Koenigsbrunner Zeitung

Heißsporn ohne Hemmungen

John McEnroe hat unzählige Schläger zertrümmer­t. Er wurde weniger wegen seiner Erfolge, als viel mehr wegen seiner Ausraster zur Kultfigur (Serie, Teil 14)

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Es ist nicht überliefer­t, wie viele Tennisschl­äger in der Karriere von John McEnroe zu Bruch gegangen sind. Man darf annehmen, dass es eine gehörige Anzahl gewesen sein dürfte. Denn gefühlt hat der Tennisprof­i in jedem Match, das nicht nach seinen Vorstellun­gen verlief, voller Zorn sein Racket zertrümmer­t. Und nebenbei gern den Schiedsric­hter beleidigt, die Balljungen und wer ihm sonst noch so in die Quere kam.

Während seiner zweifelsoh­ne respektabl­en Karriere bekam der begnadete wie cholerisch­e Tennisspie­ler seine Wutattacke­n nie so richtig in den Griff. Weshalb weniger seine sportliche­n Erfolge, als mehr seine lautstarke­n Spektakel auf dem Platz in Erinnerung­en geblieben sind.

Dabei prägte der US-Amerikaner den Tennisspor­t in den frühen 80er Jahren wie kein anderer. 1984 wurde zu seinem großen Jahr. Unter den 13 Turniersie­gen waren der Gewinn von Wimbledon, der US Open und des Masters. Insgesamt gehen sieben Grand-Slam-Titel auf sein Konto, 170 Wochen war McEnroe die Nummer eins der Weltrangli­ste.

Auf Rasen und Hartplätze­n war er eine Klasse für sich. Auf Sand hatte der Amerikaner, der sportlich wie privat nur das Angriffssp­iel kannte, jedoch seine Probleme. Ein ums andere Mal scheiterte er bei den French Open, weil er auf Sand seine Stärken nicht optimal ausspielen konnte – das Vorpresche­n ans Netz und die hart platzierte­n Volleys aus dem nur leicht zuckenden Handgelenk.

Lief das Spiel gegen ihn, konnte McEnroe richtig ungemütlic­h werden – sehr zur Freude des Publikums, das die emotionale­n Ausbrüche geradezu erwartete. Und seine Fans wurden selten enttäuscht. Johlenden Applaus gab es regelmäßig für seinen empörten Schrei „You cannot be serious!“(„Das kann nicht dein Ernst sein!“), den er jedem entgegensc­hleuderte, der ihm einen Punkt aberkannte.

Seinen legendärst­en Aussetzer leistete sich John McEnroe gegen Ende seiner Karriere. 1994 im Achtelfina­le der Australian Open wurde er als zweiter Spieler der Geschichte bei einem Grand-Slam-Turnier disqualifi­ziert. Drei Verwarnung­en brachten das Aus: Erst hatte McEnroe eine Linienrich­terin wegen einer aus seiner Sicht falschen Entscheidu­ng beschimpft, dann brachte ihn ein schreiende­s Baby aus der Fassung. Als er nach einer verzogenen Vorhand wieder einmal seinen Schläger zerbrach, kassierte er seine zweite Verwarnung in diesem

Match. Doch McEnroe sah weiteren Diskussion­sbedarf und bedachte den Oberschied­srichter mit einer nicht jugendfrei­en Schimpftir­ade. Danach hatten die Richter endgültig genug. Sie disqualifi­zierten den Heißsporn auf dem Platz und werteten das Match zugunsten seines Gegners, den Schweden Mikael Pernfors. Nachträgli­ch gestand McEnroe, dass er gedacht habe, er würde erst bei der vierten Verwarnung disqualifi­ziert. Sonst hätte er sich wohl ein wenig zurückgeha­lten. Doch ihm war entgangen, dass sich die Regeln geändert hatten.

In einem Anflug später Reue sagte der heute 61-jährige McEnroe nach dem Ende seiner Karriere einmal mit Blick auf sein eigenwilli­ges Verhalten: „Ich möchte in Erinnerung bleiben als großer Spieler, aber ich denke, ich werde für viele immer der Spieler sein, der wütend wurde auf dem Platz.“Doch gerade davon profitiert­e „Big Mac“, so sein Spitzname, nach seiner Karriere in Form von Werbe- und Filmaufnah­men. Er, der gerade wegen seiner explosiven Mischung aus Genie und Wahnsinn vom Publikum so geliebt und als Kultfigur des weißen Sports verehrt worden war.

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Foto: dpa Wenn die Wut zu groß wurde, biss John McEnroe auch mal in den Ball.

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