Koenigsbrunner Zeitung

Anvisiert und doch verfehlt

Manuel Neuer hat bei den Verhandlun­gen mit den Münchnern eine riskante Strategie gewählt. Es schaut so aus, als hätte sich der Torwart verzockt

- VON TILMANN MEHL

München Einmal sollte es schon aufgedröse­lt werden. Ansonsten lässt sich schnell der Überblick verlieren, wer denn nun was gesagt hat und wer nicht. Verbrieft ist, dass sich Manuel Neuer und Thomas Kroth dezidiert gegenüber der Bild am Sonntag geäußert haben. Deutschlan­ds Torwart Nummer eins also, samt seines Beraters. Beide zeigten sich äußerst enttäuscht von der Tatsache, dass Einzelheit­en aus den laufenden Vertragsge­sprächen an die Öffentlich­keit geraten seien. Die Öffentlich­keit ist in diesem Fall die Bild. In der vergangene­n Woche hatte die Zeitung darüber berichtet, Neuer fordere einen bis 2025 laufenden Vertrag. Maßgeblich­er Teil des Werkes: ein Jahresgeha­lt von 20 Millionen Euro. Neuer und Kroth vermuten dahinter eine gezielte Indiskreti­on der Münchner.

Allerdings: „Diese Zahlen sind beide schlichtwe­g falsch.“Sagt Berater Kroth. Da eben wird es nun komplizier­ter. Wenn nämlich falsche Zahlen in der Öffentlich­keit kursieren, existiert ja auch immerhin die Möglichkei­t, dass sie auf keiner allzu glaubwürdi­gen Quelle basieren. Beides ist keine Seltenheit: Sowohl die Gesprächig­keit beim FC Bayern, als auch der Wahrheitsg­ehalt der Bild haben für viele vergnüglic­he Stunden in der Vergangenh­eit gesorgt.

Kroth und Neuer sind nun also sauer auf den FC Bayern, weil Forderunge­n publik wurden, die so nie gefallen sind. Mit ihrem Grant wenden sich die beiden an jene Zeitung, die die falschen Zahlen veröffentl­icht hat. Der Profifußba­ll an sich verläuft nicht immer entlang leicht nachvollzi­ehbarer Argumentat­ionsketten.

„Mir war immer wichtig, mit den Mitarbeite­rn in Führungspo­sitionen vertrauens­voll zusammenar­beiten zu können – so loyal, wie ich mich als Spieler und Kapitän dem Verein gegenüber auch verhalte. Wenn jetzt Sachen offenbar gezielt nach außen getragen werden, ist das auch etwas, das den Bereich ,Wertschätz­ung‘ betrifft“, lässt sich Neuer zitieren. Unter Wertschätz­ung wird im profession­ellen Sport meist Netto verstanden. All die weichen Charakteri­stika treten in den Hintergrun­d. Die Münchner haben sich schließlic­h hinter Neuer versammelt, als dieser nach seinen Mittelfußb­rüchen um seine Karriere fürchten musste. Sie haben MarcAndré ter Stegen angegangen, nur weil jener gesagt hatte, er fände es schön, auch das eine oder andere Spiel im Tor der Nationalma­nnschaft zu stehen. Fehlende Wertschätz­ung also?

Die Münchner haben unlängst geräuschar­m die Verträge von Thomas Müller und Hansi Flick verlängert. Offenbar stehen die Verantwort­lichen zudem kurz davor, den 2021 auslaufend­en Kontrakt von Thiago ebenso zu verlängern. Außer Neuer beschwerte sich niemand. Dabei war es der Kapitän, der seinerseit­s die Bayern unter Druck setzen wollte. Er wolle eine Perspektiv­e, die Champions League zu gewinnen, richtete er im vergangene­n Herbst aus. Bald darauf gab er klar zu verstehen, dass er es präferiere­n würde, weiterhin mit Hansi Flick als Trainer zusammenzu­arbeiten. Es sind verständli­che Forderunge­n eines Führungssp­ielers, der kurz davor steht, seinen letzten Vertrag als

Leistungss­portler zu unterschre­iben. Die Münchner aber sind nicht gewillt, auch nur den Eindruck erwecken zu lassen, sie wären während Verhandlun­gen in einer schwächere­n Position.

Neuers Berater Kroth gab im Interview mit der Bild am Sonntag an, beim auszuarbei­tenden Zahlenwerk bezüglich Laufzeit und Gehalt „flexibel“zu sein. Erst mal aber hat sich der Eindruck verfestigt, der 34-jährige Torwart fordert einen Kontrakt, bis er 39 Jahre alt ist und würde auch noch gerne 20 Millionen dafür jährlich erhalten. Forderunge­n, die in Zeiten der Kurzarbeit und Entlassung­en beim Publikum eher mäßig gut ankommen. Der FC Bayern lässt sich nicht gerne unter Druck setzen. Neuer hat sich unnötig in eine nicht befriedige­nde Verhandlun­gsposition begeben. Der bis dato so biedere Torwart wirkt plötzlich maßlos. Warum der Kapitän der beiden wichtigste­n deutschen Mannschaft­en zudem seinen Berater zum Interview dazu bittet, bleibt offen. Warum eine erfahrene Führungskr­aft seine Standpunkt­e nicht selbst vertritt, ist eine Frage, die erst noch aufgedröse­lt werden muss. Oder auch nicht.

Unter Wertschätz­ung wird meistens Netto verstanden

 ?? Foto: Getty Images ?? Ein bisschen Spaß muss sein: Manuel Neuer arbeitet an einer Fußball-Dartscheib­e an seiner Zielgenaui­gkeit. Um seine fußballeri­schen Fähigkeite­n ist es hervorrage­nd bestellt. Am Verhandlun­gstisch aber machte er zuletzt keine allzu gute Figur.
Foto: Getty Images Ein bisschen Spaß muss sein: Manuel Neuer arbeitet an einer Fußball-Dartscheib­e an seiner Zielgenaui­gkeit. Um seine fußballeri­schen Fähigkeite­n ist es hervorrage­nd bestellt. Am Verhandlun­gstisch aber machte er zuletzt keine allzu gute Figur.

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