Gibt es den Stadtrat bald live im Internet?
Das Coronavirus macht den Besuch der Sitzungen schwierig. Doch es gibt Ideen und Beispiele für technische Lösungen
Entscheidungen, die die 60 Mitglieder des Stadtrats diskutieren, betreffen das Leben aller Einwohner Augsburgs – sei es der mögliche Bau einer neuen Kita oder der Wandel der städtischen Mobilität. Doch die öffentlichen Sitzungen des Stadtrats, sie finden in der Regel einmal im Monat statt, besuchen meist nur wenige interessierte Zuschauer. Die Linke erklärte kürzlich in einer Pressemitteilung, wie sich ihrer Meinung nach das Interesse der Augsburger an ihrem Stadtrat erhöhen ließe.
Neu-Stadtrat Frederik Hintermayr erläutert, „für die kommende Stadtratsperiode ist es unverzichtbar, dass die Sitzungen des Stadtrats und der Ausschüsse live im Internet gestreamt werden“. Das mache die aktuelle Corona-Krise deutlich – und so könne ein Mehr an Transparenz und Bürgernähe entstehen. Um das umzusetzen, bedarf es einer Änderung der Geschäftsordnung. Abschließend fordert Hintermayr, zu prüfen, ob nicht auch die konstituierende Sitzung des neuen Stadtrats am 4. Mai per Videokonferenz möglich sei. Stand jetzt wird diese Sitzung jedoch traditionell analog erfolgen.
Was sagen die Parteien der amtierenden Regierungskoalition (CSU, SPD und Grüne) dazu? Die Grünen verweisen auf die Stadt München, wo bereits ein Livestream der Stadtratssitzungen – ohne größeren technischen Aufwand – angeboten werde. Dazu erklärt die Partei: „Aus unserer Sicht wäre eine Änderung der Geschäftsordnung rechtlich möglich, da Stadträte Personen des öffentlichen Lebens sind.“Ob es möglich wäre, eine konstituierende Stadtratssitzung per Videochat abzuhalten, bezweifeln die Grünen: Hier gelte das Unmittelbarkeitsprinzip. Rechtlich sei ein solches Vorgehen daher schwierig – dazu müsste die Gemeindeordnung geändert werden. Technisch sei es dagegen wohl kein Problem. Prinzipiell begrüßt die Partei Änderungen der Arbeitsweise des Stadtrats in der aktuellen Corona-Krise, „es geht darum, demokratische Mitbestimmung und Mitgestaltung sowie gleichzeitig Maßnahmen zum Schutz der Mandatsträger zu erfüllen“. In dieselbe Richtung denken auch die Sozialdemokraten. Der Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion Florian Freund erläutert, „in München schauen während einer Liveübertragung des Stadtrats etwa 1000 Menschen zu“. Das sei eine gute Reichweite, verglichen mit der sonstigen Besucherzahl. Die Partei befürworte Übertragungen aus dem Stadtrat und den Ausschüssen, wobei man sich jedoch vorerst auf Ersteres konzentrieren solle.
Auf den Erfahrungswerten aus dem Stadtrat könne man dann aufbauen. Da der Stadtrat sich die Geschäftsordnung selbst gebe, könne er diese selbstverständlich auch ändern. Und auch in Sachen Datenschutz hat Freund eine Lösung: „In München wird nur die aktuell sprechende Person übertragen, wenn diese ihr Einverständnis erklärt hat.“Die Wahl des Bildformats ermögliche einen entsprechend kleinen Hintergrund. Technisch sei eine Live-Übertragung während eines tagenden Stadtrates in jedem Fall möglich. Hinsichtlich der Ausschusssitzungen müsse das die Verwaltung klären.
Die Augsburger CSU will in dieser Angelegenheit erst einmal abwarten. Wie ein Sprecher erklärt, sei „die Anfrage der Linken aus
Sicht der CSU-Fraktion vom neu zu konstituierenden Stadtrat sowie den neu gewählten Fraktionen zu beantworten“. Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) gibt sich aber aufgeschlossen. Man habe etwa mit den Stream-Pressekonferenzen zur Corona-Lage, bei denen die Öffentlichkeit habe mitverfolgen können, was aktuell besprochen werde, gute Erfahrungen gemacht. Einen Einsatz bei Stadtratssitzungen könne sie sich durchaus vorstellen, erklärt Weber. „Ich bin da sehr offen, eine solche Entwicklung ernsthaft zu prüfen.“Letztlich müsse aber der neue Stadtrat entscheiden.
Laut Stadtverwaltung wird beim Rathausumbau ab Mitte 2021 eine technische Lösung mit in den Sitzungssaal integriert. Verbaute Kameras können dann das Bild des jeweils vortragenden Stadtratsmitglieds auf die Großleinwand übertragen.
Dieser Stream kann bei einem größeren Besucherandrang auch in den Unteren Fletz oder – entweder bei entsprechender Beschlussfassung in der Geschäftsordnung oder im Einzelfall – auch in das Internet übertragen werden. Entscheidend sei es, das Persönlichkeitsrecht eines jeden Stadtrats zu beachten – jedes Mitglied muss die Möglichkeit haben, sich weiterhin ohne Kameras äußern zu können.