Reitstall im Notbetrieb
Der RC Augsburg ist als nahezu einzige Sportstätte in der Stadt unter Sonderauflagen geöffnet. Allerdings nur, damit die Grundversorgung der Tiere erhalten bleibt. Ohne Reitschüler brechen die Finanzen ein
Auf den ersten Blick sieht es aus, als hätte sich im Reit-Club Augsburg und in den Ställen in der Nachbarschaft des Augsburger Zoos kaum etwas verändert. Täglich werden hier Pferde geritten und versorgt, auch Ausritte in den Siebentischwald sind den Reitern möglich. Dennoch, sagt Vorsitzende Dr. Barbara Dierig, ist auch für ihren Verein nichts mehr so wie noch vor einigen Wochen.
Denn seit der Corona-Pandemie wird der einzige Reitverein im Augsburger Stadtgebiet unter strengen Auflagen gewissermaßen im „Notbetrieb“am Laufen gehalten. Wie in allen anderen bayerischen Ställen mussten auch im RCA Reitunterricht, Trainings- und Ferienkurse sowie ein Reitabzeichen-Lehrgang abgesagt werden.
Das hat die Einnahmen für den Verein dramatisch gesenkt, obwohl die Kosten für das Futter der 38 Pferde, Einstreu und Mistentsorgung unvermindert weiterlaufen. Zehn Schulpferde gehören dem Verein, der Rest der Tiere ist in Privatbesitz. Die Pferdeeigentümer sind neben den Vorstandsmitgliedern auch momentan die einzigen Personen, die den Stall derzeit noch betreten dürfen. Sie dürfen aber nur das tun, was zur Grundversorgung der Pferde gehört. Das bedeutet, dass tägliche Bewegung, Pflege, Fütterung, Misten und medizinische Betreuung sichergestellt werden müssen. Allerdings nur unter Einhaltung aller hygienischen Vorschriften. Nach einem anfänglichen Organisationsdurcheinander mittlerweile eine gut lösbare Aufgabe für den Reit-Club Augsburg, wie Barbara Dierig sagt: „Unsere Anlage ist recht groß, wir haben zwei Hallen und einen Freiplatz, sodass sich kein Gedränge bildet. Mehr als vier Reiter sind in unserer 20x60 Meter großen Halle nicht unterwegs. Mit der Nähe gibt es bei uns deshalb kein Problem. Wir haben auch alle Stühle und Bänke weggeräumt, damit nichts zum Verweilen einlädt. Dazu führen wir eine Liste, in die sich jeder eintragen muss. Denn ein Mensch darf sich zwei Stunden pro Tag um ein Pferd kümmern.“
Für die zehn Schulpferde des Vereins musste eine besondere Lösung gefunden werden, nachdem auch die Reitschüler nicht mehr kommen durften. „Netterweise haben unsere Pferdeeigentümer zusätzlich noch Patenschaften für die Schulpferde übernommen, die diese dann neben ihren eigenen Pferde noch reiten und pflegen.“Dierig räumt ein, dass es am Anfang schwierig war, diesen „Notbetrieb“auf die Beine zu stellen. „Aber mittlerweile hat sich eine gewisse Routine eingestellt. Wir wissen, dass wir privilegiert sind, weil wir unseren Sport weiter ausüben dürfen.“
Große Sorgen macht ihr hingegen die finanzielle Lage des Reitvereins. „Für unsere wichtigen Einnahmen sorgen die Schulpferde und die Reitschüler. Durch die Stadtnähe kommen viele Kinder und Jugendliche zu uns, das macht unseren Reiz aus.
Doch diese Einnahmen brechen nun weg. Zudem können wir unsere Boxenpreise nicht so stark erhöhen, weil wir keine Koppeln, sondern nur Paddocks haben. Da ist die Preisspanne nicht sehr groß.“Weil der Verein für das Grundstück am Zoo aber eine hohe Pacht an die Stadt zahlen muss, wurde Dierig zu Beginn der Ausgangsbeschränkungen schnell aktiv. „Ich habe sofort bei der Stadt angefragt wegen der Pacht. Innerhalb kürzester Zeit haben wir den Bescheid bekommen, dass uns die Pacht bis einschließlich September gestundet wird. Das war sehr entgegenkommend.“Es war eine Erleichterung für Dierig und ihr Team. Ob die Stundung allein hilft, bezweifelt Dierig allerdings. „Wahrscheinlich hilft uns nur das Erlassen der Pacht weiter.“
Und mit der Pandemie und dem guten Wetter kam auf die Reiter ein weiteres Problem zu. Ausgerechnet in der freien Natur, in ihrem Ausreitgelände im Siebentischwald, ist nun zu wenig Platz. „Der Wald ist so voll mit Menschen. Die Leute gehen auf dem Reitweg spazieren, teilweise sogar mit ihren Kinderwagen. Leider sind sie manchmal nicht im Geringsten bereit, auch nur ein bisschen zur Seite zu gehen. Wir Reiter haben einen einzigen Weg – und der ist jetzt voller Leute.“
Es käme zu teils skurrilen Szenen, erzählt Dierig. So habe einer ihrer Reiter den vielen Menschen auf dem Reitweg aus dem Weg gehen wollen und hatte die Straße benutzt. Ausgerechnet dort fielen dann Pferdeäpfel auf den Asphalt und ein vorbeifahrender Fahrradfahrer schickte ein Foto von den Hinterlassenschaften postwendend mit einer Beschwerde ans Ordnungsamt. „Wir haben das mittlerweile geklärt, wir wollen ja auch keine Konfrontation“, sagt Barbara Dierig. Mediator zu sein sei sie gewohnt angesichts der komplizierten geografischen Lage des Reitstalls, eingekesselt zwischen Zoogelände, Parkplätzen, und der Handwerkskammer.
Mittlerweile hätte sie ihren Vorstandsposten nach fünf Jahren als RCA-Vorsitzende gern übergeben, doch auch das verhinderte Corona. Die Jahreshauptversammlung des Vereins, auf der das neue Vorstandsteam gewählt werden sollte, musste ebenfalls abgesagt werden.