Geschichten, die das Coronavirus schreibt
Bürger in Ustersbach und Mödishofen haben die Möglichkeit aufzuschreiben, wie sich ihr Alltag in Zeiten von Corona verändert. Sie können berichten, was ihnen Sorgen, aber auch Mut macht. So funktioniert die Teilnahme
Ustersbach Wer etwas erlebt, kann auch etwas erzählen: Diese Feststellung hat Luise Behringer als Mitglied des Ustersbacher Arbeitskreises Dorfleben auf eine besondere Idee gebracht. „Wir sind uns sicher, dass in unserem Ort viele Geschichten erzählt werden können, die neben der Sorge und Verunsicherung auch Mut machen, dass wir die Corona-Krise gut überstehen und daraus vielleicht sogar gestärkt hervorgehen“, sagt sie und fordert die Bürger auf, ihre speziellen Geschichten zu diesem Thema aufzuschreiben.
Die Corona-Krise habe unser aller Leben verändert, betont Behringer. „Die einen arbeiten bis an ihre Grenzen, andere sind in Kurzarbeit oder arbeitslos.“Die Pandemie verunsichere und ängstige. „Dennoch gebe es immer wieder Zeichen der Solidarität und der gegenseitigen Hilfe.
„Viele Menschen rücken trotz räumlicher Distanz enger zusammen und machen sich gegenseitig Mut“, berichtet sie. „Hinter all diesen Gefühlen, Emotionen und Unterstützungen stecken Geschichten, Eindrücke und Wahrnehmungen.“
Dieses breite Spektrum müsse gebündelt und niedergeschrieben werden, meint Behringer. Die Professorin für Psychologie in der Sozialen Arbeit am Campus Benediktbeuren der Katholischen Stiftungshochschule München weiß aus ihrer Tätigkeit, dass das Erzählen von Geschichten mithelfe, gesund zu bleiben und Mut zu stärken.
Dabei plaudert sie aus eigener Erfahrung: „Die schrittweise Verbannung des Lebens aus der Hochschule und dem ganzen Kloster ist sehr bedrückend“, verdeutlicht sie. Gleichzeitig führe sie aber auch zu neuen, Mut machenden Erfahrungen, beispielsweise dass Studierende mit ihren Smartphones und Notebooks sehr engagiert und zuverlässig arbeiten. „Dadurch entwickelt sich ein ganz anderer Kontakt mit ihnen, der, so paradox das klingen mag, oft persönlicher ist als die persönliche Begegnung“, resümiert Behringer.
Auf Ustersbach und Mödishofen umgemünzt, meint sie: „Ältere Menschen, die schon andere schwierige und entbehrungsreiche Zeiten erlebt haben, können aus dieser Erfahrung ermutigende Einblicke geben. Kinder und Eltern können sicher über ihren großen Erfindungsreichtum berichten, wie sie mit dem neuen Alltag klar kommen.“
Die Idee, eine eigene Geschichte zur Corona-Krise zu verfassen, findet Angelika Ortner vom Arbeitskreis Dorfleben „sehr spannend“. „Falls viele Geschichten zusammen kommen, wollen wir diese eventuell auch in gebundener Form veröffentlichen.“Gabriele Braun, ebenfalls Mitglied im Arbeitskreis Dorfleben, hat ihre spezielle Geschichte bereits zu Papier gebracht. „Acht Tage waren wir in Quarantäne bis wir das Ergebnis bekamen, nicht am Coronavirus erkrankt zu sein“, hat sie notiert. „Nach dem erlösenden Anruf des Arztes machte ich mich sofort auf den Weg zu unserer Streuobstwiese und erledigte den schon längst fälligen Baumschnitt.“Kurz davor habe der Wind ihren alten Zwetschgenbaum umgenommen.
„Ein Gutteil des Stammes wird unser Nachbar in ein Kunstwerk verwandeln, der andere Teil bleibt als Totholz stehen und dient Insekten als Lebensraum“, teilt sie mit. „Das Beste aber war, dass die Unterlage ausgetrieben hat und blühte.“So schaue Frühling auch aus, bilanziert Gabriele Braun: „Altes vergeht, Neues entsteht.“
● Mitmachen Bürger aus Ustersbach und Mödishofen können ihre Geschichte – Länge etwa eine halbe DINA-4-Seite – per E-Mail an luise.behringer@t-online.de senden. Wer lieber mit der Hand schreibt oder erzählt, wählt die Telefonnummer 0163/6286785. Dann wird die Geschichte abgeholt oder aufgeschrieben.