenso angesteuert wie die Kanaren, Madeira oder Hurghada am Roten Meer. Ähnliche Ziele finden sich auch im abgespeckten Winterflugplan 2020/21.
Falls die Condor am Boden bleibt, weil der Staat nicht weiterhilft, dann werden die Maschinen für die Urlaubsflüge fehlen – auch den Reiseveranstaltern.
Derzeit ist Condor auch Teil der Luftbrücke für Erntehelfer: Landwirte buchen ihre Helfer direkt auf der Condor-Webseite unter www.condor.com/erntehelfer ein und erhalten im Erntehelfer-Paket 30 Kilogramm Freigepäck, einen Snack an Bord und den obligatorischen Gesundheitscheck. Sie stellen durch den Flug mit Condor auch sicher, dass die geltenden Abstandsregeln für ihre Helfer zum Schutz der eigenen Betriebe eingehalten werden, weil auf allen ErntehelferFlügen von Condor der Mittelsitz jeder Reihe frei bleibt.
Christian Ebner, Doris Heimann, Steffen Weyer, dpa, und Lilo Solcher