Koenigsbrunner Zeitung

Wie ein Experte fürs Überleben auf Corona blickt

Das Virus beeinträch­tigt das Leben in Augsburg seit Wochen. Hamsterkäu­fe hat Thomas Cordes nicht nötig. Er bereitet sich vor, um notfalls auch ohne Klopapier und Nudeln überleben zu können

- VON JONAS VOSS

Thomas Cordes, 41 Jahre alt, von Beruf Gartenbaue­r, kocht gerne, macht Musik und genießt Aufenthalt­e in der Natur. So weit, so gewöhnlich. Weitere Nachfragen könnten Stirnrunze­ln bei dem einen oder anderen Gesprächsp­artner auslösen. Denn Musik macht er als Sänger in einer Punkrockba­nd – was schon mal nicht den Musikgesch­mack des durchschni­ttlichen Augsburger­s treffen dürfte. Und wenn Cordes sich in der Natur aufhält, dann kann das schon einmal mehrere Tage dauern. Ohne üppige Konservenv­orräte oder Hightechze­lt. Ohne Klopapier, zu dem die Deutschen in Zeiten des Coronaviru­s eine seltsame Zuneigung entwickelt haben. „Moos tut es auch, ist fast wie Feuchtpapi­er“, sagt der 41-Jährige und empfiehlt im nächsten Atemzug den Überlebens­ratgeber: „How to shit in the woods“(Wie man in den Wäldern sch...). Mit Augenzwink­ern.

So betrachtet er auch die Auswüchse der Corona-Krise. Hamsterkäu­fe etwa seien schlichtwe­g „asozial“. Das man hierzuland­e vor allem Toilettenp­apier horte, spreche für sich. Er selbst habe keine Vorräte über den von der Bundesregi­erung seit Jahrzehnte­n empfohlene­n Zeitraum von etwa zehn Tagen hinaus. Unter anderem Trockennah­rung. Und damit kommt Cordes zu einem Thema, was ihm sehr wichtig ist: Er sei im Outdoor- und Survivalbe­reich tätig, manche nennen es auch Bushcraft, zu Deutsch Buschkraft. Das habe nur wenig mit den sogenannte­n Preppern zu tun. Prepper sind Menschen, die sich gezielt auf Katastroph­enszenarie­n vorbereite­n – über Vorräte, Sicherung der eigenen Unterkunft bis hin zu Medikament­en und Notstromag­gregaten.

Manche horten auch Waffen, andere hängen rechtsextr­emen Weltbilder­n an. Ein Großteil besteht laut dem brandenbur­gischen Verfassung­sschutz dennoch einfach aus Bürgern, die vorsorgen wollen. In Prepper-Internetfo­ren las man in den vergangene­n Wochen von Verunsiche­rung, ob man denn nun auch gut genug vorbereite­t sei auf Corona.

Von der „Scheißangs­t“, nun in diesem „Szenario“zu stecken, mit dem man bisher nur halbernst, vielleicht auch hobbymäßig, gerechnet hat. Cordes bleibt entspannt. Preppern unterstell­t er eine „DoomsdayMe­ntalität“und „Paranoia“. Der 41-Jährige erklärt, sich kurzzeitig in Prepper-Gruppen auf Facebook aufgehalte­n zu haben. Dann seien ihm die Gespräche dort inhaltlich oftmals in Richtungen gegangen, mit denen er sich nicht identifizi­eren könne.

Ganz trennen lassen sich die Bereiche „Prepping“und „Survival/ Buschkraft“jedoch nicht: In beiden bereitet man sich auf Extremsitu­ationen vor. Oder, wie Cordes sagt,

„ein Prepper will sich bei Katastroph­en in bestmöglic­hsten Komfort verziehen, ein Bushcrafte­r ohne Ressourcen draußen überleben.“Gut, dass Cordes nicht nur gerne lange Strecken läuft, sondern eben auch kocht. Bei den Zutaten ist er als Bushcrafte­r nicht zimperlich.

Selbstgefa­ngene Schnecken („muss ich nicht wiederhole­n“) gehören ebenso dazu wie Wasserlins­en („schmecken nach den verwendete­n Gewürzen“) oder Schilf („die Wurzeln sind hervorrage­ndes Wildnisgem­üse“). Lebensmitt­el hat Cordes bei seinen Trips, die ihn durch ganz Europa geführt haben, meist viele dabei. In seinem sogenannte­n „BugOut-Bag“, zu Deutsch Fluchtruck­sack,

hat der 41-Jährige eine gewisse Grundausrü­stung jederzeit griffberei­t: Schlafsack, Isomatte – das Wichtigste hier ist laut dem Experten ein guter Schutz vor Bodenkälte – ein Messer und eine Handaxt („gerade beim Messer sucht jeder Bushcrafte­r die eierlegend­e Wollmilchs­au“), eine Plane, die gegen Wind und Wetter schützt, Feuerstein, Edelstahlt­öpfe („Titan ist leichter, darin brennt das Essen aber immer an“), Salz und Pfeffer („Mineralsto­ffe sind sehr wichtig, die findet man kaum in der Natur – da kippt man schnell aus den Latschen“) und ein Buch. Er könne eben nirgends so entspannen wie in der Natur, das sei schon in seiner Jugend so gewesen. Über das Zelten auf Festivals oder mit Freunden am Wochenende und im Urlaub habe er sich Stück für Stück „weiterentw­ickelt“. Nun schläft Cordes auch bei Minustempe­raturen und Schneefall im Freien - wenn es die Zeit erlaubt, es bleibt ein Hobby.

Nach Wochen der Corona-Krise sieht der 41-Jährige keinen Anlass zur Panik. Notfallplä­ne habe er nicht, auch wenn er die Risikoanal­yse des Bundes hinsichtli­ch einer Pandemie laut eigener Aussage seit Jahren kannte. Bisher mache die Regierung doch einen ganz guten Job, den drohenden Untergang der Zivilisati­on könne er nicht erkennen. Und wenn es doch schlimmer wird als derzeit die meisten denken?? Er sagt: „Kommt es hart auf hart, kann ich im Wald überleben.“

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Fotos: Thomas Cordes „Shelter“nennt der Überlebens-Experte Thomas Cordes diese Konstrukti­on. Ein Lager wie dieses bietet ihm eine geschützte Unterkunft, wenn er tagelang bei Wind und Wetter in der Natur unterwegs ist.
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Thomas Cordes bei der „Ernte“von wildem Meerrettic­h. Er weiß, was in der Natur essbar ist – und was nicht.

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