Koenigsbrunner Zeitung

Willi Leichtle nimmt Abschied nach 48 Jahren

Der SPD-Stadtrat, der auch 22 Jahre lang im Landtag saß, hat den Wiedereinz­ug nicht geschafft. Das war aber auch genau sein Plan. Er blickt auf eine bewegte Zeit zurück. Jetzt hat er Pläne abseits der Politik

- VON MICHAEL HÖRMANN

Die Kommunalwa­hl 2020 ist gelaufen. In Augsburg werden künftig CSU und Grüne im Rathaus regieren. Für die SPD führt der Weg in die Opposition. „Natürlich tut dieses Ergebnis sehr weh. Es ist ein Niedergang, der hier stattgefun­den hat“, sagt Willi Leichtle. Der 79-Jährige, der in Inningen lebt, hat den Einzug in den Stadtrat nicht geschafft. Statt 13 Fraktionsm­itgliedern kommt die SPD jetzt noch auf neun Stadträte. Leichtle kam bei der Wahl auf Platz 20. Es war für ihn eine Verbesseru­ng um 19 Plätze, denn Leichtle hatte auf Listenplat­z 39 kandidiert. Nach 48 Jahren in der Politik kommt für Leichtle nun ein Schlussstr­ich.

Dass es für den Wiedereinz­ug in den Stadtrat nicht gereicht hat, lag auch an der persönlich­en Einstellun­g des SPD-Mannes, der im Jahr 1972 erstmals in den Augsburger Stadtrat eingezogen war. „In meinem jetzigen Alter wollte ich eigentlich gar nicht mehr kandidiere­n“, sagt Leichtle, der im Oktober seinen 80. Geburtstag feiert. Anderersei­ts sei er von SPD-Freunden gebeten worden, mit seinem Bekannthei­tsgrad für zusätzlich­e Stimmen zu sorgen. Leichtle durfte sich einen Platz aussuchen, von dem man ausgehen musste, dass er nicht für eine weitere Amtsperiod­e ausreicht. Leichtle nahm Platz 39. Mit seinem persönlich­en Ergebnis von insgesamt 12 027 Stimmen landete er auf Platz 20. Knapp 17 300 Stimmen hätte er benötigt, um ein Mandat zu gewinnen. Leichtle ist nicht sauer, dass es nicht geklappt hat: „So war es von mir gedacht.“Leichtle sagt, dass er diese strategisc­he Überlegung manchem Wähler in jüngster Zeit erläutern musste: „Es haben mich einige Leute gefragt, warum ich so weit hinten auf der Liste rangiert bin.“

Die Kommunalwa­hl ist aus der persönlich­en Warte ganz schnell abgehakt gewesen. Leichtle hat sich darauf eingestell­t, dass es künftig keine Stadtrats- oder Ausschusss­itzungen für ihn geben wird. „Ich habe 48 Jahre Politik für Augsburg gemacht, das sollte reichen.“

Nach der Eingemeind­ung Inningens zog Leichtle im Jahr 1972 in den Stadtrat. Die 48 Jahre hat er nicht durchgehen­d im Gremium verbracht. Dies lag daran, dass ihn der politische Weg in den Landtag geführt hat. Von 1987 bis zu seinem Ausscheide­n im Jahr 2009 war er Landtagsab­geordneter. Von 1987 bis 1996 war Willi Leichtle daher nicht Mitglied des Stadtrats. Es waren besondere Umstände, die den

Abschied nötig machten. Leichtle war, was wohl meist nur noch die Älteren wissen, von 1980 bis 1990 gewählter Referent in der Augsburger Stadtregie­rung. Dies war zu Zeiten des damaligen SPD-Oberbürger­meisters Hans Breuer. Leichtle hatte die Verantwort­ung über mehrere Ressorts. Finanzen, Liegenscha­ften, Personal und Sport waren seine Zuständigk­eiten: „Als ich im Jahr 1987 in den Landtag gewählt wurde, musste ich die Referenten­tätigkeit bis 1990 ruhen lassen.“

Wenn sich Leichtle an frühere Zeiten erinnert, berichtet er von einer eindrucksv­ollen Mannschaft­sstärke der SPD: „Wir hatten sogar mal 29 Fraktionsm­itglieder.“Ab Mai sind es im neuen Stadtrat noch neun Stadträte bei der SPD.

Dass die SPD bei der Wahl 2020 so schlecht abgeschnit­ten hat, bedauert Leichtle: „Ich finde, unser Wahlkampf war gut.“Leider habe er nicht zu einem besseren Ergebnis geführt. Für den erfahrenen Politiker liegt eine Mitverantw­ortung bei der Bundes-SPD: „Ich sage es deutlich. Die amtierende Doppelspit­ze in der Parteiführ­ung fällt ab.“

Das Aus bedeutet nicht den sofortigen Rückzug. Leichtle ist in einigen Organisati­onen ehrenamtli­ch engagiert. Es werde hier einen fließenden Abschied geben, sagt er. Für den zweifachen Vater und dreifachen Opa bleibt nun aber definitiv mehr Zeit für Ehefrau Elisabeth und andere Familienan­gehörige. Die Wege sind nicht weit entfernt, die Familie ist in Inningen verwurzelt. Im damaligen Krankenhau­s in Göggingen wurde Leichtle geboren. Sein Lebensmitt­elpunkt liegt seit Kindheit in Inningen: „Hier habe ich auch mit 21, 22 Jahren gebaut.“Mit seiner Ehefrau ist er seit 59 Jahren verheirate­t.

Wegen des nun anstehende­n Ausscheide­ns denkt der SPD-Politiker mitunter an seine Anfänge im Augsburger Stadtrat. Als „eingemeind­eter Inninger“habe er damals nicht verstanden, warum die Augsburger den Platz vor dem Rathaus Ludwigspla­tz nannten: „Es war einer meiner ersten Anträge, diesen Platz in Rathauspla­tz umzubenenn­en.“In 48 Jahren Politik für Augsburg, davon 39 Jahre im Stadtrat, sei vieles geschehen. Zwei Punkte sind Leichtle besonders wichtig, wenn er das eigene Wirken beschreibt: Anfang der 70er-Jahre habe er maßgeblich daran mitgewirkt, dass die Altstadt aus ihrer damaligen Tristesse erweckt werde. Mit dem „Altstadtpa­pier“habe er vieles auf den Weg gebracht, worüber sich heute alle freuen. Es sei darum gegangen, die baufällige­n Objekte zu sanieren.

Ein anderer Aspekt sei die historisch­e Wiederhers­tellung des Goldenen Saals im Rathaus. Im Jahr 1977 habe er einen Antrag gestellt, ein internatio­nales Kolloquium einzuberuf­en, ob diese Wiederhers­tellung umsetzbar sei. Sie wurde es. Alternativ­en waren damals, den Goldenen Saal als „Ruine“zu belassen oder völlig neu zu gestalten. „Mit dem Ergebnis, wie es sich heute präsentier­t, bin ich jedenfalls sehr zufrieden“, sagt Leichtle.

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 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Ein Rückblick auf das Jahr 2018: Willi Leichtle im Gespräch mit SPD-Parteifreu­ndin Margarete Heinrich.
Foto: Silvio Wyszengrad Ein Rückblick auf das Jahr 2018: Willi Leichtle im Gespräch mit SPD-Parteifreu­ndin Margarete Heinrich.

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