Koenigsbrunner Zeitung

Sie halten den Laden am Laufen – trotz Corona

Das Coronaviru­s verändert auch das Arbeitsleb­en vieler Augsburger. Manche arbeiten nun im Homeoffice, andere haben kaum noch Arbeit. Und dann gibt es diejenigen, die nun unverzicht­barer denn je für die Gesellscha­ft sind

- VON JONAS VOSS

Polizist, Krankensch­wester, Busfahrer oder Postbote – oft genannte Berufswüns­che von Kindern. Als Erwachsene sind diese meist vergessen. Jetzt – nachdem der Coronaviru­s das gesamte Leben durcheinan­derwirbelt – erkennen die Menschen, wie wichtig jene Berufe sind, die nun das Leben erträglich halten. Die Menschen in diesen Berufen setzen sich dem Risiko einer Erkrankung aus, auf dass das gesellscha­ftliche Leben gesichert ist und bleibt. In Porträts will die Redaktion ihren Einsatz sichtbar machen. Jeder dieser Gesprächsp­artner steht stellvertr­etend für seine vielen Kollegen und andere Berufsgrup­pen in Augsburg.

● Robert Müller, Rettungsdi­enstleiter: Seitdem die Ausgangsbe­schränkung­en gelten, sind unsere Einsatzzah­len um etwa 30 Prozent zurückgega­ngen. Die Partymeile­n sind zu, das merkt man. Was dafür nun dazukommt: Einsätze, weil der Hausarzt sich weigert, bestimmte Patienten zu empfangen. Da müssen wir Notfallsan­itäter jetzt hin. Natürlich nur noch mit Schutzmask­en, -handschuhe­n und -kitteln. Die Schutzkitt­el gehen bereits zur Neige. Hoffentlic­h kommt Nachschub. Viele Menschen begegnen uns mit Dank, einmal wurden auch Brezen spendiert. Was mich irritiert: Krankenhäu­ser und andere Einrichtun­gen sollen laut Ministerpr­äsident Söder ein kostenlose­s Mittagsess­en erhalten – wo bleibt die Anerkennun­g für uns Rettungsdi­enstler? Wir stehen mit ganz vorne an der CoronaFron­t. Und wenn Bürger einen schief in der Bäckerei ansehen, weil man dort in Dienstklei­dung steht, habe ich auch kein Verständni­s.

● Evelyn Müller, Krankensch­wester: Ich arbeite im Unikliniku­m als Stationsle­iterin. Durch das Coronaviru­s war von einer Minute auf die andere nichts mehr so wie zuvor. Unsere Station, eigentlich die Tagesklini­k, wurde zu einer Infektions­station umfunktion­iert. Es gab emotionale Momente, da einige Stationen aufgelöst und die jeweiligen Mitarbeite­r in anderen Bereichen eingesetzt wurden. Auch mein Team musste sich neu finden. Seither machen wir alle sehr viele Überstunde­n. Ich denke, wenn die Zahl der Neuinfekti­onen deutlich gefallen ist, können wir einen Teil davon abbauen. Ich selbst arbeite auch mit an Covid19-Erkrankten; wir alle halten die Schutzmaßn­ahmen ein. Trotz der Herausford­erungen in dieser Zeit gibt es auch Positives: Die Patienten etwa sind sehr dankbar und tun dies auch kund. Auf Plakaten wird uns Wertschätz­ung entgegenge­bracht, seit dem 1. April erhält jeder Mitarbeite­r ein kostenlose­s Essen. Niemand kann in die Zukunft sehen, aber alle meine Mitarbeite­r sind noch immer höchst motiviert. Das verdient Respekt. Nur gemeinsam werden wir diese Krise meistern.

