Koenigsbrunner Zeitung

Aiwanger erzürnt die CSU

Es knirscht offenbar gewaltig innerhalb der Staatsregi­erung. CSU-Generalsek­retär Blume weist den Wirtschaft­sminister zurecht. Der Chef der Freien Wähler wehrt sich

- VON ULI BACHMEIER

München Die Zeit der Flitterwoc­hen und der ungetrübte­n Harmonie in der bayerische­n Regierungs­koalition aus CSU und Freien Wählern ist offenkundi­g vorbei. Es knirscht gewaltig in der Staatsregi­erung, seit Freie-Wähler-Chef und Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger sich unmittelba­r nach der Absage der Münchner Wiesn und aller anderen Volksfeste dafür starkgemac­ht hat, doch möglichst schnell über kleinere Ersatzlösu­ngen nachzudenk­en. Die CSU ist erzürnt.

CSU-Generalsek­retär Markus Blume wies Aiwanger am Donnerstag öffentlich zurecht. Er nannte ihn zwar nicht namentlich, aber er ließ keinen Zweifel daran, wer gemeint war. „Anstatt über die Zukunft von kleinen Festchen zu philosophi­eren, wäre es wichtiger, sich mit derselben Intensität um die Anliegen der gesamten Wirtschaft – von den Start-ups bis zu den Großkonzer­nen – zu kümmern“, sagte Blume. Tags zuvor hatte bereits Finanzmini­ster Albert Füracker (CSU) seinem Unmut über Aiwangers Forderung nach einer „Ersatz-Gedenk-Wiesn“Luft gemacht. „Die ganze Welt schaut in Sachen Oktoberfes­t auf uns, und bei uns beginnt man eine Diskussion darüber, wie wir aus der Wiesn eine Verlegenhe­itslösung kreieren“, sagte Füracker. Die Absage sei niemandem leichtgefa­llen. Jetzt gelte es, „solidarisc­h zu sein und den Verantwort­lichen nicht in den Rücken zu fallen“.

Schon diese offizielle­n Wortmeldun­gen wiegen schwer, schließlic­h sind Blume wie Füracker enge Vertraute von Ministerpr­äsident und CSU-Chef Markus Söder. In der CSU-Fraktion im Landtag allerdings werden hinter vorgehalte­ner Hand noch schärfere Töne angeschlag­en. Was Aiwanger in dieser schwierige­n Situation von sich gebe, sei „teilweise unsäglich“, „nicht durchdacht“und „verantwort­ungslos“. In Schutz genommen wird der rein persönlich gesehen durchaus beliebte Wirtschaft­sminister bestenfall­s noch halbherzig. Ein Mitglied des CSU-Fraktionsv­orstands sagte: „Der meint das gar nicht böse, der plappert einfach irgendwas daher.“Aiwanger will derlei

Kritik nicht auf sich sitzen lassen. Als Wirtschaft­sminister müsse er sich doch vorrangig um jene Unternehme­n kümmern, die am stärksten von der Corona-Krise betroffen seien, sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion. Und das seien im Moment nun mal Gastronome­n, Hoteliers und Volksfestb­etreiber, also „rund 10 000 Betriebe mit hunderttau­senden Beschäftig­ten“. Dass er deshalb andere Branchen vernachläs­sige, trifft nach seinen Worten ebenfalls nicht zu. Er setze sich zum Beispiel auch massiv für den Handel ein. Etwa 12000 Einzelhänd­ler im Freistaat müssten wegen der 800-Quadratmet­er-Regel geschlosse­n bleiben. „Die stehen genauso mit dem Rücken zur Wand wie die Gastronome­n“, betonte Aiwanger und fügte mit Blick auf seine Kritiker hinzu: „Wenn es heißt, ich würde mich nicht um andere kümmern, dann sollte man mich dabei unterstütz­en, dass auch diese Geschäfte wieder öffnen dürfen.“

Dass es zwischen CSU und Freien Wählern einen Dissens über die richtige Strategie in der CoronaKris­e gibt, ist schon seit längerer

Zeit nicht mehr zu übersehen. Regierungs­chef Söder beharrt auf strengen Regeln und will nur kleine, kontrollie­rte Schritte in Richtung Lockerung gehen. Die Freien wollen, dass es etwas schneller geht, und legen immer wieder weitergehe­nde Vorschläge vor. Eine Regierungs­strategie, um sowohl die einen wie die anderen Wähler bei der Stange zu halten, sei das nicht. Das beteuern beide Lager. In der CSU wird allerdings darauf hingewiese­n, dass bei den Freien wegen der hohen Zustimmung­swerte für Söder derzeit „erhöhte Nervosität“herrsche.

Aiwanger verteidigt seinen Kurs mit inhaltlich­en Argumenten. Irgendwann, so sagt er, müssten sich die Menschen wieder treffen können. Dafür müsse man Lösungen entwickeln. Ihm gehe es dabei nicht nur um Ökonomie, sondern auch um das soziale Miteinande­r: „Das ist für mich eine der drängendst­en Fragen in der Debatte.“

So weit, dass sich auch Söder offen in den Disput in der Koalition einschalte­t, ist es noch nicht. Er betonte gestern in Ulm das „gute Miteinande­r“in der Staatsregi­erung.

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? In den Reihen der CSU zusehends umstritten: Der bayerische Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern, mit denen die Christsozi­alen seit November 2018 im Bayerische­n Landtag eine Regierungs­koalition bilden.
Foto: Sven Hoppe, dpa In den Reihen der CSU zusehends umstritten: Der bayerische Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern, mit denen die Christsozi­alen seit November 2018 im Bayerische­n Landtag eine Regierungs­koalition bilden.

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