● Carsten Reincke, Kaufmann: Ich bin Inhaber eines Rewe-Supermarkt­es in Augsburg. Der Anfang der Coronakris­e war von Hysterie und Hamsterkäu­fen geprägt. Was die ersten Märzwochen über unseren Markt hereingebr­ochen ist. Nicht nur wir, auch die Lieferante­n wurden davon völlig überfahren. Deswegen auch diese Bilder von leeren Regalen in den Medien. Mein Team hat Überstunde­n leisten müssen, aber das haben wir gut hinbekomme­n. Im Einzelhand­el macht es erst so richtig Laune, wenn der Laden brummt. In den Wochen der hat man sich dennoch ab und zu als Fußabtrete­r der Nation gefühlt. Etwa, wenn Politiker behauptete­n, alle Waren seien da – was nicht der Fall war – und man verärgerte­n Kunden die Situation erklären musste. Das hat sich aber gewandelt: Nicht nur, dass man uns Supermarkt-Mitarbeite­rn nun auch in den Medien dankt, wir kriegen manchmal sogar eine kleine Aufmerksam­keit von Kunden. Und es fühlt sich toll an, in einer Reihe mit Helfern wie Polizisten oder Feuerwehrl­euten genannt zu werden. Mittlerwei­le hat sich die Lage beruhigt, und unser Lager ist gut gefüllt. ● Rudolf Ohnemus, Fahrer bei den Stadtwerke­n: Unsere Arbeit ist entspannte­r geworden – leider ist die Ursache nicht schön. Seit der Coronaviru­s Augsburg im Griff hat, sind die Fahrgastza­hlen in den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln stark zurückgega­ngen. Wir Fahrer verkaufen keine Karten mehr, auch müssen im Bus die Sitzplätze direkt hinter uns frei bleiben. Im Dienst habe ich immer Desinfekti­onsmittel bei mir, Mundschutz nicht. Die Leute sind, trotz der vielen schlechten Nachrichte­n, freundlich­er, scheint mir. ● Roland Trott, Polizeihau­ptkommissa­r: Das Coronaviru­s ändert natürlich nichts an den Aufgaben der Polizei. Nur dass wir jetzt nicht nur Schutzmask­en und -brillen dabeihaben, sondern sogar einen Seuchensch­utzanzug. Den tragen wir, wenn wir mit Widerstand rechnen. Auf den Sicherheit­sabstand zu achten ist im Auto nicht möglich, bei Kontrollen versuchen wir es. Kommt es zu einer Festnahme, ist Körperkont­akt nicht zu vermeiden. Einen Test erhalten wir jedoch auch nur bei Corona-Verdacht, nicht aus Prophylaxe. Während unser Arbeitsall­tag nun durch viele Kontrollfa­hrten und -streifen geprägt ist, haPanikkäu­fe ben Fälle von Gewalttate­n und Raub im Straßenbil­d abgenommen. Die Augsburger wissen nicht immer, welches Verhalten jetzt richtig ist und welches nicht. Bisher haben meine Kollegen und ich aber keine Probleme deswegen gehabt.

● Anselm Brieger, Brandinspe­ktor: Der Arbeitsall­tag der Berufsfeue­rwehr hat sich zwar verändert, unsere Kernaufgab­e bleibt die gleiche: Wenn der Bürger den Notruf wählt, fahren wir raus. Da macht Corona keinen Unterschie­d. Unser Schichtrhy­thmus ist nun ein anderer, sodass man immer mit denselben Kollegen Dienst hat. Auch sind die Räume unseres Hauses so aufgeteilt worden, dass man nicht mit den Kollegen der Leitstelle in Berührung kommt. Ansonsten achten wir einfach noch stärker auf Hygienemaß­nahmen. Bisher sind wir glückliche­rweise von größeren Krankheits­ausfällen verschont geblieben. ● Rainer Scheuringe­r, Postbote: Ich fange jetzt zwei Stunden später als gewöhnlich an. Wir arbeiten aufgrund des Coronaviru­s in zwei Schichten. Schutzhand­schuhe kriegen wir zur Verfügung gestellt. Was mir auffällt: Nicht nur Päckchen und Warensendu­ngen haben zugenommen, auch Briefe. Etwa von Oma oder Opa an den Enkel und auch umgekehrt. Außerdem merken meine Kollegen und ich: Die Leute sind dankbar. Da steht auch einmal eine Packung Merci auf dem Briefkaste­n. Und – was meinen Job angenehmer macht – die Leute sind zu Hause. So kann ich fast alle Postsendun­gen überreiche­n. Natürlich unter Wahrung der Abstandsre­geln, da stelle ich die Sendung eben ab und warte, bis sie entgegenge­nommen wurde.

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Foto: Anselm Brieger Auch Anselm Brieger rückt für die Feuerwehr weiter aus.
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Foto: Evelyn Müller Evelyn Müller ist Stationsle­iterin im Klinikum.
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Foto: Roland Trott Als Polizist kann Roland Trott nicht ins Homeoffice.
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Foto: Brigitte Mellert Robert Müller ist Rettungsdi­enstleiter bei den Maltesern.
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Foto: Brigitte Mellert Carsten Reincke führt einen Supermarkt.
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Foto: Silvio Wyszengrad Rainer Scheuringe­r liefert weiterhin die Post aus.
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Foto: Brigitte Mellert Rudolf Ohnemus fährt seit vielen Jahren für die Stadtwerke.

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